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Das Zentrum für Demokratieforschung (ZeDEM) der AUB bei der Dreiländerkonferenz in Linz
Zentrum für Demokratieforschung
Mitarbeiter*innen des Zentrums für Demokratieforschung der AUB (ZeDEM) nahmen vom 11.-12. September 2023 mit einem gemeinsamen Panel an der Dreiländerkonferenz der Gesellschaften der Politikwissenschaft der deutschsprachigen Länder teil.

Im Rahmen des Panels wurden die ungarische Innen-, Außen- und Regionalpolitik analysiert. Die Konferenz fand an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) statt.

Die Mitarbeiter*innen des Zentrums für Demokratieforschung (ZeDEM) arbeiteten gemeinsam ein Panel zum Thema „Strategien des Demokratieabbaus in Zentral- und Südosteuropa“ aus und reichten dieses für die DACH-Dreiländerkonferenz, organisiert von den Gesellschaften der Politikwissenschaft von Deutschland, Österreich und der Schweiz in Linz ein. Die Konferenz, die sich mit der Frage der „Zeitenwende: Politikwissenschaft in unsicheren Zeiten“ befasste, fand zwischen 11. und 13. September 2023 an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU), Österreich statt. Durch die Teilnahme an der Konferenz erhofften sich die ZeDEM-Kollegen*innen die Aufmerksamkeit der deutschsprachigen Politikwissenschaft auf die Forschungsaktivitäten der Andrássy Universität zu lenken sowie den Bekanntheitsgrad der Uni zu erhöhen.

Eröffnet wurde die Konferenz am 11. September 2023 um 18:30 mit einer Abendveranstaltung und Diskussionsrunde im Festsaal des Uni-Centers. Der Abend begann mit einer Reihe von Danksagungen für die Förderer und Organisator*innen der Konferenz, danach folgte die Podiumsdiskussion zum Themenbereich der „Zeitenwende“ mit Reinhard Heinisch (Universität Salzburg) und Sonja Blum (Universität Bielefeld). Moderiert wurde die Auftaktveranstaltung von Margitta Mätzke (JUK), die durch den gesamten Abend führte. Thema der Podiumsdiskussion war die Frage was genau unter der „Zeitenwende“ zu verstehen sei. Diskutiert wurden die unterschiedlichen Interpretationen der „Zeitwende“: Während aus deutscher Perspektive darunter die Änderung der deutschen Außenpolitik und die Stärkung der militärischen Kooperation verstanden wird, stellt aus politikwissenschaftlicher Sicht der Anstieg autoritärer Tendenzen in politischen Systemen die zentrale Frage der Zeitenwende dar. Das Podium diskutierte außerdem die Krise der Demokratie, den Aufstieg autoritärer Systeme, die Bedeutung von Populismus in Demokratien, die veränderten Erwartungshaltungen an die Demokratien und die Frage, wie die derzeitigen Systeme auf diese Vielzahl an Krisen reagieren können.

Am zweiten Konferenztag, 12. September 2023, fanden die Vorträge der Konferenzteilnehmer*innen statt. Das Spektrum an angebotenen Themen war breit gestreut und viele hauptsächlich junge Wissenschaftlicher*innen hatten die Möglichkeit ihre Forschungsprojekte vorzustellen und mit den anwesenden Kollegen*innen zu diskutieren.

Das vom ZeDEM organisierte Panel „Strategien des Demokratieabbaus in Zentral- und Südosteuropa“ fand am zweiten Tag um 17:00- 18:30 statt. Daniel Göler von der Universität Passau übernahm die Moderation.

Der erste Vortragende war Christopher Walsch (Corvinus Universität, ehemaliger Research Fellow an der AUB), der seinen Vortrag zum Thema „The Visegrad Group Past and Present. Is 2022 a Turning Point for the Central European Cooperation Scheme”? präsentierte. Die Forschungsfrage des Vortrags lautete, ob die vier zentraleuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn weiterhin im Regionalverbund Visegrádgruppe kooperieren, da die individuellen Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg unterschiedlich ausfielen. Walschs Antwort lautet "nein", was politisierte Politikbereiche betrifft (etwa zu Russlands Krieg gegen Ukraine, zu Asyl und Migration, zum EU-Rechtsstaatsverfahren in Ungarn und in Polen, zu ukrainischen Agrarprodukten im Binnenmarkt). Andererseits sieht Walsch eine fortdauernde Zusammenarbeit der vier Staaten in weniger politisierten transnationalen Agenden (Umwelt- und Technologieagenden; Bildung und Projektarbeit). Sein Rückschluss lautet, dass das Format derzeit eingefroren ("frozen") ist, aber weiter besteht ("not dismissed").

