Im Rahmen der Ringvorlesungsreihe zur Kunst der Diplomatie sprachen bisher der Schweizer Botschafter über Carl Lutz, Dr. Heinrich Kreft über die Außenpolitik von Gustav Stresemann sowie der belgische Botschafter über die belgische Außenpolitik. Am 23. Mai schließlich hielt Dr. Ferdinand Trauttmansdorff, österreichischer Diplomat und der ehemalige Leiter des Lehrstuhls Diplomatie I der Andrássy Universität einen Vortrag.
Es sei ihm eine besondere Ehre, so Rektor Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger in seiner Begrüßungsrede, den folgenden Vortrag anzukündigen. In gewissem Sinne mache dieser nämlich ein Versäumnis gut, da Trauttmansdorff während der Pandemie nicht angemessen habe verabschiedet werden können. Ein richtiger Abschied sei dies jedoch auch nicht, denn Trauttmansdorff bleibe der Universität noch in vielerlei Hinsicht erhalten.
Trauttmansdorff ging am Abend der Frage nach, ob es in der heutigen Zeit überhaupt noch DiplomatInnen brauche. Vorweg betonte er jedoch, dass er sich freilich nicht dafür einsetzen werde, die professionelle Diplomatie abzuschaffen. Einen Blick hinter die Kulissen wolle er aber dennoch bieten. Ihm sei es immer ein Anliegen gewesen, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden
Man könne derzeit davon ausgehen, dass ein grundlegender Strukturwandel internationaler Kommunikation bestehe und die professionelle Diplomatie einen Bedeutungswandel und wahrscheinlich auch eine Bedeutungsreduktion erlebe. Die Definition professioneller Diplomatie, so wie sie dem Vortrag zugrunde liege, beinhalte die Elemente Staatlichkeit, eine erhöhte Aufnahmeschwelle, eine hohe Anforderung an Ausbildung, den Einbau ins System des öffentlichen Dienstes des jeweiligen Staates, eine Tätigkeit in offiziellen Vertretungsbehörden mit diplomatischem bzw. konsularischen Status, das Generalistenprinzip sowie die staatliche Vertretung bei internationalen Organisationen. Darüber hinaus fänden heute in den verschiedensten Bereichen diplomatische Kontakte statt, ob nun in professioneller Form oder nicht. Zudem gebe es zahlreiche internationale Akteure, die es vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht gegeben habe. Charakteristisch sei hier eine wesentliche Verdichtung und Digitalisierung der Kommunikation bspw. durch internationale Direktkontakte oder Kontakte zwischen spezialisierten Regierungsstellen.
Trauttmansdorff stellte nachfolgend die externen wie internen Faktoren des Bedeutungsverlusts der professionellen Diplomatie dar. Zu diesen gehörten allen voran die „Kommunikationsexplosion“ sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich. Diese vermindere die Notwendigkeit permanenter Strukturen. Der wesentlichste Punkt bei den inneren Faktoren seien die verschiedenen Direktkontakte, die es zwischen den Kabinetten, Ministern, Staatssekretären, kurz: zwischen sämtlichen politischen Entscheidungsträgern gebe und durch die schlicht weniger professionelle Diplomatie gebraucht werde. Ein Punkt sei ihm aber besonders wichtig: Außenpolitik sei immer auch Innenpolitik. Die politische Führung sei nämlich hauptsächlich den WählerInnen gegenüber verantwortlich. Dies müsse man berücksichtigen.
Im weiteren Verlauf des Abends führte der ehemalige Diplomat in die Struktur von Außenministerien ein und ging insbesondere auf Wesen und negative Auswirkungen des Rotationsprinzips in der Diplomatie ein.
Was die diplomatische Repräsentation als solche betreffe, sei die Repräsentationstätigkeit von DiplomatInnen keineswegs nur „Sektglasschwingen“. Das Bild habe sich fälschlicherweise verbreitet und führe häufig zu Misstrauen. Um daher einen Missbrauch von finanziellen Mitteln zu vermeiden, bestehe eine Tendenz zur Überregulierung, was dann wiederum zur Folge habe, dass die Repräsentation ein Stück weit unflexibel und weniger effektiv sei als sie eigentlich sein sollte. Sein Vorschlag wäre, so der ehemalige Diplomat, den Einsatz und die Zuteilung von Repräsentationsmitteln anhand von Arbeitsprogrammen auszurichten und nach flexiblen Einsatzmöglichkeiten zu suchen, einschließlich des missbrauchssicheren Einsatzes von Sponsormitteln.
Zur Kulturdiplomatie merkte Trauttmansdorff an, dass hier regelmäßig eine Auseinandersetzung stattfinde zwischen Selbstzweck und Wirkung, v. a. deshalb, weil Kulturschaffende grundsätzlich den Anspruch haben, sich von Machtstrukturen abzusetzen. Dies führe dazu, dass in der Kulturarbeit entsprechende Schranken zwischen der diplomatischen und politischen Nutzbarkeit von Kulturarbeit und der eigentlichen Kulturarbeit entstehen, was ein immer fortwährendes Thema sei.
Schließlich drang der Vortrag in den Bereich digitale Kommunikation vor, zu dem Trauttmansdorff einige Punkte ansprach, z. B. die Nutzung von sozialen Medien, deren Aufwand im Verhältnis zu ihrer Wirkung häufig problematisch sei. Es bestehe die Gefahr der Wirkungsillusion bei der Übermittlung von Botschaften − hier bestehe noch viel Entwicklungsbedarf. Auch sei wenig Spielraum für eigenständige politische Kommunikation vorhanden.
Seinen Vortrag schloss Trauttmansdorff mit dem Resümee, dass der Bedeutungsverlust in einen Bedeutungswandel umgestaltet werden müsse und der Berufsdiplomatie dort ihr Platz zuzuweisen sei, wo sie sich auch rentiere. Die darauffolgenden Fragen schnitten einige der im Vortrag genannten Themen an und konnten im Anschluss bei einem Glas Wein, zu dem Trauttmansdorff die anwesenden Gäste einlud, weiter diskutiert werden.
Schilan STACH