Der Film mit dem Titel „Sprechen Sie Karpatendeutsch?“ wurde von der tschechisch-slowakischen Autorin und Regisseurin, Anna Grusková vorgestellt. Die Diskussion wurde von Orsolya Lénárt moderiert.
Die ZuschauerInnen des vom slowakischen Germanisten, Josef Tancer, konzipierten Dokumentarfilms wurden von Zeitzeugen aus den ehemaligen Siedlungsgebieten der sog. „Karpatendeutschen“ (ein am Anfang des 20. Jahrhundert von Raimund Friedrich Kaindl geprägter Begriff) durch ihre Sprache, Kultur und Geschichte geführt. Im ersten thematischen Teil des Films versuchten die FilmemacherInnen, das Sprachenprofil der Interviewpartner aufzuzeigen und baten sie darum, einiges in ihrer Mundart zu erzählen. Dadurch zeichnete sich eine vielfältige sprachliche Landkarte von der Region um Preßburg, vom Hauerland sowie von der Ober- und Unterzips ab. Das Publikum erhielt „Kostproben“ aus dem Mantakischen, eine Mundart in der Umgebung von Metzenseifen/Medzev (Unterzips), aus den Mundarten in Hopfgarten/ Chmel'nica und Dobschau/ Dobšiná, bzw. aus dem durch Wienerisch geprägten Preßburger Deutsch. Die ProtagonistInnen präsentierten die reiche Tanz- und Musikkultur genauso, wie die Architektur, Gastronomie und Brauchtum ihrer engeren Heimat.
In der zweiten thematischen Einheit wurde die dramatische Geschichte des Karpatendeutschtums im bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg geschildert, als der Großteil der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei im Sinne des Potsdamer Abkommens und des sog. Beneš-Dekrets an Staatsbürgerschaft verloren, enteignet und „evakuiert“ wurde. Die Interviewpartner gingen der Frage nach, wie dieses (erschütternde) Schlüsselereignis ihr individuelles sowie kollektives Schicksal prägte, wie sie damit in ihrem Alltag umgingen und wie es ihren Sprachgebrauch beeinträchtigte.
In der anschließenden Diskussion wurden auch die heutige Lage der karpatendeutschen Mundarten und die Frage der Verwendung der deutschen Muttersprache in der Slowakei in den Mittelpunkt gestellt. Die Zahl der Sprecher nimmt ja drastisch ab und ihr Durchschnittsalter wird entsprechend immer höher. Nach 1945 ist nämlich eine (oder sind sogar mehrere) stumme Generation(en) aufgewachsen, die sich nicht einmal zu Hause getraut haben, das Deutsche zu verwenden und die Sprache an ihre Kinder und Enkel weiterzugeben. Demzufolge zeichnete dieser Dokumentarfilm vielleicht die letzten Sprachdenkmäler des Karpatendeutschtums auf.
Die Veranstaltung wurde durch eine lebhafte Diskussion mit dem interessierten Publikum und mit einem kleinen Empfang abgerundet. Der Lehrstuhl für Kulturwissenschaften freut sich, die Erstaufführung des Filmes in Ungarn organisiert haben zu dürfen und bedankt sich an dieser Stelle bei den Filmemachern für die Bereitstellung der Aufnahmen und für das Gespräch mit Regisseurin Anna Grusková.
Orsolya LÉNÁRT