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The Hands That Shape Tomorrow’s Hungary
Podiumsdiskussion zum Thema Antisemitismus an ungarischen Universitäten statt.

Die Auftaktveranstaltung am 16. Mai 2013 fand im Rahmen einer im Herbst fortgesetzten Paneldiskussionsreihe zum Thema: „Wessen Problem ist es? Zur Frage des Antisemitismus im gegenwärtigen Ungarn“ statt, welche sich der Thematik aus verschiedenen Richtungen annähern möchte.

Als Diskutantinnen und Diskutanten wirken in Ungarn lebende Expertinnen und Experten mit. Die Veranstaltungsreihe wurde von Ursula Mindler (AUB / Fakultät für Mitteleuropäische Studien, MES) und Eszter Lányi (Holokauszt Emlékközpont Budapest) konzipiert und findet in Kooperation mit Károly Dániel Dobos (Pázmány Universität), Michael Miller (Central European University) und Zsófia Kata Vincze (Eötvös Loránd Universität, ELTE) statt.

Eröffnet wurde der erste Diskussionsabend, der in ungarischer Sprache mit Simultandolmetschen ins Deutsche abgehalten wurde, vom Dekan der MES-Fakultät, Georg Kastner, in Vertretung des Rektors.  Anschließend führten Eszter Lányi und Ursula Mindler inhaltlich in die Thematik ein, skizzierten den Entstehungshintergrund und warfen aktuelle Fragestellungen auf. Im Anschluss daran wurde das Wort an das Podium übergeben, das  unter der souveränen Moderation von Zsófia Kata Vincze rund eineinhalb Stunden debattierte. Zwar entfiel aus Krankheitsgründen der Beitrag von Judit Friedrich (ELTE), doch war die Diskussion zwischen den verbliebenen Panelisten Kolomann Brenner (ELTE) und Péter György (ELTE) hoch spannend und abwechslungsreich.

György thematisierte das Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis am Beispiel der ELTE: Nach 1989 versuchte die Universität, alles Politische aus dem Universitätsbetrieb herauszuhalten, doch würde damit nur eine Traumwelt kreiert werden und die Universität sich isolieren. Es müsse an der Universität eine Diskussionsebene geschaffen werden, in welchem auch die Traumata Ungarns (zB. Trianon) diskutiert werden können, die freie Rede müsse die Basis der Universität sein; das bessere Argument sollte siegen. Antisemitismus, so György, habe jedoch keine Argumente, da er eine grundsätzliche Ungleichheit der Menschen postuliere. Ausgehend von der Erwähnung der antisemitischen Aufkleber an der ELTE – im März d. J. waren Aufkleber mit dem Spruch „Juden! Die Universität gehört uns, nicht Euch“ am Lehrstuhl für Philologie der ELTE aufgetaucht –  stellten die Panelisten fest, dass es in der ungarischen Sprache keine Terminologie für „politisch korrekte“ Formulierungen gäbe und dass insgesamt in der ungarischen Gesellschaft in Bezug auf die Frage von Antisemitismus eine große Unsicherheit spürbar wäre. György mahnte ein, dass es aber auch die Verantwortung der Universitäten wäre, an einer solchen Sprache zu arbeiten. Brenner erklärte, dass die philologische Fakultät auf die Aufkleber reagiert hätte, dass aber die Schwierigkeit darin bestünde, dass unter den Historikern und Historikerinnen bis heute kein Konsens herrsche und dass erst die Begrifflichkeiten klar definiert werden müssten – erst wenn die Begriffe klar definiert wären, könne man sie diskutieren. Man müsse darüber hinaus in größeren Zusammenhängen denken – es ginge nicht nur um Antisemitismus, sondern um eine ganze Serie von Traumata in der ungarischen Geschichte. Die antisemitischen Aufkleber wären international außerdem in einem anderen Kontext präsentiert worden. György konterte, die Universität hätte sehr wohl Möglichkeiten, sich identitär zu positionieren, dies wäre nicht nur eine Frage der Forschung. An der Universität München würden Studierende beispielsweise täglich mit der Geschichte des Hauses konfrontiert (über die Geschwister Scholl), doch an der ELTE gäbe es nicht einmal eine Tafel, wo Opfer benannt werden würden. Die Studierenden sollten jedoch ab dem ersten Tag ihres Studiums sehen können, wo sich die Universität verortet und dass Nazismus in diesem Raum, der Universität, keinen Platz habe. Doch sei dies mit Arbeit verbunden und hier müsse in Ungarn noch Einiges geleistet werden. Die Universität würde bislang den Eindruck vermitteln, sich der Diskussion nicht stellen zu wollen, Universitäten hätten jedoch Vorbildfunktion und müssten mit gutem Beispiel vorangehen.

Darüber hinaus, so György weiter, sei „Jude“ in Ungarn eine Kategorie, die kontextbezogen definiert wird, es gibt immer wieder eine terminologische Trennung zwischen „Jude“ und „Ungar“. Es sei eine kontextuale Frage und bis die Gesellschaft diese nicht überwinde, bleibt es auch eine solche. Weitere diskutierte Themenfelder waren die Frage von universitären Curricula, die politischen wie ideologischen Verortungen von Professoren und Professorinnen, die Verantwortung der Lehrenden bei der Ausbildung der kommenden Generationen sowie die politischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Universitäten entwickeln können.

Zum Schluss hatte noch das Publikum, das sehr zahlreich erschienen war, die Möglichkeit, Fragen zu stellen bzw. Kommentare abzugeben, was auch eifrig genutzt wurde. Es war besonders erfreulich, dass sich auch viele Repräsentantinnen und Repräsentanten anderer Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen einfanden und sich in die angeregte Diskussion einbrachten.

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