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Ausländische Unternehmen in Ungarn – Bedingungen ihres Erfolgs
Dr. Arne Gobert, Vorstandsvorsitzender des deutschen Wirtschaftsclubs in Ungarn sprach am 10.12.2013 an der Andrássy Universität Budapest (AUB) über Hürden und Erfolgsfaktoren ausländischer Unternehmen in Ungarn

Der deutsche Wirtschaftsclub in Ungarn vertritt die Interessen seiner 165 Mitglieder, die in Ungarn tätige Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum repräsentieren. Die Institution hat derzeit Vertretungen in Györ und Budapest und ein weiterer Standort in Kecskemét ist in Planung.

Neben seiner Funktion innerhalb des deutschen Wirtschaftsclubs in Ungarn ist Dr. Gobert außerdem Repräsentant der Rechtsanwaltskanzlei BWSP Gobert & Partner. Dies ist eine multilingual aufgestellte Anwaltskanzlei, die juristische Dienstleistungen im Bereich der Steuerberatung und des Wirtschaftsrechts anbietet. Als Mitglied in internationalen Netzwerken ist die BWSP nicht nur in ungarisch-deutschen Belangen, sondern länderübergreifend aktiv. So ist sie Mitglied einer Partnerschaft von 6 zentraleuropäischen Ländern, die 14 Staaten mit Dienstleistungen bedient.

Im ersten Teil seines Vortrags skizzierte Dr. Gobert die Unternehmenslandschaft in Ungarn. Die 25 größten Unternehmen stellen hier vorrangig Betriebe aus dem Industrie- und Handelswesen dar, von denen insbesondere Industrieunternehmen mit deutschem Hintergrund einen großen Anteil repräsentieren, die ihre Produktion nach Ungarn verlagert haben. Direkt nach dem ungarischen Energiekonzern MOL auf Platz 1 folgt Audi Hungaria als Unternehmen mit ausländischer Beteiligung als zweitgrößtes Unternehmen innerhalb Ungarns. Unter den TOP 20 Unternehmen mit deutschem Hintergrund herrschen eindeutig Betriebe aus dem produzierenden Gewerbe vor, aber auch der Dienstleistungs- und Energiesektor ist in bedeutsamer Weise vertreten.

Anschließend setzte sich Dr. Gobert mit administrativen und rechtlichen Problemen auseinander, mit denen sich ausländische Unternehmen in Ungarn konfrontiert sehen. Dabei ging er zunächst  auf  die Debatte um das neu überarbeitete ungarische Zivilgesetzbuch (BGB) ein. Die völlig neu überarbeitete und umfangreich erweiterte Fassung wurde im öffentlichen Diskurs mit der Befürchtung in Verbindung gebracht, dass durch dieses neue BGB zahlreiche weitere administrative Hürden implementiert würden. Gobert verwies jedoch darauf, dass es sich bei der neuen Auflage des ungarischen BGB lediglich um eine Kodifizierung bereits in der Praxis angewandter Rechtspraktiken handele, die somit nur begrenzte inhaltliche Neuerungen für Unternehmen bedeuten.

Als tatsächlich problematisch charakterisierte er die Gesetzgebungswelle der ungarischen Politik der vergangenen Jahre, was aus Unternehmenssicht institutionelle und legislative Planungsunsicherheit bewirkte. Mit anhaltenden Gesetzgebungsänderungen gehen für Unternehmen Risiken von Strafen bei Unwissenheit und Nichteinhaltung bestimmter legislativer Neuerungen einher und häufige Vertragsanpassungen werden notwendig. Insbesondere aus der Sicht ausländischer Unternehmen kommen Aspekte wie Unsicherheit über die ungarische Bürokratie und  Rechtspraxis erschwerend hinzu. Bei Gerichtsverfahren gilt es in Ungarn beispielswese einen langen Rechtsweg bis zu der Durchsetzung eines Rechtsanspruches zu beschreiten, was meist durch inhaltlich überforderte Vertreter der Bürokratie erschwert würde. Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang das Arbeitsrecht dar: Während Arbeitnehmer früher bei gewonnener Klage Anspruch auf Entschädigung bis einschließlich zum Zeitpunkt der Entscheidung hatten, ist die Entschädigungszeit nun auf 12 Monate begrenzt. Klagende Arbeitnehmer sind nun an einer raschen Entscheidung interessiert, weil sich ein langes Hinauszögern finanziell nicht mehr lohnt. Als einen weiteren Kritikpunkt führte der Vortragende regionale Unterschiede im Bereich der Gerichtsurteile über gleiche Sachverhalte innerhalb Ungarns an.

Bezüglich der oftmals kritisierten Welle an Gesetzesänderungen wies Dr. Gobert darauf hin, dass die besondere Situation Ungarns zu berücksichtigen sei. So befinde sich das Land zeitlich kurz hinter einer Systemtransformation und somit immer noch in einer Findungsphase der passenden administrativen und rechtlichen Ausgestaltung. Dies wird von den westeuropäischen Ländern   oft unterschätzt. Zudem ist zu betonen, dass die langfristige Wirkung der Gesetzesänderungen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht abschätzbar ist.

