Im Rahmen des Workshops wurde zunächst ein Überblick über die Situation der Roma auf dem ungarischen Arbeitsmarkt gegeben. Außerdem wurden verschiedene Ansätze zur besseren Integration der Roma in den Arbeitsmarkt vorgestellt und kritisch diskutiert. Dabei wurden sowohl Programme der ungarischen Regierung als auch Initiativen von NGOs einbezogen. Abschließend gab es die Gelegenheit, im Rahmen einer Podiumsdiskussion konkrete Projekte kennenzulernen.
Nach den Grußworten von Hendrik Hansen, dem Prorektor der Andrássy Universität Budapest (AUB), hielt Károly Czibere, der ungarische Staatssekretär für soziale Angelegenheiten und Inklusion die Keynote Speech. Mit Blick auf die Herausforderungen der an die Roma gerichteten staatlichen Arbeits-programme betonte Czibere die Bedeutung von lokalen Initiativen und Programmen wie auch den Bedarf des Monitorings der laufenden Projekte: "Jeder Workshop muss die Botschaft vermitteln, dass es sich lohnt und, dass es Ergebnisse gibt". Anschließend stellten Martin Axmann, Leiter des Budapester Büros der Hanns-Seidel-Stiftung und Initiator des Projekts und die Projektkoordinatorin Ellen Bos, Leiterin der Professur für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa in der EU und Leiterin der internationalen Doktorschule an der AUB, die Ziele und Perspektiven des auf drei Jahre konzipierten Roma-Projekts vor.
Im ersten Panel wiesen Anikó Bernát vom ungarischen Meinungsforschungsinstitut TÁRKI, Luca Koltai von der NGO Habitat for Humanity und Vera Messing von der Central European University auf die Schwierigkeiten bei der Datensammlung über Roma und das Problem der Zuverlässigkeit der Datenquellen hin. Vera Messing stellte sich in ihrem Vortrag die Frage: "Welche Antwort liefern die ungarischen Arbeitsprogramme auf die Frage nach den Ursachen der Roma-Arbeitslosigkeit?" Sie resümierte, dass mit dem Argument, Roma seien weniger oder gar nicht gebildet, ihre Arbeitslosigkeit allein nicht erklärt werden kann. Denn: Im Fünf-Ländervergleich weisen die Roma in Ungarn den höchsten Bildungsstand, jedoch die niedrigste Beschäftigungsrate aus. Luca Koltai fokussierte in ihren Ausführungen auf die ungarische "Beschäftigungspolitik – Gemeinnützige Arbeit als Zukunftsperspektive?" Koltai betonte, dass für die Bewältigung der Beschäftigungsproblematik der Roma universelle Modelle wenig hilfreich sind. Vielmehr sollten die lokalen Programme gefördert und weiter ausgebaut werden. Alle drei Referentinnen hoben hervor, dass das staatliche Programm der gemeinnützigen Arbeit kein geeignetes Modell für die Bekämpfung der Roma-Arbeitslosigkeit ist. Das erste Panel wurde von Stephan Müller (European Roma Rights Centre) moderiert.
Im zweiten von Melani Barlai (AUB/netPOL) moderierten Teil der Konferenz wurden verschiedene Integrationsprojekte und -Programme vorgestellt. Der erste Redner Mihály Olajos, Bürgermeister von Szentpéterszeg, machte vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit staatlichen Arbeitsprogrammen in Szentpéterszeg darauf aufmerksam, dass man zunächst der Frage nachgehen sollte: "Wer will (überhaupt) arbeiten?“ Dabei sollte das Ziel „nicht die Beschäftigung sein". Weiter sagte er: "Wir müssen Werte schaffen und Werte produzieren. Die Kinder sollen sehen, dass ihre Eltern arbeiten."Szilárd Lantos vom Ungarischen Malteser Caritasdienst stellte die Vertretungen und Projekte der ungarischen Malteser innerhalb der Roma-Beschäftigungsprogramme vor: "Wir müssen die Menschen in den kleinen Gemeinden finden, die geeignet dafür sind, Vorbilder für andere zu sein." Es sei "notwendig, dass wir ein Beziehungsnetzwerk auf lokaler Ebene ausbauen". Lantos betonte ebenfalls, dass man mit standardisierten Modellen keine Erfolge erzielen kann. Tibor Béres von der Autonómia Stiftung benannte die aus seiner Sicht größte Barriere für die Roma-Beschäftigung: "Das größte Hindernis ist, dass es unter den Roma keine mittlere Führungsebene gibt." Als Lösungsvorschlag sieht Béres die regelmäßige Kommunikation mit den Experten und Expertinnen vor Ort. Zudem sei ein flexibles Subventionssystem notwendig – so sein Resümee. Anna Adamecz vom Budapester Fachpolitischen Institut untersuchte in ihrer Präsentation anhand von zwei Programmen die Wirksamkeit der Beschäftigungsprogramme der Europäischen Union. Adamecz schlussfolgerte, dass es an Individualdaten mangelt. Trotzdem ließe sich feststellen, dass "Programme mit größerem Volumen, jedoch mit weniger Komplexität erfolgreicher sind". Margit Schütt vom Kiút Programm referierte über die Teilergebnisse ihres Dissertationsprojekts: Schütt konkludierte, dass das Kiút-Programm den Mikrokredit nicht als Ziel, sondern als Mittel betrachtet. Zudem präsentierte und analysierte sie die Zahlen und Fakten der Kiút-Mikrokreditleistung zwischen 2012 und 2014. Sie wies darauf hin, dass es an einer einheitlichen Regelung des Mikrokredits für soziale Inklusion in Ungarn mangelt.
