Am 17. März 2014 hielt Prof. Dr. Harald Kleinschmidt an der Andrássy Universität einen von der Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften organisierten Gastvortrag zum Thema „Wie neu sind die ‚Neuen Kriege‘? - Kriegstheorien und Kriegsdiskurse im langen 20. Jahrhundert“. Das Thema zog zahlreiche interessierte Zuhörer an.
Prof. Dr. Harald Kleinschmidt ist seit 1989 Professor für Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Tsukuba (Japan) und Gastdozent an der International University of Japan. Er schrieb zahlreiche Bücher über die verschiedenen Aspekte des Völkerrechts und der Internationalen Beziehungen, das bekannteste von ihnen ist die bei Reclam veröffentlichte Geschichte der Internationalen Beziehungen.
Im Mittelpunkt von Prof. Kleinschmidts Vortrag standen der Kriegsbegriff von Carl von Clausewitz und die völkerrechtlichen Regeln des Krieges. Prof. Kleinschmidt suchte dabei die Antwort auf die Frage, ob die „neuen Kriege“ wirklich „neu“ sind. Um diese Frage beantworten zu können, ging Kleinschmidt auf die so genannten „kleinen Kriege“ ein – eine Kriegsart, die bereits durch von Clausewitz thematisiert wurde. Von Clausewitz bezeichnete mit diesem Begriff kleine Gruppen, die innerhalb der regulären Kampftruppen existierten und einen Nebenkrieg führen sollten. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien verwendet. Im 20. Jahrhundert war die Zeit der „totalen“ Kriege. Die kleinen Kriege verschwanden langsam, damit änderte sich im 20. Jahrhundert auch der Kriegsbegriff: Laut Völkerrecht kann nur ein Staat Krieg führen. Laut Prof. Kleinschmidt stellt sich einerseits die Frage, ob dies der Realität entspricht, andererseits stellt sich die Frage nach der Rolle von Aufständischen und Terrororganisationen im System des Völkerrechts.
Prof. Kleinschmidt kam in seinen Betrachtungen zu der Schlussfolgerung, dass die „neuen Kriege“ als solche nicht vollkommen neu sind, sondern dass ihre Irregularität neu ist. „Reguläre“ Kriege werden mit offiziellen Truppen (Kombattanten, haftbare Führung, Verantwortlichkeit der Regierung) zwischen zwei oder mehreren Staaten geführt. Demgegenüber werden „irreguläre“ Kriege nicht unbedingt zwischen zwei Staaten geführt. Die Truppen sind unabhängig von den Regierungen und kämpfen bspw. für ein anderes politischen System oder Wirtschaftssystem und genießen möglicherweise auch nicht die Unterstützung der Bevölkerung. Ein Beispiel hierfür können Guerillabewegungen sein.
Heute gibt es ca. 7000-8000 Konflikte in der Welt. Zwar hat sich die Konflikt- bzw. Kriegssituation insofern verändert, als Guerillabewegungen oder Terrororganisationen neue Akteure in diesen Konflikten sind. Doch der internationalen Gemeinschaft stehen zur Konfliktlösung nach wie vor nur die „alten“ Regelungen des Völkerrechts zur Verfügung. Damit besteht laut Prof. Kleinschmidt die Gefahr, dass ohne passende Lösungsmittel die Konflikte sich verschärfen und unlösbarer werden könnten.
Am Ende des Vortrags hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Fragen richteten sich auf die Grenzen eines Krieges, den Souveränitätsbegriff und auch auf die Menschenrechte. Insgesamt fand im Rahmen des Vortrags ein sehr anregender Austausch statt – Prof. Dr. Harald Kleinschmidt sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt!
Text: Szilvia Hénap