Einen deutlichen Wendepunkt im Bereich ausländischer Unternehmenstätigkeit löste die  rückwirkende Besteuerung von Unternehmen aus, die vor 2 Jahren in Ungarn eingeführt wurde. Dies führte dazu, dass zahlreiche Gesellschaften das Land verließen und der Standort Ungarn nur noch wenige Neuinvestoren akquirieren konnte. Deutsche Unternehmen waren jedoch weniger unter den sich zurückziehenden Betrieben vertreten, da diese meist in langfristig angelegten Produktionsinvestitionen engagiert sind. Die Ursache liegt darin, dass der Abbau von Produktionsstätten im Vergleich zu dem Rückzug von Unternehmen aus dem Finanz- und Dienstleistungssektor schwieriger zu realisieren ist. 

Neben der rechtlichen Hürden weist die ungarische Wirtschaftssituation jedoch zahlreiche positive Charakteristika auf. So ist die derzeitige Schuldensituation als gut zu bewerten, es gibt neben den zu Beginn erwähnten Großkonzernen auch zahlreiche Klein-und Mittelständische Unternehmen im Produktions- und Zulieferbereich und durch die ausländischen Investoren konnte eine nachhaltige, moderne Industrie aufgebaut werden. Auch gibt es in Ungarn nur geringe Barrieren für die Gründung von Gesellschaften und Unternehmen.

Jedoch gibt es auch bedeutsame Problemfelder innerhalb der ungarischen Unternehmenstätigkeit. So ist die Vermeidung der lückenlosen Rechnungsstellung gängige Praxis. Auch Schwarzarbeit und Korruption im Unternehmensbereich sind omnipräsente und beständig wachsende Probleme. Für ausländische Unternehmen können zudem Sprachbarrieren und Hürden für administrative Abwicklungen wie die Bankkonteneröffnung durch Bevollmächtigte oder die Anerkennung einer Apostille Probleme darstellen.

Darüber hinaus ist die begrenzte Verfügbarkeit von ausgebildeten Fachkräften ein Thema, das die Unternehmenssituation in Ungarn entscheidend beeinträchtigt. Die Vorteile des ungarischen Arbeitsmarkts, wie etwa niedrige Lohnkosten und ein dazu relativ hohes Qualifikationsniveau werden von ausländischen Investoren wie Audi nahezu flächendeckend abgeschöpft, wodurch es zu einer regionalen Konzentration ausgebildeter Fachkräfte kommt. Dem Fachkräftemangel wird aufgrund des sehr theoretisch ausgerichteten Bildungssystems nicht ausreichend begegnet. Für eine Verbesserung der Situation können Maßnahmen wie eine Reformierung der Hochschulausbildung oder eine Orientierung an das duale Ausbildungssystem Deutschlands sinnvoll sein.

Im letzten Hauptteil  wies Dr. Gobert auf die sogenannten „Hidden Champions“, also besonders erfolgreiche, in der Öffentlichkeit jedoch relativ unbekannte mittelständische Unternehmen in Ungarn hin. Diese zeichnen sich oft durch ihre hohe Flexibilität, ihre internationale Aufstellung und ihre Spezialisierung in Nischensparten aus. In der Regel sind sie im Bereich innovativer Dienstleistungen und IT-Lösungen tätig und weniger im produzierenden Gewerbe wie die marktführenden Großkonzerne. Als Beispiele führte er das IT-Unternehmen Caso Engineering, den Hersteller pharmazeutischer Grundstoffe Cyclolab sowie das im Bereich der Datensicherung tätige Unternehmen Kürt an. Charakteristisch für diese Unternehmen ist ihre moderne Organisationsstruktur, die auf „flache Hierarchien“ und auf  Büroverhältnisse gekennzeichnet ist, in denen man sich wohlfühlen kann.

Abschließend berichtete Dr. Gobert von seinen Erfahrungen und gab den Studierenden hilfreiche Tipps für einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben. Darüber hinaus beantwortete er Fragen aus dem Kreis der Studierenden und schätzte beispielsweise die Rolle wechselnder Regierungen auf die Unternehmenstätigkeit und die Zusammenarbeit ausländischer und einheimischer Betriebe ein.

Text: Kristina Förster

Die Forschung von Kristina Förster wurde im Rahmen des Prioritätsprojekts TÁMOP 4.2.4 A/1-11-1-2012-0001 “Nationales Exzellenzprogramm – Landesprogramm zum Aufbau und Betrieb eines Systems zur Förderung von Studierenden und Forschern“ verwirklicht. Das Projekt wird durch die Förderung der Europäischen Union und Ungarns und die Kofinanzierung durch den Europäischen Sozialfonds verwirklicht.

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