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Liebe zu alten Lastern? - Konservativismus im 21. Jahrhundert
Konferenzbericht

Die internationale Konferenz zur Lage des Konservativismus im 21. Jahrhundert wurde am 30.11.2012 zu Ehren von Herrn Hans Kaiser, dem ehemaligen Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Budapest, an der Andrássy Universität (AUB) abgehalten. Die Leiterin des Donau-Institutes, Prof. Dr. Ellen Bos, eröffnete im Beisein des Rektors der AUB Herrn Prof. Dr. Masát feierlich die wissenschaftliche Tagung. Die Konferenz teilte sich in 4 Panels, in denen sich zunächst mit den Grundlagen, daraufhin dem rechtlichen und internationalen Bezug sowie schlussendlich mit dem Konservativismus in Ungarn auseinander gesetzt wurde. Dabei stand die definitorische Erfassung, die kontroverse Betrachtung des Begriffes „Konservativismus“ wie auch die Realisierung konservativer Ideen heute im Zentrum der Vorträge und den anschließenden Diskussionen.

Panel 1: Grundlagen

Moderiert von Herrn Dr. Zoltán Pállinger beschäftigten sich die Referenten des ersten Panels mit den Grundlagen und dem Ursprung von Konservativismus. Herr Prof. Dr. Dietmar Meyer referierte in Anlehnung an die Leitlinien der Französischen Revolution unter dem Titel „Konservativismus, Freiheit und Stabilität“ und zeigte die Französische Revolution als einen Ursprung konservativer Ideen auf. Herr Siegfried Franke ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob „Aufgeklärt konservativ heute und modern liberal – zwei Seiten derselben Medaille“ seien. Dr. Ralf Thomas Göllner vom Ungarischen Institut in Regensburg näherte sich dem Konservatismus auf europäischer Ebene und hielt seinen Vortrag zum Thema „Kulturelle, nationale oder europäische Identität? Konservativismus und europäische Integration“.

Panel 2: Konservativismus und Recht

Im zweiten Panel beschäftigten sich die Referenten mit dem rechtlichen Bezug zu Konservativismus. Nach einer kurzen Vorstellung der Vortragenden durch Prof. Dr. Bos begann István Szabó von der Pázmány Péter Katholischen Universität Budapest unter dem Titel „Konservativismus in der Rechtwissenschaft – der Wert von Vergangenheit und Tradition“ zu referieren.Zunächst erörterte er den Zusammenhang zwischen Philosophie und Recht und verorterte beide auf der ständigen Suche nach der Wahrheit. Recht befindet sich seiner Ansicht nach im Dienste der Wahrheit und Gewohnheitsrecht entstehe durch die Interpretation von Gerechtigkeit.

Daraufhin warf er einen historischen Blick auf die griechische Antike, in welcher Recht auch die Wichtigkeit einer richtigen Entscheidung einschloss und der Richter sich somit nicht nur am Recht, sondern auch an der Gerechtigkeit ausrichtete.

Ebenso warf er einen Blick auf das ungarische Recht und stellte fest, dass die Doppelmonarchie

Österreich-Ungarn auch viele Gemeinsamkeiten im Recht, im gemeinsamen Rechtsunterricht und einer gemeinsamen Rechtstradition manifestierte. Der Eiserne Vorhang trennte diese Tradition, sodass die  jahrzehntelang unterbrochene Verbindung beider Länder schwer wieder zu kitten war. Ungarn verfügte nach Szabó bis Ender der 20er Jahre nur über eine historische Verfassung. 1848 wurde die Ständevertretung in Ungarn zwar durch eine Volksvertretung ersetzt, aber keine neue Verfassung verabschiedet.

Dr. David R. Wenger lieferte mit seinem Vortrag „Verfassungskritik damals und heute“ eine kritische Betrachtungsweise auf Verfassung, vor allem in der heutigen Zeit. Er führte aus, dass moderne Verfassungen ab den 90er Jahren einen massiven Zuwachs von Rechtstext, aber auch von Grundrechten erfuhren. Die Anpassung an die pluralistische Gesellschaftsform realisierte sich ebenso in sozialen Rechten wie Recht auf Wohnung oder einen Arbeitsplatz, die ebenso in Verfassungen verankert wurden.

