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„László Ede Almásy: ‚Der englische Patient‘ und seine Tätigkeit für die Steyr-Werke“. Vortrag von Prof. Walter Iber
Andrássy Universität Budapest, Lehrstuhl für Kulturwissenschaften
Der „Lehrstuhl für Kulturwissenschaften“ an der Andrássy Universität Budapest (AUB) und das „Österreichische Kulturforum Budapest“ (ÖKF) luden am 20. März 2024 zu einem Abendvortrag von Univ.-Prof. Dr. Walter Iber ein.

Der „Lehrstuhl für Kulturwissenschaften“ an der Andrássy Universität Budapest (AUB) und das „Österreichische Kulturforum Budapest“ (ÖKF) luden am 20. März 2024 zu einem Abendvortrag von Univ.-Prof. Dr. Walter Iber ein. Die Veranstaltung, die von Assoz. Prof. Dr. Ursula Mindler-Steiner (AUB) organisiert worden war, fand in der Österreich-Bibliothek an der AUB statt. Nach einführenden Worten von der stellvertretenden ÖKF-Direktorin Renate Seib, die insbesondere die historischen Verbindungen zwischen Österreich und Ungarn hervorhob, und von Ursula Mindler-Steiner, nahm Prof. Iber das Publikum auf eine spannende Reise durch die (österreichisch-ungarische) Automobil- und Motorsportwelt des 20. Jahrhunderts mit.

Prof. Iber leitet seit Wintersemester 2023 den Arbeitsbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte am Institut für Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen neben der Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte unter anderem auf der Geschichte des Sports. So verstand er es auch meisterhaft, in seinem Referat diese verschiedenen Schwerpunkte zu verbinden. Der Vortrag beleuchtete einen bisher wenig berücksichtigten Aspekt aus Almásys Leben: Sein Wirken für die österreichische Automobilmarke „Steyr“, für die er in der frühen Zwischenkriegszeit als Geschäftsmann in Ungarn wie auch im nordöstlichen Afrika tätig war. Dies vermittelte Prof. Iber mittels zweiter Erzählstränge: Erstens widmete er sich der Bedeutung und Entwicklung der Automobilsparte innerhalb der „Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft“ (ab 1926 „Steyr-Werke“) nach dem Ersten Weltkrieg und präsentierte deren Werbemaßnahmen, Geschäftsstrategien und die Bedeutung des „Afrika-Geschäfts“, bei welchem Almásy eine besondere Rolle spielen sollte. Zweitens analysierte er den Beitrag Almásys zur Popularisierung der Marke „Steyr“ in Europa und in Ägypten in der Zwischenkriegszeit. Hier ging er insbesondere auf Almásys spektakuläre Wüstenfahrten und Reiseberichte ein, die schon damals zu einer gewissen Popularität beitrugen.

László Ede Almásy

Im Mittelpunkt von Ibers Ausführungen stand der Motorsportler, Pilot, Geschäftsmann, Abenteurer und Wüstenforscher László Ede Almásy (1895–1951), der als historische Figur als Vorlage für den Roman und den Hollywood-Film „Der englische Patient“ diente und dadurch weltberühmt wurde. Sein Leben spiegelt auch ein Stück Monarchie-Geschichte – aus einer ungarischen Adelsfamilie stammend, mehrsprachig, wurde er 1895 im deutschwestungarischen Borostyánkő (Bernstein) geboren, das seit 1921 zu Österreich gehört. Zeit seines Lebens war er (international) gut vernetzt. Die Burg Bernstein, auf welcher bis heute ein Zimmer nach ihm benannt ist, galt vor dem Ersten Weltkrieg als ein wichtiger Ort der ungarischen Asienforschung. Der Abenteuergeist schien Almásy also in die Wiege gelegt – schon sein Vater hatte ausgedehnte Forschungsreisen nach Mittelasien und Nordchina unternommen. Auch Lászlo Almásy begab sich früh auf Reisen und ergriff verschiedene Berufe. Er besuchte die Schule in England, und bereits in dieser Zeit entwickelte er ein großes Interesse für die Automobil- und Flugzeugtechnik. 1912 erwarb er seinen Pilotenschein und unternahm ab 1914 regelmäßig Flüge nach Budapest. Im Ersten Weltkrieg diente er unter anderem als Kampfflieger an der Südfront. Im gescheiterten Restaurationsversuch der Habsburger zu Ostern 1921 war er als Chauffeur von Karl involviert. Bald nach Kriegsende nahm er an Motorrad- und Autorennen teil; so war er unter anderem Renn- und Testfahrer für die Firma Steyr und zwischenzeitlich auch Leiter einer Steyr-Niederlassung in Szombathely.

