AAL - Projekthintergrund: IKT-Lösungen, die das Leben von Älteren vereinfachen
In Europa vollzieht sich ein demografischer Wandel. Bedingt durch die niedrigen Geburtenraten der jüngsten Vergangenheit sowie wegen des Anstiegs der allgemeinen Lebenserwartung der EuropäerInnen (prognostiziert werden 89 Jahre für Frauen, 84 Jahre für Männer im Jahr 2060), ist eine drastische Abnahme der Bevölkerung im Erwerbsalter und dadurch ein dramatischer Rückgang des Arbeitskräftepotenzials zu erwarten. Im Jahr 2035 werden mehr als die Hälfte der Menschen über 50 Jahre und jeder Dritte bereits älter als 60 sein. Europas Bevölkerung wird allmählich ergrauen. Die meisten europäischen Staaten stehen demzufolge vor groβen Herausforderungen und viele versuchen sich auf diese Änderung mittels unterschiedlicher Maβnahmen vorzubereiten.
2008 startete das „Ambient Assisted Living Joint Programme” (AAL JP), ein transnationales europäisches Förderprogramm, in dessen Fokus die Entwicklung von innovativen Produkten, Dienstleistungen und Systemen auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) steht. Ziel ist es, durch die geförderten AAL-Lösungen die Lebensqualität älterer Menschen, ihre Autonomie und gesellschaftliche Teilhabe sowie ihre beruflichen Einsatzmöglichkeiten zu verbessern und zu steigern.
Die sechste Ausschreibung „ICT Solutions for Supporting Occupation in Life of Older Adults” von 2013 widmete sich der Entwicklung von IKT-basierten Lösungen, die es älteren Mitbürgern ermöglichen, im Beruf aktiv zu bleiben und ihr Know-how anzubieten, indem sie bezahlte oder unbezahlte Tätigkeiten ausüben. Das Erfahrungswissen älterer Menschen ist ein reicher Schatz, der nicht nur bewahrt, sondern auch für die ganze Gesellschaft nutzbar gemacht werden soll.
ExpAct: Projektpartner, Finanzierung, Projektziele
Aufbauend auf dieser Erkenntnis hat die AUB zusammen mit sieben Konsortialpartnern aus der Schweiz, Italien, Deutschland und Österreich einen gemeinsamen Projektvorschlag eingereicht. Nach der erfolgreichen Förderungsentscheidung startete 2014 das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Experience keep people active – ExpAct“. Koordiniert von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften nahmen an dem Projekt Universitäten wie die Andrássy Universität Budapest (AUB) bzw. Forschungseinrichtungen, IT-Unternehmen und End-User-Organisationen teil, die einen mehrsprachigen Software-Baukasten entwickelt haben, der die Zusammenführung von Erfahrungssuchenden und Erfahrungsanbietenden erleichtert.
Das internationale Projekt wurde finanziell durch die beteiligten AAL-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission unterstützt. In Ungarn engagiert sich der ungarische Nationalfond für Forschung, Entwicklung und Innovation federführend und kofinanzierte das Projekt, das über zwei Jahre lief zusammen mit der Europäischen Union mit insgesamt 156.209.585,- HUF.
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt ExpAct hat zwei vorrangige Zielsetzungen. Ein Ziel ist es, die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen von Senioren an die jüngeren Generationen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Berufserfahrung der kurz vor oder nach der Pensionierung stehenden Senioren soll damit weiter produktiv genutzt werden. Denn das Wissen von Senioren, das sie über viele Jahre hinweg erworben haben, stellt eine wirtschaftlich und gesellschaftlich wertvolle Ressource dar. ExpAct erleichtert das Angebot von Wissen, Erfahrungen und Weisheit durch Seniorinnen und Senioren.
Das zweite Ziel besteht darin, auch den potenziellen Nachfragern die Bedeutung der Kompetenzen der Generation 55+ bewusst zu machen. ExpAct soll also auch die Nachfrage stimulieren und schlussendlich ein für alle Seiten vorteilhaftes Matching ermöglichen.
Testrunden und Workshops: Treibende Kraft der ungarischsprachigen Internetplattform
Während des Projekts wurden mehrere Workshops und persönliche Einzelgespräche mit potenziellen EndanwenderInnen organisiert sowie Testrunden mit dem Ziel, eine ungarischsprachige Internetplattform zu erstellen und zu testen. In der ersten Projektphase stand vor allem der Meinungsaustausch mit älteren Personen zu Themen wie die Bedeutung des Erfahrungswissens und des Wissenserhalts und -transfers im Fokus der Workshops. Das Forschungsteam der AUB hat von Beginn an groβen Wert darauf gelegt, die Bedürfnisse der einheimischen potenziellen Nutzer bei der Ausgestaltung der Plattform zu berücksichtigen.