Diese Vielfalt von Verfassungsrecht zu allen Seiten nach dem Motto „Vielfalt ist Trumpf“ drängt nach Verwirklichung. Er untermauerte dies beispielsweise mit einem gesteigertern Aktivismus im Rechtsbereich, der vor allem nicht kostengünstig sei. Da laut Wenger Steuererhöhungen unpopulär seien würden sich Staaten zunehmend verschulden.

Weiterhin führte er die Politisierung des gesamten Rechts als eine Bedrohung aus der Demokratie an. Die Homöostase zwischen Recht und Politik bewirke eine gegenseitige Verstärkung der Machtsphären. „Die objektive Dimension der Grundrechte“  und das Vorsorgeprinzip seien ein Vorwand des Staates, z.B. präventive Polizeimaßnahmen mit Eingriff in Abwehrgrundsätze der Menschen auzuführen.

Schlussfolgernd nannte er das Konzept der ungeschriebenen Grundrechte das Gebot der Stunde und wies darauf hin, dass je mehr metaphysisch richtig, desto mehr im einzelnen falsch sei.

„Dignitas und otium – die Wurzeln zweier Konservativer Grundwerte im Staatsdenken des Altertums“ war der Titel, nach dem Dr.Tamás Nótári seinen Vortrag mit historischem Bezug auf Cicero ausrichtete. Zu Beginn richtete er seine Worte direkt an Hans Kaiser, den ehemaligen Leiter des Auslandsbüros der KAS, um ihn zu zitieren. Nach Nótári hatte Hans Kaiser einmal Konservativismus mit „das macht man nicht“ charakterisiert.

Der Referent bezog seinen Vortrag auf das gesellschaftliche Wechselspiel zwischen Popularen und Optimaten bezogen auf die Werke Ciceros. Laut des Autors sei „jeder, der nicht verwegen ist und sich an die Grundregeln hält“ ein Optimat und somit der konservativen Strömung zuzuordnen. Ziel der Optimaten sei es, im Gegensatz zu den eher aufrührerischen Popularen für die Bewahrung von „dignitas“und „otium“ zu sorgen.

Panel 3: Konservativismus im Internationalen Vergleich

Den Auftakt dieses Panels leistete Prof. Dr. Ellen Bos, welche das Thema „Konservativismus und Systemtransformation“ in Ihrem Vortrag behandelte. Dabei ging sie auf die Frage ein, welche Bedeutung der Konservativismus im Kontext mit Transformationsprozessen besitzt. Hierzu griff sie den idealtypischen Verlauf von Systemwechselprozessen auf und erläuterte die jeweilige Rolle des Konservativismus für die einzelnen Phasen des Prozesses. 

Im Anschluss daran referierte Dr. Kálmán Pócza über „Konservativismus als Disposition: ein normativer Ansatz aus mitteleuropäischer Perspektive“. Diesbezüglich erörterte Dr. Pócza den verschieden verstandenen Charakter des Konservativismus und thematisierte dabei vor allem den Konservativismus als Disposition, wobei er den Dispositionsbegriff näher beleuchtete.

Abschließend hielt Dr. Zoltán Tibor Pállinger seinen Vortrag mit dem Titel „Zwischen Progressivismus und Konservativismus: Paradoxien direkter Demokratie“. Hierbei nahm er Bezug auf den Begriff der direkten Demokratie und gab einen historischen Rückblick bezüglich der Thematik. Darüber hinaus ging Dr. Pállinger näher auf die Instrumente der direkten Demokratie ein. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die direkte Demokratie eine rechts-konservative Wirkung aufweist. Der Vortrag wurde mit dem Fazit, dass Konservative nach den gemachten Erläuterungen eine direkte Demokratie befürworten sollten, abgeschlossen.

Panel  4: Konservativismus in Ungarn

Die Vorträge des Panels wurden durch Herrn Prof. Andreas Oplatka eröffnet, der mit seinem Beitrag „Graf Miklós Bánffys Siebenbürger Triologie – konservative Kritik am Konservativismus“ auf Basis des gleichnamigen Monumentalromans von 1934-1940 eine umfassende Analyse des ungarischen Konservativismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeichnete. Aus den enthaltenen Darstellungen und Kritiken des Autoren leitete er ab, das sich der Konservativismus im 19. Jahrhundert primär als Wertvorstellung mit klaren moralisch-ethischen Grundsätzen zeigte, dass sich die Umweltbedingungen aber durchaus anpassen und ändern können.  Entsprechend entwickelte er die pathetische, historische Herrenmentalität der politischen Elite des frühen 20. Jahrhunderts zum Hauptkritikpunkt. Prof. Andreas Oplatka verdeutliche diese Strukturen anhand der allgemeinen außenpolitischen Gleichgültigkeit der Eliten, einem verqueren Demokratieverständnis, das den neuen bürgerlichen Kräften die demokratische Legitimation aberkannte und die Ignoranz der konservativen Eliten gegenüber der sozialen Probleme, die durch die ungeklärte Bauernfrage im Entstehen war. 

