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Europa und der Balkan nach 1989: Krisenmanagement zu wenig, zu spät?

Zentrales Thema des Vortrags von Dr. Erhard Busek am 01. Oktober 2015 im Spiegelsaal der Andrássy Universität Budapest (AUB) war die konfliktträchtige und nicht immer einfache Entwicklung des heutigen Balkans und die Rolle der EU. Durch seine Funktionen als österreichischer Vizekanzler (1991-1995), Koordinator der Southeast European Cooperative Initiative (1996-2002) und Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa (2002-2008) gilt Dr. Busek als ausgezeichneter Kenner der politischen Verhältnisse auf dem Balkan. Seine Präsentation an der AUB war Teil der Bertha-von-Suttner-Vortragsreihe, einer vom Österreichischen Kulturforum Budapest (ÖKF) initiierten Vortragsreihe zur Politikwissenschaft, welche in Kooperation mit der Fakultät für Internationale Beziehungen an der AUB regelmäßig durchgeführt wird. Ziel dieser Vortragsreihe ist es, einen kritischen Blick auf Fragen der Demokratie, Menschenrechte und Good Governance sowie Friedensforschung zu werfen.

Nach der Eröffnung des Abends durch AUB-Prorektor Prof. Dr. Hendrik Hansen und die Leiterin des ÖKF Dr. Susanne Bachfischer, leitete Dr. Ulrich Schlie, Professur für Diplomatie II an der Fakultät IB, den Vortrag von Dr. Busek ein und hob dessen Vielzahl an politischen Ämtern und die dadurch gesammelten Erfahrungen hervor. Dr. Busek seinerseits begann seinen Vortrag mit der Feststellung, wie ihn das Thema Balkan – nicht zuletzt aufgrund Österreichs geographischer Lage – im Laufe seines Lebens begleitet habe und dass er den Balkan stets als ein durch unterschiedlichste Kulturkreise geprägtes Gebiet mit permanenten Auseinandersetzungen über wie auch immer geartete Grenzverläufe erlebt habe. Thematisch folgte ein geschichtlicher Abriss der Zeit vor 1989 auf dem Gebiet des Balkans. Die große Rolle der Minderheitenfrage sei auch Folge der römischen und osmanischen Besatzungszeiten, welche prägend für den weiteren Verlauf der Geschichte gewesen seien, so Dr. Busek. Als ebenso bedeutend beschrieb er den 1. Weltkrieg, welcher die Gründung des Königreiches Jugoslawien zur Folge hatte und der 2. Weltkrieg mit der Auflösung Jugoslawiens – laut Dr. Busek der Moment, in dem der Balkan wieder verstärkt in den Fokus Europas rückte.

Ausgehend von diesem historischen Hintergrund widmete sich Dr. Busek im Anschluss dem umstrittenen Begriff des „Balkans“. Trotz seiner so unscheinbar wirkenden Etymologie, wonach „Balkan“ das türkische Wort für Berg sei, werde der Begriff vor allem in den Ländern Südosteuropas kritisch gesehen und bisweilen sogar abgelehnt, wie es am Beispiel Kroatiens zu sehen sei. Die Probleme des Balkans gehe jedoch weit darüber hinaus, wie Dr. Busek ausführte: Vor allem die zwischenstaatliche Kooperation über die Grenzen hinweg sei immer noch eine der größten Herausforderungen. Eine Bereitschaft zur Kooperation bestehe lediglich im Hinblick auf die EU, jedoch nicht zwischen den einzelnen Ländern. Dies machte er anhand von Beispielen im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten als Koordinator bei der Southeast European Cooperative Initiative und als Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa deutlich. Zudem verwies er auf die höchst unterschiedlichen Entwicklungen dieser Staaten in den letzten Jahren, was eine Kooperation nicht unbedingt erleichtere.

Um die Frage des mangelnden Krisenmanagements zu beantworten, konzentrierte sich Dr. Busek gegen Ende seines Vortrages auf die größten Fehler der EU im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen: Für ihn seien dies vor allem die mangelnden Investitionen und der nicht vorhandene systematische Aufbau von Bildung und Erziehung, was sich heute in der immer noch vielerorts vorherrschenden Korruption bemerkbar mache. Ein funktionierendes Krisenmanagement könne nur vor Ort und in Kooperation mit der EU stattfinden.

In seinem abschließenden Fazit hob Dr. Busek nochmals die große Bedeutung des Balkans als Bindeglied zum Nahen Osten und der Türkei hervor. Für ihn sei der Balkan „eine Baustelle, die sich verbessert hat“. Die Politik Angela Merkels und ihre Bestrebungen, die Aufmerksamkeit auf den Balkan zu richten, seien für dabei der richtige Weg. Mit den Worten, dass der Balkan ein Teil Europas sei und damit auch eine Verantwortung Europas, beendete Dr. Busek seinen Vortrag.

Text: Tobias Haußmann

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