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DoktorandInnen-Exkursion und Workshop in Cluj-Napoca

Im Rahmen der trinationalen Kooperation der Babeș-Bolyai-Universität Cluj-Napoca, der Universität Passau und der Andrássy Universität Budapest fand von 21.-22. März 2014 eine DoktorandInnenenexkursion nach Klausenburg statt, in deren Rahmen ein Workshop zum
Thema Demokratisierungsprozesse in Süd-Osteuropa abgehalten wurde. Exkursion und Workshop waren eine gemeinsame Initiative der Babeș-Bolyai-DoktorandInnen Antonella Gyöngy, Roxana Stoenescu und Raul Rognean, des dortigen Zentrums für Europawissenschaften und Internationale Beziehungen (ZEWI) sowie der DoktorandInnenvertretung der AUB (Katharina Haberkorn und Tim Kraski).

Am ersten Tag in Cluj-Napoca wurde im Rahmen des Workshops inhaltlich gearbeitet: Prof. Walter Rothholz (Babeș-Bolyai-Universität Cluj-Napoca) eröffnete den Workshop mit einem Vortrag zum Thema „Die politische/zivile Rolle der Religion: Welche Narration braucht die EU?“. In der daran anschließenden Gesprächs- und Diskussionsrunde wurden Dissertationsprojekte und aktuelle Forschungen der Promovenden im Zusammenhang zu den Themen „Zivilgesellschaft“ und „politische Bildung“ vorgestellt und diskutiert. Abgerundet wurde der Workshop durch den Abendvortrag von Dr. Marc Stegherr (Babeș-
Bolyai-Universität Cluj-Napoca) der „Das Problem Transkarpatien: Politische und kulturelle Ambitionen der karpato-russinischen Minderheit in der Westukraine“ vorstellte. Am zweiten Exkursionstag wurde das Programm durch einen kulturwissenschaftlich unterfütterten Spaziergang auf dem Klausenburger Friedhof und eine kulturhistorische Stadtführung komplettiert.

Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Walter Rothholz

Die politische/zivile Rolle der Religion: Welche Narration braucht die EU?

Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Walter Rothholz (Babeș-Bolyai-Universität Cluj-Napoca), der schwerpunktmäßig u.a. zum Zusammenhang von Politik und Religion arbeitet, setzte sich in seinem den Workshop eröffnenden Vortrag mit der Frage auseinander, ob das liberal geprägte System der EU einer Korrektur durch religiöse Elemente bedarf. Seinen Ausführungen legte Prof. Rothholz dabei einen Religionsbegriff zugrunde, der Religion als Transzendenzbezug, als Frage nach dem Sinn definierte, welche nicht notwendigerweise an eine bestimmte Konfession gebunden sei. Zu Beginn seines Vortrags ging Prof. Dr. Rothholz am Beispiel des liberalen Denkens auf die grundsätzliche politische und zivilgesellschaftliche Rolle der Religion ein. Dazu unterschied er drei Traditionen der westlichen politischen Philosophie: die griechische Tradition, die auf eine vernünftige Ordnung abstelle, die christliche Tradition, die auf göttliche Gnade und den Willen Gottes abstelle sowie die liberale Tradition der Aufklärung, die die Kategorie des Interesses in den Vordergrund stelle. Bezogen auf die Europäische Union identifizierte Prof. Dr. Rothholz
dahingehend ein Problem, dass die EU als Projekt der liberalen Aufklärung zu stark auf die Kategorien der Vernunft und des Interesses fokussiere und darüber die Kategorie des göttlichen Willens, verstanden als Potenzial, der von außen kommenden und unbeeinflussbaren Gnade Gottes gewärtig zu werden, vernachlässigt werde. Die Idee der Glaubens- bzw. Willensgemeinschaft könne laut Prof. Rothholz dazu beitragen, die menschliche Vernunft zu läutern. Antworten auf die unausweichlichen Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Vorstellungen über Gerechtigkeit und Gut und Böse, lassen sich nach Prof. Dr. Rothholz nur aus einem transzendenten Bezugssystem heraus beantworten. Prof. Dr.  Rothholz betonte zum Abschluss seines Vortrags, dass zwischen Politik und Religion letztlich sogar eine Konvergenz bestünde – nämlich darin, dass sowohl in der Religion als auch der Politik Vorstellungen der „Ordnung“ und der „Gerechtigkeit“ eine zentrale Rolle spielten.