Im Anschluss präsentierte Edith Oltay, Mitglied des Berliner Korrespondentenbüros, die Ergebnisse einer Untersuchung über die „Fidesz und die Neuerfindung des Ungarischen Mitte-Rechtslagers“. Im Rahmen ihres Vortrages zeichnete sie die Entwicklung der Fidesz von einer Jugendorganisation zur ungarischen Regierungspartei nach. Als besonders Momentum  innerhalb dieser Entwicklung müsse vor allem die Stabilität der Fidesz trotz der zwei Wahlniederlagen in den Jahren 2002 und 2006 angesehen werden. Zu den herausgearbeiteten Merkmalen die dies möglich gemacht haben, gehörten vor allem der konsequente Ausbau der inneren Parteistruktur, die junge Führungsgeneration der Partei, der Aufbau einer breiten ideologischen Plattform unter der Vision eines bürgerlichen Ungarns, die als Auffangbecken vieler verschiedener Bevölkerungsgruppen- und Schichten dient und die Figur Viktor Orbán, der als charismatische Führungspersönlichkeit eine Identifikationsfigur für die Partei darstellt.

Daraufhin referierte Herr Zoltán Kiszelly über die Entwicklung des Konservativismus im ungarischen Parteiensystem. Aufgehend von der Hypothese, dass das ungarische Parteiensystem bis heute von der Trennlinie zwischen antikommunistisch und postsozialistisch bestimmt wird, schlug der Referent einen Bogen zwischen den politischen Entwicklungen vor und nach der sowjetischen Zeit. In der Entwicklung der vorsowjetischen Zeit betonte er vor allem die fehlende Herausbildung von Konfliktlinien innerhalb der Eliten durch dessen Inkorporation. Dies führte zu einer geringen Präsenz der Konservativen innerhalb der Führungselite.  Auch in dem kurzen Zeitraum der Existenz von ungarischen Parteien in den Jahren 1945 bis 1947 konnten die Konservativen innerhalb des Blocks der Antikommunisten kein Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten. Im aktuellen ungarischen Gesellschafts- und Parteiensystem verortete er ein konservatives Paradoxon, das sich bei den konservativen Parteien durch eine konservative wertedominierte Gesellschaftspolitik, aber eine progressive Wirtschaftspolitik ausdrückt. In der ungarischen Gesellschaft zeige sich dieses Paradoxon entsprechend in einer wertkonservativen Grundhaltung der Bevölkerung, die sich aber nicht mit dem liberalen Lebensstil vereinbaren ließe.

Im abschließenden Beitrag zu den „Konservativen Werten als Orientierungsrahmen der ungarischen Gesellschaft“ argumentierte  Ágoston Mráz vom Nézőpont Institut anhand von 5 Leitthesen, dass  es ein Merkmal der ungarischen Gesellschaft und Parteienlandschaft sei, dass konservative Werte richtungsweisenden Leitlinien bilden, die einzelnen Akteure sich aber selber nicht als konservativ einordnen. Die Ursachen für dieses Verhalten könne auf die negative Besetzung des Begriffes „konservativ“ zurückzuführen sein, der im Allgemeinen von politischen Gegnern der Fidesz als Synonym für rückschrittlich, traditionell oder nationalistisch genutzt werde. In Bezug auf die Fidesz stellte Mráz fest, dass deren politisches Output durchaus als konservativ betrachtet werden kann, dass die Partei als Volkspartei aber keineswegs ausschließlich eine konservative Facette hat.

Text: Paula Beger, Mona Kappel, Simone Blunck, Benjamin Barthel

Die Veranstaltung wurde vom Projekt TÁMOP-4.2.2/B-10/1-2010-0015 unterstützt.

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