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Politischer Extremismus und Populismus im Web
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „E-Governance – mehr Qualität staatlicher Leistungen durch neue Technologie?”

Am 17. April 2013 fand im Rahmen der von der Fakultät für Internationale Beziehungen und dem Donau-Institut für Interdisziplinäre Forschung ausgerichteten Ringvorlesung zum Thema E-Governance ein Vortrag von Melanie Barlai, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin des Donau-Instituts sowie des Netzwerks Politische Kommunikation (netPOL) zum Thema "Politischer Extremismus und Populismus in Europa - Fester Bestandteil einer E-Öffentlichkeit? FPÖ und Jobbik im Web - ein Vergleich" statt.

Zu Frau Barlais Forschungsschwerpunkten gehört u.a. der politische Extremismus im WEB 2.0. In ihrem Vortrag gab sie einen aufschlussreichen und interessanten Einblick in den Umgang rechtspopulistischer bzw. –extremer Parteien mit sozialen Netzwerken am Beispiel der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) sowie der „Jobbik Magyarországért Mozgalom“ (zu deutsch: „Bewegung für ein besseres Ungarn“; Jobbik).

Rechtspopulismus in seiner heutigen Form, so Frau Barlai, sei kein singuläres, sondern ein europaweites Phänomen, dessen Erfolg nicht vom Siegeszug moderner Kommunikationsmittel und insbesondere sozialer Netzwerke zu trennen sei. Rechtspopulisten bzw. –Extremisten seien die ersten Gruppierungen und Parteien gewesen, welche die Möglichkeiten der neuen Medien erkannt und für sich genutzt hätten.

Nach einer Bestimmung der Begriffe „Populismus“ und „Rechtsextremismus“ ging Frau Barlai zunächst kurz auf das allgemeine statistische Webprofil der Populisten in Europa ein. Der britische Think Tank DEMOS hätte demnach in einer Untersuchung von Online-Anhängern 14 westeuropäischer populistischer Parteien herausgefunden, dass im Durchschnitt 63% dieser Anhänger unter 30 Jahre alt und länderübergreifend zu drei Vierteln männlich sei. Ein Drittel der Anhängerschaft bestand aus Studierenden; 14% der Befragten gingen nicht einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Nur 20% der Befragten hätten Vertrauen zur eigenen Nationalregierung gezeigt. Zudem hätte eine Mehrheit Immigration und Islamismus als nationales Hauptproblem charakterisiert.

Gestützt auf diese allgemeine Analyse ging Frau Barlai anschließend auf die Nutzung v.a. des sozialen Netzwerkes Facebook durch die FPÖ und Jobbik ein. Dabei hätte sich gezeigt, dass entgegen der vorherrschenden Meinung diese rechtspopulistischen bzw. –extremen Parteien nicht primär den ärmeren, ungebildeten und arbeitslosen Teil der Bevölkerung anspreche, sondern ihre über das Internet mobilisierte Anhängerschaft v.a. jung, gebildet und – besonders im Falle der Jobbik – enttäuscht vom vorgefundenen politischen System sei.

Beide Parteien könnten, so Frau Barlai weiter, in dieser Hinsicht als Vorzeigemodell für die Nutzung sozialer Netzwerkes durch politische Parteien in Europa angesehen werden. Die FPÖ hätte insbesondere durch die Facebook-Seite des Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache eindeutig einen neuen Weg der Kommunikation mit ihren Anhängern und der Bevölkerung gefunden. Das Aufgreifen und Einbinden der Bedürfnisse und sozialen Belange der Bürger in die tägliche Kommunikation über Facebook, insbesondere aber auch die häufigen Aktualisierungen und Statusmeldungen ermöglichte hier eine ernorm schnelle, direkte und ungebundene Ansprache der eigenen bzw. potenziellen Wählerschaft.

Ähnlich sei der Fall Jobbik in Ungarn. Die heute drittstärkste Kraft im ungarischen Parlament habe als Erstes erkannt, dass sie die meisten Anhänger über das Internet gewinnen könne. Entsprechend effektiv sei ihre Nutzung nicht nur der Plattform Facebook: Die Partei nutze das Internet auch aktiv zur Verbindung mit gleich gesinnten Musikern, Verbänden und Freizeitgruppierungen und baue so ein Netzwerk mit ernormen Potenzial, neue Nutzer und Anhänger zu erreichen, auf.

Die von FPÖ und Jobbik vorgelebte Art und Weise der Nutzung sozialer Netzwerke werde inzwischen auch von anderen Parteien und Politikern aufgenommen. So biete etwa auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán der Bevölkerung über seine Facebook-Präsenz direkte Einsicht in sein Leben und damit seinen (potenziellen) Anhängern einen völlig neuen, jedoch personalisierten und auf Schlagworte reduzierten Zugang zu seiner Politik.

Abschließend erfolgte eine Diskussion des Themas, die auch Aspekte außerhalb der E-Governance aufgriff. Das Fazit des Vortrages lautete, dass es den rechtspopulistische bzw. – extremen Parteien FPÖ und Jobbik gelungen sei, durch Online-Mobilisierung massiv Anhänger auf ihre Seite zu ziehen. Dieser subkulturelle Extremismus, welcher zumindest in Ungarn als Produkt der Posttransformation anzusehen sei, sei immer mehr als ernste Gefahren der Demokratie zu betrachten. Offen bleibt dabei, ob die beschriebene Online-Mobilisierung nicht nur eines der besten Instrumente ist, parteipolitische Anhänger anzuziehen, sondern auch als Werkzeug zur Rettung der Demokratie einsetzbar ist.

Text: Réka Szentivány

Die Veranstaltung wurde vom Projekt TÁMOP-4.2.2/B-10/1-2010-0015 unterstützt.

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