Am 4. April 2019 besuchte die Strafrechtsexpertin der Universität Szeged und Honorarkonsulin Österreichs, Prof. Dr. Krisztina Karsai, die Andrássy Universität, um einen Vortrag über Korruption und die Mittel ihrer Bekämpfung zu halten.
Sie begann ihren interaktiven Vortrag zunächst damit, Korruption als „Missbrauch eines öffentlichen Amtes zu privatem Vorteil“ zu definieren und so von dem häufig synonym verwendeten, aber engeren Begriff Bestechung abzugrenzen.
Einigkeit bestehe darüber, dass Korruption ein Gemeinübel darstelle, das einer Gesellschaft großen Schaden zufügen und das Fundament eines Staats völlig aushöhlen könne, bis hin zur „capture of the state“. Deshalb müsse Korruption bestraft werden. Das aber sei schwierig.
Schon um Straftatbestände für Korruption präzise zu fassen, müsse man den gesellschaftlichen Konsens berücksichtigen und diesen mit der rechtlichen Abbildung kombinieren. So konnotiere Korruption eher den öffentlichen Sektor und weniger die freie Wirtschaft. Zwar gebe es hier wie da Bestechung und Vetternwirtschaft. Solange keine öffentlichen Gelder oder Positionen missbraucht werden, sei das öffentliche Interesse aber geringer und die Taten weniger geächtet. Die illegale Korruption vom legalen Lobbyismus abzugrenzen, sei zwar ebenfalls nicht einfach – jedoch fungiere hier die Grenze des Illegalen als Trennlinie, gemäß dem Leitmotiv „Wo Höflichkeit endet, beginnt Korruption.“ Karsai illustrierte ihren lebhaften Vortrag mit eindrücklichen Beispielen, in denen sich Akteure vom „Buffet der Gefälligkeiten“ bedienten. Zu deren Bewertung band sie die Gäste aktiv ein, diese nach dem Grad der Bedenklichkeit zu beurteilen: Wie beurteilen Sie einen Universitätsprofessor, der die Abschlussarbeit seiner eigenen Tochter bewertet, gegenüber einem Schuldirektor, der die Tochter seines Parteikameraden ohne jegliche Qualifikation fest anstellt oder einem Abgeordneten, der sich die Kosten seines privaten Familienurlaubs dienstlich erstatten lässt? Das Spektrum ist sehr vielfältig und jeder Einzelfall erfordert eine individuelle Würdigung.
Ein zweites großes Problem strafrechtlicher Verfolgung von Korruption wirft die Beweislage auf: die beiden beteiligten Seiten, der Korrumpierte und der Korrumpierende sind schuldig, aber nicht Opfer. Opfer im strafrechtlichen Sinne gebe es nicht, wohl aber im wirtschaftlichen Sinne. Sie haben vom Geschehen oft keine Ahnung. Die aktiven, strafbaren Parteien haben als einzige Zeugen ein Interesse daran, die Korruption geheim zu halten und Beweise zu vernichten. Ein essentiell wichtiges Mittel der Verfolgung von Korruption sei daher, bereits im Voraus verdeckte Ermittlungen durchzuführen. Anders sei es kaum möglich, Verfahren in Korruptionssachen erfolgreich abzuschließen.
In Ungarn, so führte Karsai aus, gibt es seit 2012 ein Strafgesetz, das Korruption breit und mit drastischen Strafdrohungen verfolgt. So sei theoretisch bereits das Angebot der Korruption, auch wenn es am Ende nicht zum Vollzug komme, strafbar. Verjährung trete in manchen Fällen erst nach 12 Jahren ein. Wer wegen Korruption verurteilt wird, steht unter der Beweislast, sein sämtliches Einkommen aus dem Zeitraum der Korruption als ordnungsgemäß nachzuweisen. Jede weitergehende Einkunft verfällt zugunsten des Staates. Leider kann die drastische Strafbarkeit im Kampf gegen die Korruption nicht sehr viel ausrichten, da sie nur dann ihre Wirkung entfalte, wenn tatsächlich einmal jemand zur Verurteilung kommt. Das liege auch daran, dass alle, die Korruption zur Anzeige bringen, ohne dass sich dies hinterher nachweisen lässt, selbst mit strafrechtlichen Ermittlungen wegen übler Nachrede, Persönlichkeitsverletzungen u.a. rechnen müssen. Hinzu kommen gesellschaftliche Usancen: Seit langem ist es üblich, Ärzten und Krankenhauspersonal im Vorhinein persönliche finanzielle Leistungen anzubieten und diese würden weithin selbstverständlich akzeptiert. Doch gebe es auch hier ein Umdenken, das Krankenhäuser in entsprechenden Hinweisschildern eindeutig verständlich machten.
So endete Karsai ihren Vortrag mit einem starken Appell, nie wegzusehen und auch keine Gefälligkeiten, und sei es nur Schokolade für einen Arzt, anzubieten. Ein großes Monster wie die Korruption sei nicht unverwundbar – aber um es zu Fall zu bringen, bedürfe es der Hilfe jedes Einzelnen.
Annabell KARSTEN, Marlene LIESKE