Während die Gründer einer deutschen GmbH schon seit fast 130 Jahren die innere Ordnung ihrer Gesellschaft weitgehend frei und eigenverantwortlich ausgestalten können, was eine Anpassung an die konkreten Bedürfnisse und Interessen erlaubt, ist das in Ungarn bis vor wenigen Jahren völlig anders gewesen. Noch das Gesetzbuch über die Wirtschaftsgesellschaften aus dem Jahr 2006 beschnitt mit einer Regelung, die an die strengen Vorschriften des deutschen Aktienrechts erinnerte, für alle ungarischen Gesellschaftsformen die Gestaltungsfreiheit sehr. Ausgewirkt hat sich dies vor allem im Recht des ungarischen Pendants der deutschen GmbH, der korlátolt felelősségű társaság = Kft. Erst im Jahr 2014 ist es dann mit dem Inkrafttreten des neuen ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuchs zu einem Einzug der Gestaltungsfreiheit ins Recht der Kft gekommen.
Da man jedoch in Ungarn insoweit nicht auf einen in vielen Jahrzehnten gesammelten Erfahrungsschatz zurückgreifen kann, wirft die Anwendung der neuen Regelungen in der Praxis eine Fülle von Problemen auf: Von welchen gesetzlichen Vorschriften kann überhaupt abgewichen werden und mit welchen Gestaltungen lassen sich eröffnete Freiräume in zulässiger und zweckmäßiger Weise ausfüllen? Diese Fragen, welche die Gesellschaftsrechtspraxis in Ungarn aktuell sehr bewegen, bildeten den Gegenstand eines Forschungsprojektes, das von Dr. Leszek Dziuba seit dem Jahr 2014 am Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftsrecht der Andrássy Universität Budapest (AUB) verfolgt worden ist. Dabei ging es nicht um eine schlichte Übernahme deutscher Erfahrungen, sondern um die Erarbeitung von Lösungen, welche das rechtshistorische und rechtsdogmatische Umfeld des ungarischen Gesellschaftsrechts berücksichtigen.
Mit seiner hierzu angefertigten Dissertationsschrift ist Dr. Dziuba im Rahmen der Zusammenarbeit der AUB mit der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Dezember 2020 an der Juristischen Fakultät in Heidelberg promoviert worden. Unterdessen ist nun seine Untersuchung unter dem Titel „Gestaltungsfreiheit im ungarischen GmbH-Recht” als 27. Band der „Andrássy Studien zur Europaforschung“ im renommierten Nomos-Verlag erschienen. Auf über 500 Seiten werden nicht nur rechtsdogmatische Grundsatzfragen, sondern auch viele praxisrelevante Gestaltungsprobleme erörtert. So wendet sich das Buch sowohl an Wissenschaftler als auch an Praktiker.
Prof. Dr. Christian Schubel