Vom 26. bis 30. Juli 2022 fand die 5. Sommeruniversität in der Reihe „Der Donauraum im Fokus” statt. Unter diesem Generalthema wird seit 2016 ein für den Donauraum aktuelles und für die teilnehmenden Studierenden aus den Ländern des Donauraums relevantes Thema aufgegriffen. Seit 2016 wurden die Themen „Flüchtlingskrise und Migration“, „Grenzen und Identitäten“, „Zwischen Dekonsolidierung und Erneuerung – aktuelle Diskurse über die Lage der Demokratie“ und „30 Jahre Demokratie - Bilanz und Perspektiven” behandelt. Nachdem die Sommeruniversität aufgrund der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 nicht stattfinden konnte, stand in diesem Jahr das Thema „Herausforderungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union” im Mittelpunkt.
In den letzten Jahren haben interne Entwicklungen wie auch externe Kräfte den Zusammenhalt der Europäischen Union herausgefordert und die Integrationskraft der Gemeinschaft zunehmend in Frage gestellt. Die weitverbreiteten Wahlerfolge populistischer Parteien, die divergierenden Ansätze bei der Regelung von Migration und Asyl, die Uneinheitlichkeit bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie, die widersprüchlichen Vorstellungen über die europäische Identität und der scheinbar unauflösbare Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit zwischen den EU-Institutionen und einigen Mitgliedstaaten sprechen für eine Erosion der gemeinsamen europäischen Wertegrundlage. Der von Putin begonnene Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine schien zwar zunächst einen Wendepunkt zu markieren, denn die Mitgliedstaaten der EU bewiesen Solidarität mit der Ukraine und gingen abgestimmt vor. Allerdings zeigten sich trotz aller anfänglichen Erfolge bereits nach wenigen Wochen wieder Differenzen im Hinblick auf Sanktionen gegen Russland und Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine. In diesen Fragen kommt den Ländern der Visegrádgruppe - insbesondere Polen und Ungarn - eine besondere Rolle zu. Die Sommeruniversität hatte sich vor diesem Hintergrund das Ziel gesetzt, sich gemeinsam mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: In welcher Beziehung stehen die verschiedenen nationalen Identitäten zu einer Europäischen Identität? Sollten sich die Werte der EU als supranationale Organisation an die Wertvorstellungen der Mitglieder anpassen, und nicht umgekehrt? Was sind die wichtigsten Elemente der gemeinsamen „Kultur der Rechtsstaatlichkeit”? Was bedeutet der Ukraine-Krieg für Europa?
Eine wichtige Neuerung war, dass die Sommeruniversität diesmal im Rahmen des unter Erasmus+ neu eingeführten Blended-Intensive-Programmes (BIP) organisiert wurde. Die Sommeruniversität bestand deshalb nicht nur aus einer intensiven Präsenzphase in Budapest (25.-30. Juli 2022), sondern auch aus einer vorbereitenden Online-Phase, die am 4. und 5. Juli stattfand. Den Abschluss bildete schließlich ein Online-Debriefing am 4. August 2022. Als Kooperationspartner konnten die Universität Passau, die Universität Rijeka und die Universität Bremen gewonnen werden, die die internationale und interdisziplinäre Ausrichtung der Sommeruniversität sicherstellten. Insgesamt nahmen 15 Studierende und sechs Lehrende aus Deutschland und Kroatien an der Sommeruniversität teil.
Das Programm der Sommeruniversität konzentrierte sich auf vier thematische Schwerpunkte: Nationale und Europäische Identitäten (Block I), Herausforderungen für den Innergesellschaftlichen Zusammenhalt in Ungarn (Block II), Herausforderungen für den Zusammenhalt innerhalb der EU - mit Fokus auf die gemeinsamen Werte und die Rechtsstaatlichkeit (Block III) sowie Herausforderungen für den Zusammenhalt in den Außenbeziehungen - mit Fokus auf den Ukraine-Krieg (Block IV).
In der Online-Phase hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich kennenzulernen. Außerdem gaben Prof. Ellen Bos (AUB), Prof. Zoltán Tibor Pállinger (AUB) und Prof. Daniel Göler (Universität Passau) eine Einführung in die thematischen Schwerpunkte der Sommeruniversität. In der Präsenzphase folgten weitere Präsentationen der Lehrenden. Am Dienstag gab Dr. Christina Griessler einen Überblick über nationale Identitäten und europäische Identität, am Mittwoch beleuchteten Prof. Bos und Prof. Pállinger die politischen Konfliktlinien in Ungarn und am Donnerstag setzte sich Prof. Göler mit der gemeinsamen Wertegrundlage der EU und den Konflikten um die Rechtsstaatlichkeit auseinander. Am Freitag standen die Reaktionen der Regierungen in Deutschland, Ungarn und der Schweiz auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Mittelpunkt. Prof. Göler skizzierte die Reaktion der deutschen, Prof. Bos die der ungarischen und Prof. Pállinger die der schweizerischen Regierung. Nach dem Input der Lehrenden folgten jeweils Kurzvorträge der Studierenden und Gruppenarbeiten, in denen diese auf die Praxis bezogene Aufgaben bearbeiteten. Unter anderem entwickelten sie ein Konzept für die Gründung einer neuen Oppositionspartei in Ungarn und formulierten offene Briefe zur angemessenen Haltung zum Krieg in der Ukraine an die Regierungen Deutschlands und Kroatiens.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Sommeruniversität war ein breites Rahmenprogramm, das aus thematischen Stadtführungen, Besichtigungen und Exkursionen bestand. Die Führungen durch das ungarische Parlament, das Haus des Terrors, den Mementopark, den Kossuth-Platz sowie das Burgviertel waren eine spannende Ergänzung zur inhaltlichen Arbeit an der Universität. Insbesondere die beiden Stadtführungen von Dr. Henriett Kovács gaben den Diskussionen der Sommeruniversität eine zusätzliche praktische erinnerungspolitische Perspektive. Den Abschluss bildete wie immer eine gemeinsame Schifffahrt nach Szentendre mit anschließender Stadtführung und einem Abschlussessen. Ein besonderes Highlight war diesmal die Picasso Ausstellung in der Endrész-Galerie und die Führung durch den Besitzer der Galerie.
Ellen BOS und Zoltán Tibor PÁLLINGER