Offene Präsentations- und Diskussionsrunde der DoktorandInnen:

Im zweiten Teil des Workshops stand der Austausch der DoktorandInnen untereinander im Vordergrund. Thematisiert und diskutiert wurde u.a. die Frage nach der Notwendigkeit politischer Bildung in Rumänien (Impulsreferat von Raul Rognean), die aktuelle Situation in Roșia Montană und die Frage des zivilgesellschaftlichen Engagements in postsozialistischen Transformationsländern (Impulsreferat von Roxana Stoenescu), der Zusammenhang zwischen marxistischem Arbeitsverständnis und (politischer) Bildung in der ehemaligen DDR (Impulsreferat von Tim Kraski) sowie die Auswirkungen des heutigen Arbeitssystems auf die politische Bildung in Rumänien (Impulsreferat von Roxana Stoenescu). Dabei wurde u.a. diskutiert, wie politische Bildung in einer durch einen negativ konnotierten Politikbegriff
charakterisierten Kultur ermöglicht und wie die Zivilgesellschaft gestärkt werden kann.

Abendvortrag von Dr. phil. Marc Stegherr:

Das Problem Transkarpatien: Politische und kulturelle Ambitionen der karpatorussinischen Minderheit in der Westukraine.

Der Slawist und Politikwissenschaftler wurde 2001 an der LMU München in slawischer Philologie promoviert mit seiner Arbeit zur karpato-russinischen Minderheit in Mittel-/ Osteuropa, welche auch Gegenstand dieses Vortrags war. Diese Minderheit ist weitgehend unbekannt, obwohl sie über viele Landesgrenzen hinweg als Minderheit bestehen konnte und rechtlich anerkannt ist. Ihre Ursprünge liegen in der Kiewer Rus, einem multiethnischen Königreich des 9. Jahrhunderts im Osten Europas. Mit den heutigen Siedlungsschwerpunkten in der serbischen Wojwodina, im Osten Ungarns, der Slowakei und
Polens, sowie im westukrainischen Transkarpatien besteht sie weiterhin und findet sich in unterschiedlichen Rechtsräumen und Minderheiten-Situationen wieder. Essentielles Anliegen der VertreterInnen dieser Volksgruppe ist die Kodifizierung und Anerkennung ihrer Sprache, welche meist als Dialekt, wenn überhaupt, anerkannt wird. In Serbien und Polen wurden diesbezüglich bereits Fortschritte gemacht, so dass zum Teil bereits Ortsschilder in der Sprache der Russinen erstellt wurden. In der Westukraine ist die Situation prekär und eine offizielle Anerkennung oder gar Autonomierechte stehen nicht zur Debatte. Dr. Stegherr wies auch auf die derzeitige Situation in der Ukraine hin, den Krim-Konflikt, in dem sich der Sprecher der transkarpatischen Minderheit in einem offenen Brief an den russischen Präsidenten Putin wandte, um Unterstützung bei den Autonomieforderungen gegenüber der Kiewer Regierung zu erlangen. Dies blieb (vorerst) unbeantwortet und sorgte für Unstimmigkeiten auch innerhalb der Minderheit. Ein anderes Anliegen ist die Anbindung an die EU und damit die Einbindung in das Projekt „Europa der Regionen“, wobei die VertreterInnen der Minderheit der verschiedenen Länder innerhalb Europas dann als eine Gruppe auftreten könnten.

Der Bekannteste Vertreter der russinischen Minderheit war der nach Amerika emigrierte Pop-Art-Künstler Andy Warhol (geboren Andrew Warhola), welcher häufig mit den Worten „I am from nowhere“ zitiert wird.