Die Automobilwirtschaft und Almásys Beitrag zur Popularisierung der Automarke „Steyr“ Die Wurzeln der „Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft – Steyr-Werke“ reichen in das Jahr 1830 zurück, als Leopold Werndl im oberösterreichischen Ort Steyr eine Gewehrfabrik gründete. Das Unternehmen florierte, und bald produzierte man auch Fahrräder und ab dem Ersten Weltkrieg Automobile. 1920 kam der „Steyr II“ auf den Markt, und das Unternehmen expandierte weiter. Nachdem der Automobilmarkt in der Zwischenkriegszeit heiß umkämpft war, versuchte die Firma Steyr, den Absatz ihrer Fahrzeuge durch sportliche Erfolge anzukurbeln. Es war damals die große Zeit der Autorennen: Monza in Italien, Le Mans in Frankreich, Spa in Belgien, der Nürburgring in Deutschland. Almásy gewann für Steyr verschiedene Autorennen, und die Firma benützte ihn als „Aushängeschild“ für das Unternehmen. 1925 nahm er zum Beispiel an der „Polen-Rundfahrt“ teil und berichtete ausführlich über dieses Abenteuer. Dabei zeigte er sich als „begeisterter Anhänger der [Auto-]Marke Steyr“ und schlug die Werbetrommel für den „Steyr Typ VII“: „Mein Steyrzeigte sogleich jene Eigenschaften, die mir die Marke schon seit langem so wert gemacht haben: Gutmütigkeit, Gehorsam, Eifer und Kampfesmut“ (zitiert aus: „AllgemeineAutomobil-Zeitung“).

Bald war der europäische Markt zu klein, und die Firma Steyr entschied, ab 1926 nach Afrika zu gehen, um die Produkte „unter Wüstenbedingungen“ zu testen und Afrika, insbesondere Ägypten, als Absatzmarkt zu erschließen. So unternahm Almásy 1926 (mit Alois Esterházy), 1928 und 1929 (mit Ferdinand Liechtenstein) drei große Wüstenfahrten für „Steyr“, welche Monate lang dauerten und über die er ausführliche Berichte verfasste. Dabei setzten sie neue Maßstäbe; Almásy war der erste, der mit einem „Tourenautomobil“ die Nubische Wüste durchquerte. Die „Allgemeine Automobil-Zeitung“, die Prof. Iber als eine Hauptquelle diente, berichtete regelmäßig über Almásys Abenteuer, bei welchen dieser immer wieder vor allem die Beständigkeit, Verlässlichkeit und das Leistungsvermögen seiner „Steyr“-Fahrzeuge betonte. Für diese warb er auch bei der Automobilausstellung in Kairo 1927, wo er als Vertreter der Steyr-Werke zugegen war. 

Almásys Engagement führte nicht nur zu einer Popularisierung der Marke „Steyr“ in Europa, sondern auch in Afrika, wo er ihr zu großen Erfolgen verhalf. In der ägyptischen Öffentlichkeit war Steyr mit hohem Ansehen verbunden. Almásys Erfolgssträhne erfuhr jedoch unerwartet ein jähes Ende durch die Weltwirtschaftskrise. Steyr beendete die Afrika-Expansionen und die Zusammenarbeit mit Almásy. Dies bedeutete für ihn einen tiefen Einschnitt, ebenso finanzielle Probleme. Almásys Leben nach der Wirtschaftskrise Ab den 1930er-Jahren wirkte Almásy als Leiter einer Flugschule bei Kairo und unternahm erneut mehrere Wüstenexpeditionen. Unterstützt vom ägyptischen Königshaus, dienten diese jedoch weniger dem Abenteuer als vielmehr der Wissenschaft: Er war an archäologischen, kartographischen und ethnographischen Forschungen beteiligt, gilt als Entdecker der Oase Zarzura und publizierte rege über seine Entdeckungen (zB.: Az ismeretlen szahara. Budapest 1934; Levegőben, homokon. Budapest 1937). Sein Engagement brachte ihm den Ehrentitel „Abu Ramla“ („Vater des Sandes“) ein. Aus dieser Zeit stammt auch jenes Ereignis, das als Vorlage für den (letztlich fiktiven) Film „Der englische Patient“ diente: 1931 erlitt er in einem Sturmgewitter einen Flugzeugabsturz, dener jedoch, ebenso wie sein Co-Pilot, unverletzt überlebte.

 Dr. Orsolya TAMÁSSY-LÉNÁRT

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