Eingangs betonte Prof. Dr. Hendrik Hansen, Prorektor der Andrássy Universität Budapest (AUB), dass zeitgenössische demokratische Gesellschaftssysteme in Zeiten des Populismus mit neuartige Herausforderungen konfrontiert seien. Es bedürfe einer umfangreichen historischen Betrachtung, um ein Verständnis für die Funktionsweisen gegenwärtiger politischer Systeme entwickeln zu können. Im Anschluss unterstrich Dr. Ferdinand Trauttmansdorff, Leiter des Lehrstuhls für Diplomatie I an der AUB, die Notwendigkeit für eine neue Ausdrucksweise bei der Kritik am Staat Israel, die frei von Antisemitismus sein müsse.
Porat skizzierte in ihrer Vorlesung am 09. November 2016 zum Thema „Legitimate criticism of Israel and its Government and Anti-Semitism - a thin line?“ drei Anschuldigungen an Israel, die sie anhand eines Drei-Schritt-Modells untersuchte, bei dem sie die Herkunft bzw. den Entstehungskontext der Anschuldigung, deren Wahrheitsgehalt sowie die Beantwortung der Frage, ob ein antisemitischer Grundzug vorliege, analysierte. Im Allgemeinen sei Kritik an Israel nur dann angemessen, wenn darin ein bestimmtes Ereignis, mit bestimmten Personen, zu einer bestimmten Zeit wertfrei thematisiert werde, so Porat.
Als erste Bezichtigung beschrieb sie den Sachverhalt, dass Israel den Holocaust für politische Zwecke instrumentalisiere. Dies sei ihrer Auffassung nach eine korrekte Unterstellung. Insbesondere nach dem 2. Weltkrieg seien viele junge Überlebende nach Israel gezogen, wodurch der Grundstein dafür gelegt wurde, dass auch im 21. Jahrhundert authentische Gefühle der Angst vor einer Wiederholung der Geschichte vorlägen. Ferner könne man diese Beschuldigung nicht dem Antisemitismus zuordnen. Dies sei nur der Fall, wenn im gleichen Zuge der Holocaust geleugnet werde.
Sodann erläuterte Porat die Anschuldigung, dass Israel die Menschenrechte verletze. Die Referentin stellte klar, dass diese Aussage nicht verneint werden könne, betonte aber gleichzeitig die Existenz eines stabilen Rechtssystems in Israel und dass dieser Vorwurf meistens von einer Vielzahl arabischen Staaten in Gremien wie den Vereinten Nationen geäußert werden würde. Sie beschrieb den Mittleren Osten als einen Ort der Tragödie, an dem die Menschenrechte alltäglich in einem enormen Ausmaß verletzt werden würden. Der Vorwurf an Israel diene aber auch häufig der Ausgrenzung auf internationaler Ebene. Laut Porat sei Ausgrenzung eine Komponente von Antisemitismus, jedoch ließ sie die Frage offen, ob an dieser Stelle auch generell von Antisemitismus die Rede sein könne.
Abschließend wurde eine Verschwörungstheorie thematisiert, die der israelischen Regierung bzw. ihrem Geheimdienst Mossad die Rolle einer „dunklen, geheimen und bösen Macht“ zuschreibt, die hinter den Kulissen nach Eroberung und Dominanz trachteten. Dieser eindeutig antisemitische Vorwurf ließe sich durch die Ignoranz gegenüber historischen und realpolitischen Fakten erklären, schloss Porat.
Text: Bálint Lengyel