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Politikwissenschaft und gesellschaftspolitisches Engagement in Österreich
1. Symposium im Rahmen der neugeschaffenen „Bertha von Suttner Reihe zur Politikwissenschaft“

Veranstaltet wurde das Symposium von der Fakultät für Internationale Beziehungen der Andrássy Universität Budapest und dem Österreichischen Kulturforum Budapest, in Kooperation mit dem Institut für Politikwissenschaft – Universität Innsbruck, der Gesellschaft für Politische Aufklärung und des Institutes für Konfliktforschung – Wien Univ. Prof. Dr. Anton Pelinka.

Der österreichische Botschafter Dr. Michael Zimmermann eröffnete am Mittwoch, den 2. Mai 2012, das erste Symposium der „Berta von Suttner Reihe zur Politikwissenschaft“ an der Andrássy Universität. Dr. Ellen Bos, Leiterin des Donau Institutes und Dr. Zoltán Tibor Pállinger, Dekan der Fakultät für Internationale Beziehungen, moderierten die Veranstaltung. Zahlreiche interessierte Hörer wohnten dem Auftakt dieser neu geschaffenen Reihe bei. Im Zentrum der Veranstaltung stand das Wirken von Prof. Anton Pelinka, dem international renommierten österreichischen Politikwissenschaftler, der kürzlich seinen 70. Geburtstag feierte. Erweitertes Ziel der Veranstaltung war es, den Zuhörern die Entwicklung, Hintergründe und Zusammenhänge zwischen der Bewältigung historischer Traumata und humanitären wie wirtschaftlichen Fortschritten im Österreich der Nachkriegszeit bis heute nahezubringen.

Dr. Reinhold Gärtner, Dr. Richard Hussl, Dr. Erika Thurner von der Universität Innsbruck, Dr. Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung aus Wien und Dr. Sàndor Kurtan von der Corvinus Universität Budapest lieferten dazu interessante Beiträge. Daie Auseinandersetzung mit den Folgen des Nationalsozialismus verlief in Österreich auf ganz eigene Art und Weise: Verdrängung, ein mehr oder weniger latentes Gefühl der Mitschuld, gleichzeitiges Verstecken und Verneinen und die sog. Opfertheorie kennzeichnen die Entwicklung der unmittelbar darauffolgenden Jahrzehnte. Man war bemüht das Image Österreichs nach außen in der Welt zu verbessern. Oper, Musik, Wintersport und nicht zuletzt auch 1956, die Ungarnkrise, boten dazu willkommene Gelegenheiten. Nach Innen war man gewillt, den Staat mit allen Mitteln wiederaufzubauen. Unter den Tisch gefallen (Stichwort: Verdrängung) sind dabei jedoch die Opfer des Nationalsozialismus: Juden, Klerikale, Roma/Sinti, Homosexuelle, Behinderte, Intellektuelle und Politiker gegnerischer Parteien. Das meist den Juden gehörende sog. arisierte Vermögen blieb in der Regel in den Händen derer, die sich daran unrechtmäßig bereichert hatten. Das waren teils Privatpersonen, oft aber auch staatliche Einrichtungen wie Museen. Anton Pelinka gehörte zu jener zunächst kleinen Gruppe österreichischer Wissenschaftler die erkannt hatten, dass es hier nicht nur eine Frage von Ethik und Moral ging, sondern, dass Selbstkritik und Einsicht in die Geschehnisse, vor allem aber die Übernahme von Verantwortung die Voraussetzung für jede gesellschaftliche Modernisierung darstellt. Prof. Anton Pelinka, der heute an der CEU in Budapest lehrt, ist wahrscheinlich der wichtigste Repräsentant Österreichs, wenn es um die Etablierung und Entwicklung Politischer Bildung in den Schulen sowie die Aufarbeitung der NS-Geschichte in all ihren Facetten und vor allem auch der österreichischen Beteiligung daran geht. Seine Interventionen hinsichtlich der Restitutionen an die Opfer, seine öffentlichen und juristischen Konfrontationen mit Jörg Haider und seine politischen Analysen die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, haben ihn zu einem bestimmenden Faktor und gleichzeitig zu einem der bekanntesten Persönlichkeiten in Österreich gemacht.

An der Andrássy Universität Budapest präsentierte Richard Hussl zunächst Biographisches – mit der Schlussbemerkung, dass Pelinka in einem der Seminare, die Hussl als Student in den späten 1970er Jahren besuchte hatte, bereits das Ende der kommunistischen Systeme innerhalb des nächsten Jahrzehnts prognostizierte. Zu deutlich würden Vergleichsfaktoren – wie etwa die katastrophale wirtschaftliche Lage der UdSSR und der anderen COMECON Länder – darauf hinweisen. Erika Thurner zeichnete Pelinkas Rolle in der Gesellschaft für politische Aufklärung nach; einem Verein österreichischer Prominenter aus unterschiedlichen beruflichen Disziplinen (z.B: Wissenschaft, Journalismus, Kunst), die sich seit 1982 beharrlich gegen rechtsextreme und neonazistische Tendenzen und damit für mehr Demokratie in Österreich einsetzen. Pelinka war von 1982 – 2006 Vorsitzender der Gesellschaft gewesen. Birgitt Haller beschrieb ein anderes Kapitel aus Pelinkas wissenschaftlicher Karriere, seine Tätigkeit am Wiener Institut für Konfliktforschung, das er seit mehr als 20 Jahren leitet. Im zweiten Teil lieferte Sándor Kurtán einen Vergleich der Vergangenheitsbewältigung in Ungarn und in Österreich – er verwies auch deutlich auf die unterschiedliche Vergangenheit der beiden Länder und den daraus resultierenden unterschiedlichen Umgang. Reinhold Gärtner referierte über zwei Gerichtsverfahren gegen Anton Pelinka – zum einen, als Pelinka (zu Recht, wie der zuständige Richter in letzter Instanz entschied) den NS-Bürgermeister von Innsbruck als „prominenten Täter des Jahres 1938“ und damit als Mitverantwortlichen der Verbrechen des Novemberpogroms in Innsbruck bezeichnet hatte. Im zweiten Fall ging es um eine Klage Jörg Haiders gegen Pelinka. Pelinka hatte Haider eine gewisse Nähe zu nationalsozialistischen Gedankengut attestiert – und auch hier wurde Pelinka freigesprochen. In seinem abschließenden Beitrag ging schließlich Pelinka selbst auf Aspekte der aktuellen Politik in Ungarn und Österreich ein – mit einem sehr aufschlussreichen und analytisch brillanten Kommentar über seine Erfahrungen in diesen beiden Ländern.

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