F. András Balogh von der ELTE und Kabai Katalin (Projektkoordinatorin, ASIROMA Hungary) stellten ein EU-Projekt im Programm für Lebenslanges Lernen und dessen Unterprogramm vor. Das Programm zielt auf den "Transfer innovativer Ansätze zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte für ihre Arbeit mit jungen Roma zur Sicherung von Bildungsabschlüssen" ab – so die Referenten.
Im dritten internationalen Panel berichteten Daniel Gerbery und Daniel Skobla vom slowakischen Institut für Arbeitsmarkt- und Familienforschung und Alena Zieglerova von der tschechischen Koordinierungsabteilung der Agentur für Soziale Inklusion über die slowakischen und tschechischen staatlichen Arbeitsprogramme. Mit Blick auf das slowakische Modell des "Activiation Work" äußerten Gerbery und Skobla folgende Kritik: Das Programm sei eine "new form of slavery" und es unterscheide zwischen "good und bad citizen". Zieglerova referierte über die erzielten Ergebnisse der tschechischen Agentur für Soziale Inklusion auf lokaler Ebene. Anhand von positiven Beispielen beleuchtete sie die enge und effektive Zusammenarbeit der Gemeinden und der Regierung, die sogar in von den lokalen Akteuren initiierten sozialpolitischen Gesetzesänderungen fruchten kann.
Im vierten Teil des Workshops wurden drei Projekte bzw. Programm präsentiert. Zuerst stellte Judit Szőke, die Leiterin der Bürger-Stiftung für Chancengleichheit (Polgár Alapítvány az Esélyekért: PAE) die komplexe 6-jährige Tätigkeit der Stiftung vor. PAE ist bestrebt, "Modelle aufzubauen, die sich auf die Berufsaktivitäten der Roma stützen" – so Szöke. Im Weiteren berichtete sie über die Erfahrungen im Bereich des Weinanbaus eines von Roma betriebenen Unternehmens in Olaszliszka, das von PAE betreut und finanziert wurde. Vilmos Kozáry, der Vertreter des HBLF Romaster Programms betonte, dass das Romaster-Programm ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit der Geschäftswelt mit NGOs sei. Das Programm bilde eine Brücke zwischen der Mittelschule und dem Studium durch langfristige Stipendien, die Betreuung durch Mentoren der mitwirkenden Unternehmen. Außerdem bietet es Praktikumsmöglichkeiten für junge Roma mit akademischem Abschluss. Zuletzt stellte Károly Kálló, der Coleiter des Bhim-Rao-Vereins dessen vielfältige Tätigkeiten vor. Neben Kultur- und Bildungsprogrammen wird auch ein erfolgreiches Beschäftigungsprogramm durchgeführt: Unter dem Brand "Bódvakert" werden Pilzzucht und -verkauf betrieben. Die vorgeführten Beispiele zeugten sowohl von der Vielfalt und Vielzahl als auch von der positiven Wirkung der Programme und Projekte der NGOs.
Die Konferenz endete mit einer kontroversen Podiumsdiskussion, in der aus praktischer Sicht Erfolge und Misserfolge der aktuellen ungarischen Roma-Arbeitsmarktpolitik, Maßnahmen zur Bekämpfung der Roma-Arbeitslosigkeit sowie die Perspektiven der staatlichen und nicht-staatlichen Arbeitsprogramme beleuchtet wurden. An der Diskussion nahmen die Bürgermeister Mihály Olajos aus Szentpéterszeg, Béla Lakatos aus Ács und der stellvertretende Bürgermeister es X. Bezirks in Buapest Gábor Radványi teil. Die Regierung war durch Leó Lörincz, Berater im ungarischen Innenministerium, die NGO´s von Béla Rácz, vom Budapester Open Society Institute, vertreten. Die Podiumsdiskussion moderierte Ellen Bos, die sich im Schlusswort bei den Referenten, Referentinnen und bei dem Publikum für ihre aktive Teilnahme sowie bei den Organisatoren des erfolgreichen Workshops bedankte.
In dem für einen Zeitraum von mehreren Semestern konzipierten Projekt wird künftig der Fokus auf folgenden thematischen Schwerpunkten liegen: Bildungspolitik, politische Partizipation, EU-Politik, öffentliche Meinung und Migration.
Bericht: Melani Barlai
Bilder: Ancsin Gábor