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Hírek

Nachruf Andreas Oplatka

Die Andrássy Universität trauert um Prof. Dr. phil. Andreas Oplatka,

ehemaliger Professor für Zeit-, Gegenwarts- und Pressegeschichte, ehemaliges Mitglied des Universitätsrates, ehemaliger Vorsitzender des Kuratoriums der Öffentlichen Stiftung für die Deutschsprachige Universität Budapest.

Viele ehemalige Studierende trauern um einen inspirierenden Mentor.

Prof. Dr. phil. Andreas Oplatka

(05.02.1942 Budapest – 27.05.2020 Zürich-Zollikon)

 

Nach einer langen mit Würde und Demut ertragenen Krankheit ist am 27. Mai 2020 Andreas Oplatka im Beisein seiner Familie verstorben. Ein reiches und glückliches Leben, das durch die Fahrnisse der europäischen Geschichte in den vergangenen fast 80 Jahren geprägt wurde, ist damit zu Ende gegangen. Andreas Oplatka wurde 1942 in eine bürgerliche Budapester Familie geboren und musste schon als Jugendlicher nach dem Volksaufstand von 1956 Ungarn verlassen. Er fand Aufnahme in der Schweiz, welche bald seine zweite Heimat wurde. Hier lernte er auch die wichtigste Person in seinem Leben kennen, seine Frau Helen Oplatka-Steinlin, die ihn bei allen seinen Unternehmungen begleitete und unterstützte. Nach seiner Promotion 1968 über das Thema „Aufbauform und Stilwandel in den Dramen Grillparzers“ wandte er sich dem Journalismus zu. Als Auslandsredaktor und Korrespondent der renommierten Neuen Zürcher Zeitung beobachtete und kommentierte er aus der Zentrale und den Standorten Stockholm, Paris, Moskau und Budapest während 36 Jahren die europäische Politik. Trotz seiner immensen Detailkenntnis verlor er nie die grossen, globalen Zusammenhänge aus den Augen. Wie Balázs Ablonczy, der bekannte ungarische Historiker, in Erinnerung an Andreas Oplatka geschrieben hat: „Aus einem Halbsatz und vom Blick hinter der Teetasse konnte man mehr über die westeuropäischen Demokratien lernen als im gesamtem universitären Studium und aus zahlreichen Fachbüchern.“

Seit den 70er Jahren widmete er sich auch seiner zweiten Passion und übersetzte für den Zürcher Manesse Verlag zahlreiche ungarische Klassiker wie Jókai, Mikszáth oder Karinthy. Später kam im Zsolnay Verlag Wien die Siebenbürgen-Trilogie von Miklós Bánffy dazu. Die Auseinandersetzung mit Sprache(n) und der Gedankenwelt der Schriftsteller waren für Andreas Oplatka Herausforderung und geistiges Abenteuer zugleich.

Ebenfalls seit den 70er Jahren verstärkte sich sein Interesse an der Region Ost- und Mitteleuropa und insbesondere Ungarn. Beeinflusst von den Thesen István Bibós begann er vertieft über ‚die Misere der osteuropäischen Kleinstaaterei‘ nachzudenken. Er gelangte früh zur Überzeugung, dass der Eiserne Vorhang fallen werde und die Region Teil des geeinten Europas werden würde. Andreas Oplatka entwickelte eine starke Verbundenheit zu Siebenbürgen und unternahm auch persönliche Anstrengungen, um die Lage von ethnischen Ungarn überall im Karpatenbecken zu verbessern, indem er junge Menschen förderte, Schulen und Vereine unterstützte. Gleichwohl verlor er nie seine professionelle Distanz gegenüber dem politischen Tagesgeschehen und wies mahnend auf manche Fehlentwicklung in der Region hin.

Nach seiner Tätigkeit bei der Neuen Zürcher Zeitung wandte er sich der Wissenschaft zu und habilitierte sich 2004 mit einer vielbeachteten Arbeit über den Grafen Stephan Széchenyi. Obwohl er den entscheidenden Einfluss, den der Historiker Domokos Kosáry (den als seinen Mentoren betrachtete) sowie Golo Mann auf ihn ausgeübt hatten, stets betonte, zeichneten sich seine historischen Publikationen durch eine eigenständige Perspektive und profunde Quellenkenntnis sowie eine akribische Analyse aus.

