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Zionism, Jews, and the Jewish State in Populist and Far-Right Movements
DDie Thematisierung Israels in den Programmen populistischer bzw. rechter politischer Bewegungen in Europa stand im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Giovanni Matteo Quer (Hebrew University of Jerusalem) in der Österreich-Bibliothek an der AUB.

Die Thematisierung Israels in den Programmen populistischer bzw. rechter politischer Bewegungen in Europa stand im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Giovanni Matteo Quer (Hebrew University of Jerusalem) in der Österreich-Bibliothek an der AUB.

Die Veranstaltung am 17. September 2015 mit dem Titel “Israel and the new political movements: Zionism, Jews, and the Jewish State in Populist and Far-Right Movements” wurde von Prof. Dieter A. Binder, Professur für Kulturgeschichte und Kulturanthropologie an der AUB, und Ass.-Prof. Ursula K. Mindler-Steiner (AUB) in Kooperation mit dem Jewish Studies Program an der Central European University (Prof. András Kovács) organisiert und vom Israelischen Kulturinstitut Budapest und der AUB finanziell unterstützt. Durch den Abend führte Prof. András Kovács (CEU).

Dr. Quers Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Menschenrechte, Diversity Management und Antisemitismus. In den letzten Jahren setzte er sich zunehmend mit der Frage auseinander, welche Positionen links- wie rechtsextreme Parteien Europas gegenüber Israel bzw. dem Zionismus einnehmen. Im Besonderen vergleicht er die neuen links-, rechtsextremen und populistischen Parteien Westeuropas mit jenen Mittel- bzw. Osteuropas. Dabei stellte er fest, dass ein wesentlicher Unterschied in ihrer differenzierten Stellungnahme gegenüber Israel und dem Zionismus liege: westliche rechtsextreme Parteien scheinen dem „zionistischen Projekt“ wohlgesonnener zu sein als östliche, welche oft in einer antisemitischen Rhetorik verhaftet blieben. Dies erstaune umso mehr, so Quer, da diese Parteien dasselbe politische Erbe teilten und in einer faschistischen oder nationalsozialistischen Tradition verwurzelt seien. Folglich ging der Referent der Frage nach, wie dieser Unterschied zu erklären sei: Er stellte die These auf, dieser Unterschied sei die Konsequenz eines historischen Prozesses, den er “Israel-washing” nennt. Im Laufe der Jahre durchlebten westliche Parteien einen politischen und sozialen Wandel, wie personelle Änderungen in der Führungsebene der Parteien, die Adaptierung neuer politischer Strategien oder die Setzung neuer Prioritäten, welche an die politische Situation nach dem 11. September angepasst wurden. Quer sieht darin wesentliche Gründe, warum beispielsweise die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) oder die französische Front National (FN) eine Israel-freundlichere Haltung eingenommen haben, wohingegen sich die ungarische Jobbik, die polnische Kongres Nowej Prawicy (KNP) oder die rumänische Partidul România Mare (PRM) noch einer in einer traditionellen antisemitischen Rhetorik verwurzelten politischen Sprache bedienten.