Anschließend präsentierten Ellen Bos (ZeDEM/AUB) und Kristina Kurze (ZeDEM/AUB und Universität Göttingen) ihre Forschungsergebnisse zur „Analyse der expansiven Logik von Orbáns illiberalem Regime“ Ausgehend von der Tatsache, dass das ungarische System eine tiefgehende Transformation seit 2010 erlebt hat, die nachweislich zu Rückschritten bei der Demokratiequalität und der Rechtsstaatlichkeit geführt hat, stellten die beiden Vortragenden die Frage, wie die Fidesz-KDNP-Regierung das etablierte hybride Regime weiterhin erfolgreich ausdehnen, stabilisieren und legitimieren konnte. Ungarn wurde 2022 vom Nations in Transit-Bericht als einziger EU-Mitgliedsstaat als hybrides Regime eingestuft. Während der Großteil der democratic backsliding-Forschung sich mit dem Transformationsprozess beschäftigt, ist es für das Verständnis der Stabilität des Regimes von grundlegender Bedeutung, die Aufmerksamkeit nicht nur auf die von der Regierung kontrollierten Schlüsselbereiche des politischen Systems wie Justiz und Mediensystem, sondern auch auf weitere wichtige Bereiche zu lenken. Neben den Schlüsselbereichen sind zusätzlich die von der Regierung angewandten Methoden zu untersuchen, die Regierungspolitik legitimieren. Der Vortrag diskutierte in diesem Zusammenhang das Konzept der expansiven Logik. Herausgearbeitet wurde, wie die Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit zur Ausweitung der Regierungskontrolle sowie der Anpassung bestimmter Sektoren an die Normen und Interessen der Regierung beitragen. Dabei wurden als empirische Fälle zwei Politikfelder herangezogen: Bildung (insbesondere Hochschulbildung) und Energiesicherung, wobei die Regierung die Beziehungen zu autokratischen Regime gegenüber demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen durchsetzt. Ziel der geplanten qualitativen Studie ist es, zu einem besseren Verständnis der Beziehungen zwischen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Staatlichkeit beizutragen.

Danach sprach Zoltán Tibor Pállinger (ZeDEM/AUB) über „Das Janusgesicht Demokratischer Innovation in Ungarn“. Die seit 2010 mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit ausgestattete Fidesz-KDNP Regierung verabschiedete eine neue Verfassung und änderte das Wahlsystem. Mit der Umgestaltung des politischen Systems wurden die politischen Mehrheitsrechte gestärkt und der Handlungsspielraum der Opposition, u.a. die Minderheitenrechte, eingeschränkt. Die Umgestaltung des politischen Systems spiegelt sich in den negativen Indizes zur Demokratiequalität wider. Der Vortrag befasste sich mit der Anwendung demokratischer Innovationen durch die politischen Akteure: Auf der einen Seite setzt die Regierung verstärkt das Element der direkten Demokratie (Volksabstimmungen) ein und schuf außerdem das System der Nationalen Konsultationen. Durch diese Instrumente werden die Anhänger*innen in verschiedenen Themenbereichen mobilisiert, um einerseits die eigene Position gegenüber der EU zu stärken und andererseits innenpolitisch die Diskurshoheit zu erlangen. Auf der anderen Seite ist auch die Opposition – insbesondere auf lokaler Ebene – bemüht, demokratische Innovationen einzusetzen. Alles in allem gelingt es jedoch der Regierungsseite, nicht zuletzt aufgrund ihrer überlegenen Ressourcen, den Diskurs zu dominieren, während sich die Opposition mit ihren Anliegen nicht durchsetzen kann. Damit gelingt es ihr auch nicht, sich als ernsthafte Alternative zur Regierung zu präsentieren.

Der letzte Vortrag von Christina Griessler (ZeDEM/AUB und netPOL) befasste sich mit der Regionalen Diffusion illiberaler Politik: Orbáns Einflussnahme im Westbalkan“. Der Fokus richtet sich auf die ungarische Außenpolitik in Bezug auf den EU-Erweiterungsprozess des Westbalkans. Obwohl die EU-Erweiterungspolitik in den letzten Jahren zum Stillstand kam, setzt sich der ungarische Premierminister Orbán für die EU-Mitgliedschaft der sechs Westbalkanstaaten ein. Orbán ist bemüht, den Prozess der EU-Erweiterung von dem notwendigen politischen Reformprozess, der die Umsetzung der EU-Konditionen gewährleisten sollte, zu entkoppeln. Laut Orbán soll der EU-Erweiterungsprozess politischer werden und nicht auf die Umsetzung der Vorgaben fokussieren. Grundsätzlich pflegt Orbán zu autoritären Führungspersönlichkeiten in der Region gute persönliche Beziehungen, die durch die Unterzeichnung von strategischen bilateralen Kooperationsabkommen und zum Teil durch die Gewährung günstiger finanzieller Kredite unterstützt werden. Orbáns Politik schafft somit ein „Alternativmodell” gegenüber der EU, dass von den Freunden Orbáns auf dem Westbalkan bevorzugt wird, jedoch konsequenterweise zu einer weiteren Behinderung des EU-Erweiterungsprozesses führen muss, da ein Teil der EU-Mitgliedsstaaten keine weiteren illiberalen bzw. autoritären Regime in die EU aufnehmen möchte. Der Vortrag gab einen Überblick über die Position Ungarns in Bezug auf die EU-Erweiterungspolitik, erläuterte die bestehenden bilateralen Beziehungen Ungarns zu den Staaten des Westbalkans und ging zum Schluss auf die Einschätzung der ungarischen Westbalkanpolitik durch Experten*innen aus dem Westbalkan ein.

Die Teilnahme an der Konferenz mit einem ZeDEM-Panel war eine exzellente Gelegenheit die AUB und ZeDEM der deutschsprachigen Politikwissenschaft vorzustellen. Grundsätzlich wurde die Idee einer gemeinsamen Konferenzbewerbung mit einem Panel von den ZeDEM-Kollegen*innen positiv aufgenommen. Vor diesem Hintergrund gibt es bereits Pläne für weitere gemeinsame Konferenzteilnahmen, um das Forschungszentrum noch sichtbarer zu machen.

Christina GRIESSLER

Foto Copyright: by FLAP Photography

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