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Nationbuilding auf österreichisch nach dem Zweiten Weltkrieg
Fakultät für Mitteleuropäische Studien

Am 12. März 2014 luden die Fakultät für Mitteleuropäische Studien (MES) sowie das Österreichische Kulturforum Budapest (ÖKF) zum Abendvortrag von Dekan Georg Kastner zum Thema „Nationbuilding auf ‚österreichisch’ nach dem Zweiten Weltkrieg“ ein. Die Veranstaltung bildete den Auftakt der von der Fakultät MES gemeinsam mit dem ÖKF organisierten Vortragsreihe „Österreich-Ungarn 1914-2014“, im Zuge derer bedeutende Querschnittsthemen in der Geschichte der beiden Nachbarstaaten in den zurückliegenden 100 Jahren angesprochen und analysiert werden.

Kastner verwies in seinen einleitenden Ausführungen auf die besondere Bedeutung des 12. März in der Geschichte der Republik, endete doch an diesem Tag im Jahr 1938 die Eigenständigkeit Österreichs, ein Umstand, der augenscheinlich von nur wenigen Personen bedauert wurde. Ausgehend von „Schlüsseljahren“ in der österreichischen Geschichte legte Kastner anschließend den historischen Werdegang des Landes dar, das sich im Jahr 1918 „auf einen kümmerlichen Rest reduziert und wider Willen zur Eigenständigkeit verdammt sah, untersagten doch die Pariser Friedensverträge den von vielen gewünschten Anschluss an das Deutsche Reich. Der Versuch, ein österreichisches Nationalbewusstsein zu schaffen, sei erst ab 1933 unternommen worden, um auf diese Weise einen Gegenpol zu Hitlerdeutschland zu schaffen, wenn auch mit geringem Erfolg. Im Zweiten Weltkrieg, der den Österreicherinnen und Österreichern ihre Zuneigung zu Deutschland nachhaltig ausgetrieben habe, sei auf Seiten der Alliierten bereits früh, sprich noch vor der Moskauer Deklaration, die Entscheidung gefallen, nach der Niederwerfung Hitlerdeutschlands die Souveränität Österreichs wiederherzustellen, was im Mai 1945 tatsächlich auch erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt, so Kastner, seien die österreichischen Politiker vor der Frage gestanden, wie man die wiederhergestellte Nation definieren und inwieweit man die historischen Wurzeln des Staates anknüpfen wolle. Aufgrund der immer noch präsenten Erinnerungen an den unglücklichen Verlauf der jüngeren Geschichte habe man sich schließlich entschlossen, einen vollkommenen Neuanfang zu versuchen, wobei sich das Land bewusst als „Kulturnation“ und weniger als „Staatsnation“ verstand und definierte. Kastner verwies in diesem Zusammenhang vor allem auf die Inszenierung Österreichs als Land der schönen Künste und der Kultur, wobei die in diesem Zusammenhang transportierten Bilder wiederholt Bezüge zur weiter zurückliegenden, „schönen“ Vergangenheit abseits von Krieg und politischen Auseinandersetzungen hergestellt hätten. Im Laufe der Zeit auch eine Art populärer Gegenentwurf zu dem von staatlicher Seite verordneten, der Eigendefinition des Staates dienenden Kulturprogramm entwickelt, das ebenso entscheidend zur Bildung eines „Österreichbewusstseines“ beigetragen habe. Kastner verwies in diesem Zusammenhang auf verschiedene Beispiele aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik, jedoch auch auf verschiedene sportliche Ereignisse, die gleichfalls zur Stärkung des nationalen Selbstbewusstseins beigetragen hätten. Die Frage ob es sich bei Österreich heute um eine politische Nation oder eine Kulturnation handle sei schwierig zu beantworten. So habe zwar einerseits die Bedeutung der spezifisch österreichischen Populärkultur in den letzten Jahren stark abgenommen, gleichzeitig habe sich jedoch auch der politische Diskurs, der seinerzeit einer Definition Österreichs als politische Nation im Wege gestanden sei, weitgehend geändert. Mit Deutschnationalismus alleine, so Kastner in seinem Resümee, gewinne man keine Wahlen mehr, viel mehr habe sich Österreich heute erfolgreich sowohl als Kulturnation als auch als Staatsnation etabliert.

Dem Vortrag schloss sich eine rege Diskussion zwischen Kastner und dem zahlreich anwesenden Publikum zu Fragen der österreichischen Geschichte sowie zum Nationbuilding in Mitteleuropa im 20. Jahrhundert an.

 

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