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Podiumsdiskussion und interdisziplinärer Workshop der DAAD-Alumni
Die Europäische Union zwischen Euro-Krise und Erweiterung: Von der "immer engeren Union" zu differenzierter Integration?

Am 20. und 21. September 2012 veranstaltete die Andrássy Universität Budapest (AUB) einen interdisziplinären EU-Workshop. Der Workshop wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) organisiert und nahm sich die aktuelle Lage der Europäischen Union zum Thema. Ausgehend von der Idee eines geeinten Europas – lange Zeit in Deutschland und bei seinen Nachbarn gesellschaftlich konsensfähig – behandelte die Veranstaltung alternative Konzepte der Europapolitik wie die differenzierte Integration.

Im Festetics Palais der AUB versammelten sich Wissenschaftlicher, ehemalige DAAD-Stipendiaten und Doktoranden, um sich zu diesem hochaktuellen Thema auszutauschen. Der interdisziplinäre Workshop problematisierte die Konsequenzen differenzierter Integration für die Dynamiken und Prozesse innerhalb und außerhalb der EU. Wie kann man differenzierte Integration konzeptionell erfassen? In welchen Bereichen beobachten wir Differenzierung? Welche Erklärungen können wir für differenzierte Integration anführen? Die Veranstaltung gab den teilnehmenden DAAD-Alumni und Doktoranden die Möglichkeit, mit Referenten aus der Praxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diese Entwicklungen – und ihre Auswirkungen – zu diskutieren.

Das Programm begann am Donnerstagabend mit einer Podiumsdiskussion im Spiegelsaal. Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Christoph Schnellbach stellte die Leiterin der AUB-Doktorschule, Prof. Dr. Ellen Bos, die Podiumsteilnehmer vor und führte in das spannende und komplexe Thema ein. Dr. Nicolai von Ondarza von der Europa Universität Viadrina/ Stiftung Wissenschaft und Politik hielt einen Vortrag zum Thema „Differenzierte Integration in der Schuldenkrise: Der neue Modus Operandi der europäischen Integration?“. Anschließend vertiefte Dr. Christoph Schnellbach von der AUB/ LMU München den Zusammenhang zwischen EU-Erweiterung und differenzierter Integration mit einer Präsentation zu den historischen und zukünftigen Erweiterungen der EU. Die beiden Vorträge wurden von Dr. István Hegedűs, dem Vorsitzenden der Ungarischen Europa-Gesellschaft und ehemaligem Abgeordneten des ungarischen Parlaments, reflektiert. Nach zahlreichen Kommentaren innerhalb des Podiums wurde die Diskussion für das Publikum geöffnet, welches sich mit diversen Fragen und Beiträgen rege an der Debatte beteiligte. Ein Empfang lud noch zu weiteren angeregten Gesprächen in den Räumlichkeiten des Festetics Palais ein.

Am Freitag, 21. September, begann um 9:30 Uhr unter Leitung von Dr. Christoph Schnellbach der interdisziplinäre Workshop. Neben DAAD-Alumni und externen Referenten nahmen auch Doktoranden des Ph.D.-Programms der AUB teil. Das erste Panel wurde von Dr. Nicolai von Ondarza mit einer ausführlichen Präsentation zu den „Konzepten und Formen der differenzierten Integration“ eröffnet. Hierbei wurden die wesentlichen Dimensionen der differenzierten Integration aufgezeigt (Zeit, Raum, Inhalt und Struktur) und mit aktuellen Beispielen – etwa der „verstärkten Zusammenarbeit“ im Rahmen der EU – belegt. Das zweite Panel befasste sich mit differenzierter Integration in der Geschichte der EU. Sabrina Kirschner von der RWTH Aachen sprach zum „Aachener Karlspreis und dessen Beitrag zur europäischen Integration“. Philipp Karl von der AUB zeigte die Vor- und Nachteile der differenzierten Integration in der Geschichte der europäischen Integration am Beispiel der Justiz- und Innenpolitik. Das dritte Panel zur wirtschaftlichen und sozialen Integration begann mit einem Vortrag über die „Erweiterungs- und Aufnahmefähigkeit der EU“ von Tatiana Romanova des Stolypin Wolga-Instituts für Verwaltung (Saratow). Dabei wurde eine interessante (Außen-)Perspektive auf die aktuellen Geschehnisse im Rahmen der Eurokrise präsentiert. Lazim Ahmedi, Doktorand an der AUB, rundete die Vormittagssitzung mit einem Beitrag zur „(verdrängten) islamischen Seite der EU“ ab.

Die Nachmittagssitzung zur politischen Integration beschäftigte sich mit der inneren und äußeren Dimension der differenzierten Integration. Der Schwerpunkt lag zunächst auf dem Beitrittskandidaten Kroatien: Andrea Pecnik aus Rostock kommentierte den bevorstehenden EU Beitritt des Westbalkanstaates. Anschließend stellte Anika Schachtschneider ihr Forschungsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum „EUropabild in den kroatischen Präsidentschaftsreden Stjepan Mesićs und Ivo Josipovićs“ vor. Mit den östlichen Partnerländern befassten sich die darauf folgenden Beiträge. Mariia Shagina von der Universität Luzern erörterte den Einfluss der EU auf ukrainische Parteipolitik zwischen Europäisierung und Demokratisierung. Oleksandr Svyetlov, Research Fellow an der Universität Göteborg, hielt ebenfalls einen Vortrag zur Ukraine mit dem Titel: “What makes Ukraine different? Perception- and policy- related factors in the context of EU-Ukraine relations“. Ergänzt wurde die Sitzung zur externen Dimension mit einem Referat von Vitali Bahdanau der FU Berlin zur differenzierten Integration als Chance für Belarus.

Im Panel zur (europa)rechtlichen Integration stellte Judit Klein mit ihrem Vortrag „Die EU und die Minderheiten“ ein Themengebiet vor, welches einen Forschungsschwerpunkt an der Doktorschule der AUB darstellt. In der anschließenden Diskussion ging sie auch auf aktuelle Entwicklungen in Ungarn bezüglich der Minderheitenpolitik ein. Nachfolgend referierte Dr. Christoph Schnellbach über die differenzierte Integration der EU-Minderheitenpolitik. Dabei untersuchte er dieses Politikfeld an den Beispielen Antidiskriminierung, Roma-Politik und besondere Rechte für Minderheiten. In jedem dieser Problemkomplexe haben sich regionale Regime herausgebildet – die sich auch mit dem Modell der differenzierten Integration erklären lassen.

Die Veranstaltung wurde am Abend mit einer Abschlussdiskussion abgerundet. Die Workshopteilnehmer erörterten, ob differenzierte Integration als Gefahr oder Chance für den europäischen Einigungsprozess zu sehen ist. Es wurden unterschiedliche Positionen ausgetauscht, Konsens herrschte jedoch darüber, dass differenzierte Integration in der Realität der EU bereits angekommen ist. Besonders in der Krise sollte die differenzierte Integration eher als Chance beziehungsweise als Weg aus der institutionellen (Selbst-)Blockade der EU gesehen werden. Dabei müssten auch Anreize für nicht-teilnehmende Staaten für weitere Integrationsschritte geschaffen werden, um wichtige Unionsziele aufrechtzuerhalten. Dennoch sind die Risiken einer zu starken räumlichen Differenzierung für den Zusammenhalt der Staaten in der EU nicht von der Hand zu weisen.

Die Alumnimaßnahme wurde vom DAAD mit Mitteln des Auswärtigen Amtes (AA) gefördert.

Dr. Christoph Schnellbach

 

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