Um das enorme Fachwissen und die langjährige berufliche Erfahrung der älteren Generation zu erfassen, wurde ein innovativer Fragebogen erarbeitet, dessen Inhalt in mehreren Testrunden mit den potenziellen Nutzern diskutiert worden ist.
Im Februar und März 2016 wurden Nutzerbefragungen zum ExpAct-Prototypen mit zwei zukünftigen Hauptnutzergruppen der ExpAct-Plattform durchgeführt: einerseits mit Personen über 55 Jahren, die aufgrund ihrer früheren Tätigkeiten und umfangreichen Berufs- und Lebenserfahrung ihr Wissen weitergeben und sinnvolle Aufgaben übernehmen wollen, und andererseits mit Organisationen und Unternehmen, aber auch mit Privatpersonen, die Interesse an der Nutzung des Wissens der erfahrenen Fachkräfte haben und davon profitieren wollen.
Zwischen Juli und September 2016 fanden weitere Testrunden statt, um die erste funktionsfähige Version der Software zu testen. Die Plattform wurde durch Vertreter der Generation 55+ im Rahmen von zwei Workshop-Runden getestet und bewertet, wobei konstruktive Vorschläge und Ideen der potenziellen Nachfrager bezüglich der Plattform durch persönliche Einzelinterviews gewonnen wurden.
Abschlusskonferenz: Treffen der ExpAct-Engagierten
Am 24. Oktober 2016 wurde die Abschlusskonferenz des Forschungsprojekts an der AUB veranstaltet, der eine Pressekonferenz voranging. Die Konferenz wurde von den beiden Projektleitern, Prof. Dr. Martina Eckardt und Prof. Dr. Stefan Okruch eröffnet. Nach ihrer Begrüβung der Teilnehmenden stellten sie die wichtigsten Meilensteine des ExpAct Projekts vor. Nachfolgend legten die am Projekt mitwirkenden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der AUB – Petra Bölöni und Éva Gazda – die Hauptmerkmale des Projekts, die Funktionsweise der Online-Plattform, die Forschungsergebnisse und die Zukunftsaussichten am Beispiel der ungarischen Pilotanwendung dar. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, den ungarischsprachigen Animationsfilm zu sehen, der die Essenz des ExpAct-Entwicklungsergebnisses erfasst. Einblicke und Erfahrungen aus erster Hand boten die weiteren hochrangigen Rednerinnen und Redner: Vertreter der beiden zukünftigen Hauptnutzergruppen der Internetplattform; auβerdem die während der Projektlaufzeit von ExpAct engagierten ungarischen Kooperationspartner; Dr. Péter Hanák von der Technischen Universität Budapest, der bereits an mehreren früheren AAL-Projekten beteiligt war, sowie Pia Bender von der Universität Innsbruck als Vertreterin des österreichischen Projektpartners.
Am Ende der Konferenz warf das Publikum viele Fragen auf, gleichzeitig wurden Meinungen und Stellungnahmen innerhalb einer spannenden Diskussionsrunde ausgetauscht. Die Anwesenden stimmten darin überein, dass das Betreiben der ExpAct-Plattform und die Erhöhung ihres Bekanntheitsgrades ein großes Potenzial sowohl für die Seniorinnen und Senioren als auch für die Arbeitgeberseite bedeuten.
Ausblick: Zukunft der ExpAct-Online-Matchingplattform
Während des Projekts haben die Forschungsarbeiten vor allem zwei ungarische Kooperationspartner, das Erasmus Institut (EI) und der Verein für Soziale Innovation (SZIA) unterstützt. Das neue CedarNet-Programm des EI fokussiert auf den Wissenstransfer der SeniorInnen. Diese Initiative ist komplementär mit den wichtigsten Zielen des ExpAct-Projekts verknüpft. Es bietet eine sehr gute Möglichkeit, für die auf dem Arbeitsmarkt eine aktive Teilhabe anstrebenden SeniorInnen und zugleich für die Arbeitgeberseite die ExpAct-Plattform kennenzulernen und erfolgreich zu nutzen.
Durch die Zusammenarbeit mit SZIA wird es weiterhin möglich sein, die ExpAct-Plattform auch weiteren Zielgruppen als potenziellen End-AnwenderInnen näher zu bringen.
Die Nutzung der ExpAct-Online-Plattform durch die beiden Partnerorganisationen zunächst für ein Jahr ist der erste Schritt dazu, das ExpAct-Entwicklungsergebnis einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Das AUB-Forschungsteam des ExpAct-Projekts setzt groβe Hoffnungen in die ungarischsprachige Internetplattform. Es sieht in ihr eine innovative Lösung für ein aktives und – sowohl psychisch als auch physisch – gesundes Altern am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft.
Text: Éva Gazda
Zur AUB-Projektseite von „Experience keep people active – ExpAct“.