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Workshop zu „Krieg gegen Italien“
Fakultät für Mitteleuropäische Studien
Am 27. November 2015 veranstaltete die Andrássy Universität Budapest (AUB) in Kooperation mit der Autonomen Region Trentino-Südtirol den Workshop „Krieg gegen Italien“.

Der Fokus lag auf den Zusammenhänge und Schauplätze des vor hundert Jahren begonnenen Kriegs von Österreich-Ungarn gegen Italien, den zum Feind gewordenen früheren Bündnispartner.

Nach der Eröffnung durch die Veranstalter Dr. Henriett Kovács (AUB) und Dr. Richard Lein (AUB, Karl Franzens Universität Graz) hielt Professor Gábor Oplatka (ETH Zürich) den Auftaktvortrag mit dem Titel „Rayon I. der Italienischen Front. Die Kämpfe von ungarischen Soldaten an der Schweizer Grenze im Bereich von Umbrailpass und Stilfserjoch 1915-1918“. Die Feldarbeit und die Fotodokumentation, die Oplatka in seinen Vortrag einfließen ließ, machten den Gebirgskrieg auch aus heutigem Blick greifbar. Außer Taktik spielte auch Technik in dem neuen Krieg eine große Rolle. Das Publikum erfuhr, dass man heute noch Spuren des Ersten Weltkriegs finden kann – man müsse allerdings mit offenen Augen durch die Welt gehen – am besten in ein paar Tausend Meter Höhe.

Krisztián Csaplár-Degovics (Magyar Tudományos Akadémia) sprach über „Die Rivalität von Italien und Österreich-Ungarn um Albanien (1878-1912)“. Als die Auflösung des Osmanischen Reiches nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, rückte das Gebiet Albaniens in den Blickpunkt des Interesses der Großmächte. Mit der Wiederherstellung der Schifffahrt auf der Adria durch Italien gewann Rom die Wirtschafts- und Finanzkontrolle über das kleine Land. Aus dieser Rolle wurde Italien jedoch schon bald durch die Habsburgermonarchie verdrängt, die sich um den Aufbau albanischer Schulen bemühte, wissenschaftliche Unternehmungen zu Sprache und Geschichte machte und damit zur Begründung der modernen Albanologie beitrug.

Henriett Kovács zeigte die Situation in Ungarn vor und während des Kriegs gegen Italien anhand von Parlamentsdebatten in Budapest. Sowohl die Regierung von Ministerpräsident Tisza, als auch die Opposition wollten den Krieg gegen Italien wenn möglich verhindern. Apponyi, Andrássy und Károlyi führten geheime Verhandlungen mit den Italienern. Tisza versicherte bereits im Parlament 1911: Man würde nicht gegen Italien, sondern für das Bündnis die k.u.k. Flotte stärken. Nach dem Kriegseintritt Italiens schrieb Albert Berzeviczky in seinem Tagebuch über seinen „persönlichen Schmerz“, was die Gefühle von vielen Personen in Ungarn veranschaulicht.

Lorenzo Marmiroli (Sapienza Universität Rom/Universität Szeged) zeigte Gesichtspunkte und Meinungen von Intellektuellen zum Kriegseintritt Italiens auf und machte einen Vergleich zwischen den literarischen Zeitschriften L‘Unitá, La Voce, Nyugat und Die Fackel. Aus dem Vortrag ging hervor, dass die Denker der Zeit sehr verschiedene Einstellungen zum Krieg hatten, von „Fundament der Vereinigten Staaten von Europa” über den „Beginn einer neuen Welt”, der „Möglichkeit für die Jugend, sein kämpferisches Elan zu zeigen” bis zum „Ende der alten Freundschaft aus 1848-49 zwischen Italien und Ungarn”.

Richard Lein erklärte „Militärhistorische Aspekte des Kriegseintritts Italiens gegen Österreich-Ungarn“ und sprach über den Dreibund als ein Zweckbündnis das sich 1914 eigentlich bereits überholt hatte. Er betonte, dass die italienische Armee beim Kriegseintritt zwar noch unverbraucht war, jedoch keine Kriegserfahrung besaß. Auch hätte Österreich-Ungarn den Kriegseintritt Italiens bereits vorhergesehen und entsprechende Vorkehrungen getroffen, was die italienischen Offensivabsichten im Jahr 1915 effektiv vereitelt habe.

Nicole-Melanie Goll (Karl Franzens Universität Graz) zeigte am Beispiel von Gottfried von Banfield, `Der Adler von Triest` die Konstruktion, Funktion und Bedeutung von Kriegshelden an der Isonzofront, dass Helden Symbole sind, die bestimmten Stereotypen entsprechen und eine Vorbildfunktion haben. Charakteristisch für sie sind Ritterlichkeit, Ausdauer, Kampf aus Unterlegenheit. Sie helfen der Zivilbevölkerung und tragen damit zu Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt bei. Im Gegensatz zum Deutschen Reich habe sich die Habsburgermonarchie jedoch, von den genannten Ausnahmen abgesehen, sehr schwer beim Aufbau seiner Kriegshelden sowie deren propagandistischer Ausnutzung getan.

Oswald Überegger (Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte-Freie Universität Bozen) hielt seinen Vortrag über Mythos Gebirgskrieg – der Dolomitenkrieg zwischen Legende und Wirklichkeit. Er zeigte dabei, wie die Mythomotorik die Erinnerung an den Krieg in Form von Kriegsromanen und Bergfilmen in der Zwischenkriegszeit, in populärwissenschaftlichen Werken nach 1945 lebendig hielt und wie sie heute noch u. a. in der Werbung weiterhin präsent ist. Der Mythos verschleierte mit der Zeit immer mehr die Tatsachen, und so wurde und wird der Krieg im Gebirge heute zum Teil immer noch als der menschliche Kampf gegen die Natur gesehen, nicht als eine technische Vernichtungsmaschine. Der bäuerlich-bärtige Senior und sein jugendlicher Kamerad verkörpern ein Fantasiebild.

Andrea Di Michele (Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte-Freie Universität Bozen) legte in ihrem Vortrag „Trient, Bozen und Innsbruck: die italienische Militärbesetzung Tirols (1918-1920)“ zahlreiche wenig bekannte Aspekte der Tiroler Nachkriegsgeschichte dar. So verfolgte Italien gegenüber dem Territorium Tirols eine dreigliedrige Strategie: Ergänzung der italienischen Einheit mit dem Trentino, Angliederung weiterer Gebiete mit nicht italienisch sprechenden Bewohnern (Süd-Tirol) und Aufbau einer wissenschaftlichen Einflusszone in den angrenzenden Gebieten (u. a. Nordtirol). Diese Pläne waren ehrgeizig, konnten jedoch, obwohl sie nicht ganz unrealistisch waren, nur zum Teil verwirklicht werden.

Text: Anett Hajnal

Magyar Tudomános Akadémia: Csaplár-Degovics Krisztián előadása az Andrássy Egyetemen.

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