Eine multilaterale und überregionale Forschungskooperation zum Thema Identität, Migration, Internationalität und Interkulturalität in der Literatur Mitteleuropas (Visegrad Fund, Projektnummer 11610022)
Globalisierung und Modernisierung drängen seit der Aufklärung die Fragen persönlicher und kultureller Integrität im breiteren sozialen Kontext vielfach im Leitbegriff der Identität in den Vordergrund. Dabei wird Identität nicht nur als eine soziale Funktion des Ichs, gleichsam alseine psychoorganische Selbstbefähigung etwa zu besserer interpersonaler Interaktivität in den Blick gefaßt. Identität gibt sich vielmehr als ein komplexer Wandlungs- und Entfaltungsprozeß zu verstehen, die Fragen der Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Individualität innerhalb verschiedener, aber nicht selten gleichzeitiger Kollektivierungsvorgänge ebenso aufwirft wie Fragen der persönlichen Intentionalität, der Konsistenz und der Kontinuität.
Geschichtliche Turbulenzen ließen in den letzten Hundert Jahren im mitteleuropäischen Raum Identifikationsprozesse durch Flucht und sonstigen raschen Wohnortswechsel an zusätzlicher Komplexität gewinnen, die o den Wechsel der Sprache, politischer Überzeugungen, ja hin und wieder sogar einen Wechsel nationaler Zugehörigkeit erzwangen. Die Literatur des mitteleuropäischen Diskursraums hat diese Identitätswandlungen nicht nur mit nahezu seismographischer Genauigkeit registriert, sondern häufig auch dazu beigetragen, das sowohl individuell wie auch kollektiv Traumatische zu überwinden.
Da die einschlägigen Untersuchungen an komparativer Perspektive zu wünschen übrig lassen, versprechen gemeinsame Anstrengungen im skizzierten persönlichen und institutionellen Rahmen einen erheblichen Beitrag zur Klärung brennender Fragen von Individualität und Identität einerseits und andererseits die Ausarbeitung therapeutischen Dimensionen mitteleuropäischer Literatur bei der Enttraumatisierung Einzelner sowohl als auch größerer Gemeinschaen. Erweitern ließen sich unsere Bemühungen neben den skizzierten Forschungsebenen auch um literaturtheoretische Fragen der Identifikation der Rezipienten mit ihren fiktionalen Gegenübern und den implizierten Rollen, die ihnen die Literatur zur Rezeption bietet. Ein zusätzlicher Gewinn wäre der Vergleich dieser metafiktionaler Identifikationsmuster mit denen, die Literatur fiktional erschließt und – um mit Dilthey zu sprechen – erlebbar macht.
Das Projekt wird von der Andrássy Universität koordiniert und mit Partnern aus den V4-Staaten durchgeführt:
Im Rahmen des Projekts, das vom Visegrad Fund finanziert wird, werden ein Workshop und eine Konferenz durchgeführt.