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Conceptions of the State: Between Tradition and Future 29.11.24 - Veranstaltungsbericht
Am 29. November 2024 fand die Konferenz «Conceptions of the State: Between Tradition and Future» an der Pázmány Péter Katholischen Universität und an der Andrássy Universität statt.

Die gemeinsame Forschungsgruppe «Partizipative Demokratie» der Pázmány Péter Katholischen Universität und der Andrássy Universität organisierte eine ganztägige Konferenz, in welcher der Rolle der Bürgerinnen und Bürger und der Partizipation in unterschiedlichen Staatskonzepten nachgegangen wurde. Diese Konferenz bildet die Auftaktveranstaltung zu einer Reihe von Konferenzen in der «Focus Area 2: Democratic Innovations» im Rahmen «Changing Orders Research Programme», welches vom Swiss-Hungarian Cooperation Programme unterstützt und finanziert wird.

Die Krise der (repräsentativen) Demokratie wird seit Jahrzehnten insbesondere in den Rechts- und Sozialwissenschaften diskutiert. Das demokratische Institutionensystem, das sich vor allem im 19. Jahrhundert entwickelt hatte, steht heute vor einer Reihe von Herausforderungen. Das abnehmende Interesse der Wählerinnen und Wähler am politischen Geschehen, das sinkende gesellschaftliche Vertrauen in Politikerinnen und Politiker sowie politische Parteien, die parallel dazu sinkende Wahlbeteiligung, die Entstehung von Meinungsblasen, die auch in stabilen Demokratien auftreten, und die zunehmende politische Polarisierung - sind die bekanntesten Symptome dieser Krise. Auch neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz üben einen enormen Druck auf die traditionellen Formen der demokratischen Entscheidungsfindung aus und untergraben das Vertrauen in die demokratischen Verfahren. All diese Faktoren können als Krisenphänomene interpretiert werden. Sie können aber auch als Hinweise auf die Notwendigkeit gesehen werden, die (repräsentative) Demokratie anzupassen und weiterzuentwickeln und darüber nachzudenken, wie das traditionelle demokratische System verbessert werden kann.

Sowohl unser Verständnis des Problems als auch unsere Versuche, mögliche Lösungen und Weiterentwicklungen zu finden, hängen von unserem grundlegenden Verständnis von Staat und Demokratie ab. Um die richtigen Wege zu finden, müssen wir zunächst die begriffliche Basis klären, aus der wir unser Verständnis für die Problemlage entwickeln und die Suche nach allfälligen Lösungen ableiten. Davon ausgehend standen im ersten Panel, das an der Pázmány Péter Katholischen Universität durchgeführt wurde, die konzeptionellen Grundlagen im Vordergrund. László Komáromi (Pázmány Péter Katholische Universität) ging in seinem einleitenden Vortrag der Frage nach, über welche Tugenden die Politikerinnen und Politiker sowie die «gewöhnlichen» Menschen verfügen müssen, damit eine Demokratie funktionieren kann.
Balázs Schanda (Ungarisches Verfassungsgericht und Pázmány Péter Katholische Universität) vertiefte anhand des «Böckenförde-Diktums» die Frage, welcher grundlegender Werte ein demokratischer Staat bedarf, um seine langfristige Existenz sichern zu können und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch moderne säkulare Staaten auf traditionelle, religiöse Werte zurückgreifen müssen, um einen stabilen Grundkonsens herstellen zu können.
Dragan Prole (Universität Novisad) stellte die Überlegungen von Immanuel Kant in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und fragte, welche Massnahmen der Königsberger Philosoph vorschlagen würde, um die Bürgerpartizipation unter den Bedingungen einer digitalen Öffentlichkeit zu stärken. Prole argumentierte, dass Kant es als Bürgerpflicht sehen würde, an der gemeinsamen Sache mitzuwirken und deshalb eine Stimmpflicht fordern würde.
Während Lilla Berkes (Pázmány Péter Katholische Universität) ausgehend von den Funktionen des heutigen Staates den Umfang sowie die Sinn- und Zweckmässigkeit unterschiedlicher Formen der Bürgerbeteiligung auslotete, zeigte Zoltán Tibor Pállinger (Andrássy Universität Budapest) die systematische Bedeutung der Partizipation für die Demokratie auf und arbeitete die Rolle die den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in unterschiedlichen modernen Demokratietheorien zugewiesen werden, heraus. Im letzten Vortrag des ersten Panels präsentierte Arne Pautsch (Hochschule Ludwigsburg) Ideen, wie die Konzepte der repräsentativen und direkten Demokratie um alleatorische Verfahren (beispielsweise durch die Schaffung von repräsentativen Bürgerräten) ergänzt werden können, um die Qualität demokratischer Entscheidungen sachlich besser und gleichzeitig legitimer machen zu können.