Ab 2003 unterrichtete er zunächst als Dozent, dann als Professor an der Andrássy Universität Budapest. Hier beschäftigte er sich in Forschung und Lehre unter anderem mit der Geschichte und Zeitgeschichte Osteuropas, der Geschichte des Totalitarismus im 20. Jahrhundert, der Modernisierung Ungarns im 19. Jahrhundert, den Wendepunkten der ungarischen Geschichte des 19 und 20. Jahrhunderts, der Pressegeschichte und dem Pressewesen, der Oral History, der Mitteleuropadiskussionen der 80er Jahre, den Zusammenhängen von Literatur und Geschichte. Ein besonderes Anliegen war ihm die neuste ungarische Geschichte, wobei er sich besonders intensiv mit der Grenzöffnung und der Wende beschäftigte. Die Universität wurde für ihn zu mehr als einer blossen Wirkungsstätte, sie wurde zu einer Mission für ihn. Sein Schaffen an der Andrássy Universität hätte ohne die Unterstützung seiner Frau Helen Oplatka-Steinlin nicht diese Wirkung entfalten können. Die Tätigkeit an der Andrássy Universität Budapest wurde für die beiden zum gemeinsamen Projekt: Neben der Lehre wirkten sie als Mentoren für zahlreiche Studierende und gründeten auch eine Stiftung, welche begabte und bedürftige ungarischen Studierende von diesseits und jenseits der Staatsgrenzen unterstützte.

Von der Lehre zog er sich 2012 zurück, doch blieb er der Andrássy Universität Budapest weiter verbunden. Von 2014 bis 2017 war er Vorsitzender des Kuratoriums der Öffentlichen Stiftung für die Deutschsprachige Universität Budapest und auch Mitglied des Universitätsrates. Daneben wirkte er bei zahlreichen Veranstaltungen als Vortragender, Redner oder Moderator mit. Auch halfen Andreas Oplatka und Helen Oplatka-Steinlin bei der Organisation und Durchführung der Schweiz-Exkursionen für Studierende der Andrássy Universität Budapest mit. Unvergessen bleiben die sachkundigen Führungen und die grosszügigen Einladungen bei ihnen zu Hause, wo sie die hungrige Schar der Studierenden stets mit feinen Spezialitäten der Schweizer Küche verköstigten.

Nach seinem Rückzug aus den universitären Gremien wollte er seine Zeit anstelle des Schreibens vermehrt dem Lesen widmen. Das Leben sei zu kurz, pflegte er zu sagen, um auch nur die wichtigsten Bücher lesen zu können. Dabei sollte auch seine andere Passion, die Musik, nicht zu kurz kommen. Die Musik von Wagner und Mahler, auch der Rosenkavalier hatten es ihm besonders angetan. Aus diesem Interesse ging auch sein letzter Interviewband mit seinem engen Freund, dem Dirigenten Ádám Fischer, hervor.

Sein Wirken als Wissenschaftler und Journalist wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt. So wurde er 2014 in die Ungarische Akademie der Wissenschaften als externes Mitglied aufgenommen und 2016 erhielt er den Prima Primissima Preis für seine journalistische Tätigkeit. Es ist nicht leicht, die richtigen Worte des Abschieds für Andreas Oplatka zu finden, der selbst grossen Wert auf eine elegante und präzise Sprache legte. Dieser anspruchsvolle Umgang mit der Sprache war ihm etwas vom Wichtigsten im Leben. In den letzten Tagen haben viele erinnernd seiner gedacht. Dabei kristallisierte sich das Bild eines soliden, schweizerischen, konservativ-liberalen Gentlemans heraus, der unglaublich belesen war und über ein immenses Wissen verfügte, das ihm erlaubte, das Weltgeschehen aus einer kritischen Distanz, aber immer auch einer gesamteuropäischen Perspektive heraus zu betrachten. Er vertrat immer eine klare Haltung, blieb aber stets höflich und liebenswert dabei. Jegliche Form der Überheblichkeit und der Selbstinszenierung blieb ihm dabei fremd.

Am Ende seines Lebens ist auch der Tag seiner Bestattung symbolisch; der 4. Juni 2020, der 100. Jahrestag des Friedensvertrages von Trianon. Seine letzte grössere Studie, welche bald in der Schriftenreihe der Vontobel-Stiftung erscheinen soll, hatte Andreas Oplatka dieser in Westeuropa (zu) wenig bekannten Thematik gewidmet.

Wir trauern mit seiner Frau Helen Oplatka-Steinlin und der ganzen Familie. Seine Stimme, seine fundierte Meinung und seine auf grossen Erfahrungen beruhenden Ratschläge werden uns und allen, die sich für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Ost- und Mitteleuropas interessieren, fehlen.

 

Im Namen der Andrássy Universität Budapest,

Dietmar Meyer, Zoltán Tibor Pállinger und Henriett Kovács

2024-10 2024. november 2024-12
 
 
 
 
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