Stadtrundgang: Von Matthias Corvinius, Avram Iancu zum Heldenfriedhof der Roten
Armee

Der Samstag begann mit einer Stadtführung, die exemplarisch Mitteleuropäische Geschichte durch Mehrsprachigkeit, Multi-Konfessionalität und Gestaltung des öffentlichen Raumes deutlich machte. Die Stadt ist geprägt von der habsburgischen Vergangenheit, welche durch die Gebäude in der Innenstadt sichtbar ist. Im weiteren Verlauf konnte ein vielfältiges, europäisches Ensemble entstehen, welches auch die Umbrüche des 19./20. Jahrhunderts im öffentlichen Raum sichtbar werden lässt. Der heutige vollständige Name der Stadt „ClujNapoca“ wurde vom kommunistischen Regime im Jahr 1974 eingeführt.

Der Zusatz „Napoca“ verweist auf die dako-rumänische Kontinuitätstheorie und das scheinbare Fundament, auf welchem die Stadt erbaut wurde. Die Stadt Klausenburg wurde im 13. Jahrhundert von deutschen Siedlern am Ufer des Someş als „Castrum Clus“ gegründet und wurde bald zur zweitgrößten Stadt des Königreichs Ungarn. Das historische Stadtzentrum entwickelte sich um die Sankt-Michaels-Kirche herum, welche im 14. Jahrhundert als gotische Hallenkirche erbaut wurde. Auf dem Vorplatz steht ein Reitermonument des ungarischen Königs Matthias Corvinius (rum. Matei Corvin), welcher 1443 in der Stadt geboren wurde. Ebenso wurden auf dem Kirchenvorplatz Ausgrabungen unternommen, welche die dako-rumänischen Fundamente sichtbar machen sollen. Ein Glasdach lässt auf die circa zwei Meter unter der Oberfläche „gefundene“ römische Straße blicken und soll somit die Kontinuitätstheorie bestätigen.

Die heutige Babeş-Bolyai Universität wurde im Jahr 1776 von Maria-Theresia als deutschsprachige Universität gegründet. Im Jahr 1872 wurde sie ungarischsprachig und funktioniert heute zweisprachig (Rumänisch und Ungarisch) mit einzelnen deutschsprachigen Fakultäten.

Nach dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurde Klausenburg/Kolozsvar im Jahr 1918 Teil Rumäniens. Die folgende Rumänisierung der Region beinhaltete auch die Verbreitung des orthodoxen Glaubens, welcher bis dahin nur von einer Minderheit in der Stadt ausgeübt wurde. Es wurde in der Zwischenkriegszeit die orthodoxe Kathedrale auf dem neuangelegten Avram Iancu-Platz angelegt. Das Denkmal des Freiheitskämpfers der 1848er-Revolution wurde später vor der Kathedrale platziert. Die 1933 eingeweihte Kathedrale entspricht der orthodoxen, byzantinischen Formensprache, ist aber zugleich ein Ausdruck moderner Architektur, da Elemente des Kubismus einflossen. Die Architekten waren George Cristinel und Constantin Pomponiu und zeichneten sich auch für den Bau des Fakultätsgebäudes der Europawissenschaften verantwortlich.

Der Zentralfriedhof „Hajongard“ wurde im Jahr 1585 außerhalb der Stadtmauer gegründet und umfasst heute eine Fläche von ca. 14 Hektar, welche in verschiedene Sektionen aufgeteilt sind. Es befindet sich ein jüdischer Teil dort, ebenso wie ein „Heldenfriedhof“ für die Gefallenen der Roten Armee und zahlreiche imposante Familiengruften der vergangenen Jahrhunderte. Der älteste erhaltene Grabstein ist aus dem Jahr 1599 und im lutherischen Teil des Friedhofs zu finden. In Sprache und Gestaltung ist dieser Ort sehr vielfältig.

Die zwei Exkursions- und Workshoptage boten ein vielfältiges Programm und Gelegenheit zu regem Austausch, der hoffentlich auch in Zukunft fortgesetzt werden wird. Den Organisatoren und Referenten der Babeș-Bolyai-Universität sei an dieser Stelle recht herzlich gedankt!

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