Im zweiten Panel, das an der Andrássy Universität stattfand, stand die Frage im Vordergrund,  wie Volkssouveränität konkret institutionell und verfahrenstechnisch, umgesetzt werden kann. Henriett Kovács (Andrássy Universität Budapest) zeigte am Beispiel der Erinnerungspolitik in Ungarn, wie staatliche Identität von politischen Eliten geformt werden kann und thematisierte gleichzeitig die Grenzen einer Identitätspolitik «von oben». Während Bruno Kaufmann (Swiss Democracy Foundation) weltweite Beispiele für politische Partizipation aus Sicht der Bürgergesellschaft präsentierte, zeigte Tamás Tárnok (Universität für den Nationalen Dienst) am Beispiel der Europäischen Bürgerinitiative, wie nationale ethnische Minderheiten supranationale Instrumente in den Dienst des Minderheitenschutzes stellen können. Allerdings kam er im Hinblick auf die Wirkung dieser Instrumente zu einer skeptischen Einschätzung.
Ellen Bos (Andrássy Universität Budapest) stellte in ihrem Vortrag die Entwicklung und Verbreitung des External Voting vor und arbeitete die theoretischen und praktischen Vor- und Nachteile, die mit diesem Konzept verbunden sind, heraus. Zum Abschluss befassten sich zwei Vorträge mit den Grenzen und Möglichkeiten digitaler Demokratie. Csaba Madarász wies auf die Tatsache hin, dass die technologischen Entwicklungen, die Verfahrensinnovationen in der Demokratie vorantreiben, teilweise wenig transparent und schlecht reguliert sind, was wiederum dazu beitragen kann, dass Vertrauen in die Demokratie zu erodieren. Uwe Serdült (Zentrum für Demokratie Aarau und Ritsumeikan University) wies auf die Janusgesichtigkeit des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Rahmen der digitalen Demokratie hin: einerseits lassen sich grosse Datenmengen wie sie beispielsweise im Rahmen von Konsultationen und Petitionen entstehen, nur noch sinnvoll mit Künstlicher Intelligenz bearbeiten, andererseits entzieht sich diese immer mehr der menschlichen Kontrolle und kann so zu einer Verschlechterung der Demokratiequalität führen. Beide Experten waren sich einig, dass die technologischen Entwicklungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können und sie substantielle Auswirkungen auf die Politik im Allgemeinen und die Demokratie im Speziellen haben werden. Deshalb plädierten sie für eine umsichtige rechtliche Regulierung dieses Bereichs.

Die Konferenz war geprägt durch einen regen Austausch und substantielle Diskussionen. Insgesamt gelang es, die gegenwärtigen demokratischen Entwicklungen und die bereits erwähnten Krisenphänomene im Hinblick auf ein grundlegendes Verständnis des Staates zu reflektieren. Mit dieser Veranstaltung wurden die konzeptionelle Grundlagen für die weiteren Konferenzen im Rahmen der «Focus Area 2: Democratic Innovations» des «Changing Orders Research Programme» gelegt, welche sich systematisch mit demokratischen Innovationen auf lokaler, nationaler und supranationaler Eben auseinandersetzen werden.

Diese Veranstaltung wurde im Rahmen des Projekts „Changing Orders Research Programme“ organisiert, einem umfassenden Projekt, das durch den Schweizer Beitrag mit der nationalen Kofinanzierung der ungarischen Regierung unterstützt wird.

 

Zoltán Tibor PÁLLINGER

 

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