Das Zentrum für Demokratieforschung an der Andrássy Universität Budapest (AUB) und die Schweizerische Botschaft in Budapest luden am 11. November 2015 im Rahmen der Carl-Lutz-Vortragsreihe zu einem Vortrag von Prof. Dr. Alois Riklin zum „Projekt Weltethos“ ein.
Zentrales Thema des Vortrags waren die Prinzipien, Voraussetzungen und Ziele des Dialogs der Kulturen auf der Grundlage des „Projekts Weltethos“. Der Vortrag wurde von AUB-Rektor Prof. Dr. Masat eröffnet. In seiner Rede ging er vor allem auf die Biographie Alois Riklins und dessen Beziehung zur AUB ein. Riklin war nicht nur ehemaliger Professor für Politikwissenschaften und ehemaliger Rektor der Universität St. Gallen, sondern auch Schweizer Delegierter für die AUB im Zeitraum von 2001 bis 2010.
Zu Beginn seines Vortrags verwies Prof. Riklin auf Samuel Huntingtons Bestseller „The Clash of Civilizations“ aus dem Jahr 1996. In diesem Buch teilt Huntington die Welt nach religiös-kulturellen Kriterien in insgesamt acht Regionen ein. Diese Einteilung sei jedoch oberflächlich, pauschalisierend und produziere darüber hinaus notorische Feindbilder. Vor allem seit den Terroranschlägen von Paris und Kopenhagen und seit der einsetzenden Flüchtlingskrise gewännen diese Feindbilder jedoch wieder stark an Beliebtheit.
Den weltweit bekanntesten Gegenentwurf zu den Feindbildern Huntingtons liefere das „Projekt Weltethos“ des Schweizer Theologen Hans Küng. In seinem Werk belege Küng, dass die Urtexte aller großen Weltreligionen ein viel größeres Friedenspotential als Gewaltpotential entfalteten. In diesem Sinne sei es notwendig, einen globalen Basiskonsens gemeinsamer ethischer Werte zu schaffen, um darauf aufbauend nicht nur einen Dialog der Kulturen auf Augenhöhe zu ermöglichen, sondern gleichzeitig auch deren Zusammenprall zu verhindern. Ziel sei es, dadurch ein möglichst friedliches Neben- und Miteinander verschiedener Religionen und nichtreligiöser Weltanschauungen zu ermöglichen.
Inhaltlich versuche das „Projekt Weltethos“ dabei weder einen Religionenmix noch eine Einheitsreligion zu kreieren. Ebenso wenig ziele es auf einen Religionsverzicht ab. Vielmehr sei es ein ethisches Projekt, welches nach einem minimalen Konsens gemeinsamer ethischer Werte aller großen Religionen und auch nichtreligiösen Weltanschauungen suche, um daraus aktuelle Konkretisierungen für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Erziehung zu formulieren.
Im Folgenden erklärte Prof. Riklin die Prinzipien und Voraussetzungen, auf welchen der Dialog der Kulturen basiere, um anschließend seine Ziele zu erläutern. In puncto Prinzipen führte er sowohl die Humanitäts- als auch die Gegenseitigkeitsregel an. Die Humanitätsregel besage, dass jedes Individuum im Zuge des Dialogs menschlich behandelt werden solle. Die Gegenseitigkeitsregel beziehe sich auf die sogenannte „Goldene Regel“: „Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg’ auch keinem anderen zu“.
Die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung des Dialogs laute „Selbstkritik vor Fremdkritik“. In diesem Zusammenhang führte er an, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Namen aller großen Religionen erfolgten, infolgedessen voreilige Fremdkritik gründlich überdacht werden solle. Eine weitere Grundvoraussetzung für den Dialog sei Wahrhaftigkeit. Schließlich könne kein nachhaltiger Erfolg erzielt werden, solange der Dialog auf unwahren Aussagen der Teilnehmenden fuße. Des Weiteren stellte der Vortragende heraus, dass der Dialog ohne einen einhergehenden Verzicht der Religionsvertreter auf das „Heilsmonopol“ nicht möglich sei. Hierbei betonte er, dass es sich bei dem Dialog keinesfalls um einen „Bekehrungsdialog“ handle. Weitere Voraussetzungen des Dialogs beziehen sich auf eine respektvolle Wertschätzung der jeweils anderen Religion bzw. Kultur und auf Standfestigkeit. Standfestigkeit bedeute in diesem Zusammenhang, dass es erlaubt sei, an der eigenen Religion festzuhalten, man jedoch auch ethische Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen anerkennen müsse.
Im letzten Teil seines Vortrags wandte sich Riklin den Zielen des Dialogs zu. Zunächst seien es vor allem Pflichten und Rechte, die sich aus dem Dialog ergäben. So sei es bspw. unverzichtbar, dass sich die Vertreter aller Religionen darauf verständigten, Menschenrechte überall und in jeder Form zu achten. Hierbei betonte er, dass auch in diesem Bereich der Westen zunächst Selbstkritik üben solle. So sei es im Zuge des „Krieges gegen den Terrorismus“ zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen. Weitere Ziele des Dialogs beziehen sich vor allem auf die Wahrung der Religionsfreiheit, auf die Schaffung einer „Kultur der Gewaltlosigkeit“, auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung, vor allem zwischen Mann und Frau, sowie auf ein höheres Maß an Solidarität unter den Menschen der verschiedenen Völker dieser Erde. Als weiteres, herausragendes Ziel des Dialogs stellte der Vortragende schließlich die Friedensstiftung heraus.
Auf die abschließende Frage hin, ob die Ziele des „Projekts Weltethos“ unrealistisch seien, antwortete Riklin, dass man nicht erwarten dürfe, dass das Projekt das Paradies auf Erden schüfe, man allerdings auch nicht realistisch sei, wenn man keine Ideale habe.
Im Anschluss an den Vortrag gab der Schweizer Botschafter S.E. Jean-François Paroz einen Empfang, in dessen Rahmen die Diskussion weiter vertieft werden konnte.