Im Rahmen einer Veranstaltung der Fakultät für Internationale Beziehungen sprach am Mittwochabend, den 12. Dezember 2012 Dr. Werner Ebert, Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, vor zahlreichen Gästen im Hörsaal 1 der Andrássy Universität Budapest.
Nach einer kurzen Einführung und Vorstellung durch Prof. Dr. Martina Eckardt begann Dr. Ebert seinen Vortrag zum Thema „Finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung in der EU – Was leistet die neue Governance?“ mit einem Rückblick auf die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen. Dabei betonte er insbesondere das Problem der strukturellen Heterogenität zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Die lange verbreitete Annahme, dass allein die Befolgung des 3%-Neuverschuldungskriteriums im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch zur Einhaltung der anderen Kriterien führen würde, hat sich in der aktuellen Krise als Fehleinschätzung entlarvt. Dr. Ebert erläuterte dies anhand einer Reihe von wirtschaftlichen Indikatoren. Weiter führte Herr Dr. Ebert aus, dass neben der Heranziehung unzulänglicher Indizes, der unerwarteten krisenhaften Ereignisse im Rahmen der weltweiten Finanzkrise sowie der bei einigen Mitgliedern mangelhaften Grundvoraussetzungen auch Fehler der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik eine zentrale Rolle spielen. Neben der fehlenden nationalen Reformbereitschaft ist auch der Rückzug in eigene Nationalismen für die aktuelle Situation mitverantwortlich. Herr Dr. Ebert erläuterte einige der zahlreichen, in den letzten Jahren realisierten Reformen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten, die die Situation verbessern sollen. Ausführlicher stellte er dabei die Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes vor. Eine der wesentlichen Maßnahmen hierbei ist ein neuer präventiver Arm, der mit Hilfe von Frühwarnindikatoren im Vorhinein „Schieflagen“ in einzelnen Mitgliedstaaten feststellen und diesen mittels tiefergehender Analysen auf den Grund gehen soll. Sollten in diesen Länderanalysen schwerwiegende schädliche Ungleichgewichte festgestellt werden, würde der korrektive Arm mit einem Korrekturmaßnahmenplan zum Einsatz kommen. Wenn dieser Maßnahmenplan erfolgreich umgesetzt wird, besteht kein weiterer Anlass zur Sorge. Sollte er allerdings nicht umgesetzt werden, würden Sanktionsmaßnahmen in Kraft gesetzt werden. Die deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit, bei wirtschaftlich für die Union schädlichem Verhalten eines Mitgliedstaates Sanktionen zu erleiden, soll wesentlich dazu beitragen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt in Zukunft seine Aufgabe als Instrument der fiskalischen ex ante-Koordinierung erfüllt – anders als dies häufig in der Vergangenheit der Fall war. Auf kritische Fragen, inwieweit es sinnvoll sei, Mitgliedstaaten, die sich bereits in gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, mit zusätzlichen finanziellen Sanktionen zu belegen, bekräftigte Dr. Ebert, dass diese durchaus notwendig seine, um die Bindungswirkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ex ante zu stärken. Es soll damit verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat überhaupt in eine solche Lage gerät.
Nach weiterführenden sorgfältigen Überlegungen zur neuen Governance wurde im Anschluss an den Vortrag die Frage diskutiert, wo es denn nun, nach diesen ersten Reformen, mit der Europäischen Union hinführen solle. Wie weit können und sollten Risiken vergemeinschaftet werden? Sollte es zusätzlich zu den Sanktionen auch positive Anreize für die Durchführung von Reformmaßnahmen geben, um die Bereitschaft hierzu zu erhöhen? Nach einer angeregten Diskussionsrunde, in der Dr. Ebert diese und andere Fragen mit dem Publikum erörterte, endete die Veranstaltung.
Text: Kim Sax