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Unreformierbar? Desintegrative Kräfte in der Donaumonarchie am Vorabend des ersten Weltkriegs
Prof. Kastner hielt den Eröffnungsvortrag der neuen Reihe des Donau-Instituts: „Desintegrationsprozesse in Europa“

Mit dem Vortrag zum Thema „Unreformierbar? Desintegrative Kräfte in der Donaumonarchie  am Vorabend des ersten Weltkriegs” von Prof. Dr. Georg Kastner wurde die Vortragsreihe des Donau-Instituts „Desintegrationsprozesse in Europa” am 27. Februar vor großem Publikum im Andrássy Saal eröffnet.

Prof. Dr. Ellen Bos, Leiterin des Donau-Institutes begrüßte die Gäste und erläuterte den Schwerpunkt der neuen Vortragsreihe. Das Donau-Institut forscht hauptsächlich im Bereich des europäischen Integrationsprozesses. Frau Boss wies darauf hin, dass der Donauraum in den letzten 200 Jahren starke Differenzierung und Desintegration erlebt hat. Das Konzept der Donauraumstrategie bietet nun aber die Möglichkeit, dies wieder teilweise zu überwinden. Aber nicht nur aufgrund dessen lohnt es sich, sich mit der bisherigen Geschichte der Region Mitteleuropa und des Kulturraums der AUB zu beschäftigen.

Prof. Dr Georg Kastner (Historiker, Dekan der Fakultät für Mitteleuropäische Studien der AUB) lenkte die Aufmerksamkeit zu Beginn darauf, dass schon für die Benennung des ehemaligen Staatsgebildes im Donauraum und für den Titel seines Herrschers bis heute verschiedenste Varianten existieren. War es die Donaumonarchie oder  das Reich der Habsburger? Bedeutet KK Kaiser von Österreich und König von Ungarn oder König von Kroatien oder beides? Wurde die Bedeutung der Begriffsabkürzung „KK“  nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in Kitsch und Kult verdreht? Die Sissi-Filme taten ihr Übriges für eine solche Habsburger Romantik.

Der Professor beurteilte zunächst das von Karl IV. (in Ungarn Karl III.) erlassene Gesetz, welches die Donaumonarchie zu Indivisibiliter ac Inseparibiliter erklärte, also als unteilbar und untrennbar. Die immer wiederkehrende Frage über den Zerfall wurde eingangs als Leitfrage des Vortrags formuliert: „Wer tötete den Doppeladler?”

Herr Professor Kastner skizzierte die Geschichte des Zerfalls der Monarchie genau und beschränkte sich nicht auf das gängige Klischee der Erklärung, wonach die verschiedenen Nationen in der Monarchie unbedingt die Unabhängigkeit anstrebten. Viele Beispiele lassen durchaus daran zweifeln. Dies zeigt unter anderem die noch geringe Bedeutung des Panslavismus während des Ersten Weltkriegs und die Vorgeschichte der Leitfiguren der Zwischenkriegszeit in den Nachfolgestaaten der Donaumonarchie. Beispielsweise waren Masaryk und Benes am Vorabend des ersten Weltkriegs noch für eine Föderalisierung der Monarchie.

Herr Kastner betonte, dass eines der größten Probleme die katastrophale Außenpolitik der Monarchie gewesen sei. Dies werde deutlich an der nicht gut überlegten Balkanexpansion, an den Problemen in den habsburgisch-russischen Beziehungen, und auch an der Agitation gegen und der Kooperation mit Italien. Die gesamte erfolglose Politik kulminierte in der berühmten Sixtus-Affäre im Jahre 1918. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Franz Joseph - bisher regierte er immer noch länger als Elisabeth II., die jetzige Königin des Vereinigten Königreichs - und seine Berater aus ein und derselben Generation kamen. Dies hinterließ seine Spuren sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik des Reiches. Insofern blieb die Modernisierung nur ein Traum der Reformer. Die unterschiedlich stark liberalen Wahlgesetze in Österreich einerseits und in Ungarn anderseits sowie die dadurch resultierenden unterschiedlichen politischen Entwicklungen hatten ebenfalls keine positive Wirkung auf den Zusammenhalt des Reiches.

Nach dem Zerfall der politischen Einheit existierte die kulturelle Einheit jedoch noch bis zu der Zeit des Nationalsozialismus weiter. Herr Professor Kastner nannte exemplarisch den Regisseur Mihály Kertész, der sowohl in Österreich-Ungarn als auch später in Österreich, in Deutschland und letztendlich in Hollywood erfolgreich war. Die Mehrsprachlichkeit und die unterschiedlichen kulturellen Prägungen ergaben ein spannendes kulturelles Umfeld in der Monarchie. Die Fragen aus dem Publikum drehten sich unter anderem um die symbolische kulturelle Einheit der Monarchie. Schlussfolgernd betonte Herr Professor Kastner sehr stark, dass das Reich nicht völlig unreformierbar war und sein Zerfall nicht zwangsläufig, sondern viele Akteure der Monarchie für die Föderalisierung und das Überleben des Staatsgebildes waren.

Text: Krisztina Hittner

Mit der freundlichen Unterstützung des Projektes TÁMOP-4.2.2/B-10/1-2010-0015.

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