Wirft man einen Blick in die Geschichte, so lässt sich jedoch feststellen, dass in den 1990er Jahren auch im Westen ähnlich argumentiert worden war – die Ablehnung der EU wurde oft an eine antisemitische Sprache gekoppelt; diese war bei Jörg Haider (FPÖ) ebenso zu finden wie bei Claude Mégret (FN), welcher im Zionismus eine Gefahr für die Welt ortete und das Judentum als ein verfremdendes Element der französischen Kultur ansah. In den letzten Jahren durchliefen diese Parteien jedoch „revolutionäre Veränderungen“ – zum einen wurden neue Schwerpunkte gesetzt, welche nun auf einem xenophoben politischen Programm liegen (z. B. „Islam-Frage“ statt „Judenfrage“), zum anderen bedienen sich die neuen „Leader“ – zumindest offiziell – nicht mehr der antisemitischen Sprache,  auch wenn deren Spuren nach wie vor zu finden sind. Die neue Parteivorsitzende des FN, Marine Le Pen, spricht beispielsweise von einer „Islamischen Internationalen“, eine Adaption des antisemitischen Ausdrucks der „Jüdischen Internationalen“. Durch die vordergründige Abkehr von rassistischen und antisemitischen Aussagen erhofft sie sich eine Imageverbesserung, welche der Partei neue Wählerstimmen einbringen soll. Zwar hat sie die Parteimitgliedschaft ihres Vaters, der sich wiederholt antisemitisch äußerte, vorerst ausgesetzt – versuchte aber dennoch mit anderen rechtsextremen EU-Abgeordneten wie dem polnischen KNP eine Fraktion im Europaparlament zu bilden. Bekannte sich der neue österreichische FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache in der „Jerusalemer Erklärung“, die er gemeinsam mit anderen rechten Parteien 2010 formuliert und veröffentlich hatte, zu Israel als „einziger wirklichen Demokratie im Nahen Osten“, so darf dies dennoch nicht über die weiterhin streckenweise völkische Rhetorik der FPÖ-Politik hinwegtäuschen. In beiden Fällen äußert sich die „neue Freundlichkeit“ gegenüber Israel auch in einer feindseligen Sprache gegenüber der Linken.

Quer sprach ferner über die antisemitische Sprache, derer sich rechte Parteien in Mittel- und Osteuropa derzeit bedienten: Sie äußere sich in offenen Feindseligkeiten gegen den Zionismus, Verschwörungstheorien, politischen Identifizierungen mit islamischen extremen Gruppen, welche die Vernichtung Israels anstreben. Als Beispiele nannte er u. a. die Forderung der rechtsradikalen ungarischen Jobbik im Parlament (2012), eine Liste zu erstellen, wie viele Juden im Parlament und in der Regierung Ungarns sitzen, da diese ein „nationales Sicherheitsrisiko“ darstellen würden, oder die antisemitischen Äußerungen des kürzlich verstorbenen Corneliu Vadim Tudor (PRM). Quer ist der Meinung, dass die offene antisemitische Rhetorik in diesen Ländern auch mit einer fehlenden „Vergangenheitsbewältigung“ in Zusammenhang stehe. Das Fehlen einer „Holocaust-Erinnerung“ habe dazu beigetragen, dass die Schoah nicht Teil des öffentlichen Gedächtnisses sei, was wiederum dazu führte, dass Juden und Jüdinnen nicht als Teil der Gesellschaft wahrgenommen würden und antisemitische Äußerungen oft unwidersprochen blieben. Die Parolen und revanchistischen Diskurse der rechten Parteien würden sich jedoch nicht nur gegen Juden und Jüdinnen, sondern auch gegen andere Minderheiten, insbesondere Roma und Romnija, richten.

Als einen „Prototyp“ der politischen „Neuorientierung“ im Westen nennt Quer die italienische Partei Alleanza Nazionale, die sich trotz des faschistischen Partei-Erbes unter der Führung von Gianfranco Fini zu einer Israel-freundlichen Partei entwickelt habe. Im Gegensatz dazu stünde die griechische Partei Chrysi Avgi insofern den mitteleuropäischen Parteien näher, als sie ebenfalls eine antizionistische Sprache anwende.

Dem Vortrag folgte eine lebhafte Debatte, welche nicht nur auf verschiedene von Dr. Quer geäußerte Argumente einging, sondern auch Fragen nach „Revisionismus“ in der Geschichte und Politik der israelischen Regierungen aufwarf. Quer verwies darauf, dass eine erfolgreiche Aufarbeitung der Vergangenheit und Revision von historischen Opfer-Mythen vor allem in jenen Ländern gelungen sei, wo Intellektuelle, Politik und das Bildungssystem zusammen gearbeitet hätten, um die Mitschuld des eigenen Landes an der Schoah klar zu benennen und aufzuzeigen.

Text: Ursula K. Mindler-Steiner

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