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Kasachstans Außenpolitik - Ein pragmatischer Spagat
Am 11. Mai 2021 sprachen Prof. Dr. Serik Beimenbetov und Dr. Sebastian Mayer von der Deutsch-Kasachischen Universität im Rahmen des IB Dialogs über die außenpolitischen Eigenheiten und Herausforderungen Kasachstans.

Gastgeber und Moderator Prof. Zoltán Pállinger begrüßte die kasachischen Kollegen an der Andrássy Universität, die, wie er betonte, eine Art Schwesterinstitution der Deutsch-Kasachischen Universität sei. Obwohl Prof. Beimenbetov und Dr. Mayer persönlich vor Ort waren, fand der Dialog pandemiebedingt online via Google Meet statt.

Die beiden Referenten eröffneten den Abend mit einem Überblick über die Eigenheiten und Herausforderungen der kasachischen Außenpolitik. Dr. Mayer erklärte, dass innenpolitische Faktoren auf Grund der autoritären politischen Tendenzen in Kasachstan eine wesentlich geringere Rolle in der Außenpolitik spielten als in liberalen Demokratien. Die Außenpolitik sei vielmehr personalisiert und in erheblichem Maße von Nursultan Nasarbajew, dem langjährigen Präsidenten nach der Unabhängigkeit des Landes, geprägt. Er schilderte, dass Kasachstan sich auf Grund seiner zentralen geografischen Lage in einem internationalen Spannungsfeld befände und deshalb eine multivektorielle Außenpolitik verfolge, also versuche ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zu allen internationalen Akteuren zu unterhalten. So lege die kasachische Regierung unter anderem großen Wert darauf, die eigene geografische Lage nicht im zentralasiatischen sondern vielmehr im eurasischen Raum zu verorten, um so die Beziehungen zu Europa zu betonen.

Professor Beimenbetov erklärte, dass Kasachstan sich deshalb auch bewusst als Mittelmacht positioniere, um nach dem Vorbild der Schweiz seine Nische zwischen den Großmächten auf dem internationalen Spielfeld zu finden. Dabei habe das Land den Vorteil, auf Grund seiner hohen Öl- und Gasvorkommnisse im regionalen Vergleich sehr wohlhabend und deshalb ein begehrter Handelspartner zu sein. Die Regierung positioniere sich zudem als neutraler Vermittler und zeige Führungsambitionen auf internationaler Ebene. So habe das Land beispielsweise beim Ukraine Krieg und dem Iran Atom Deal eine Mediatorrolle eingenommen und ergreife in vielen internationalen und regionalen Organisationen proaktiv Initiative.

Als große außenpolitische Herausforderungen für Kasachstan nannte Mayer Grenzstreitigkeiten mit russischen Nationalisten, die territoriale Ansprüche auf einige kasachische Gebiete entlang der mehr als 700km langen Grenze zu Russland geltend machten, da dort viele russischstämmige Menschen lebten. Auf chinesischer Seite bestehe die Problematik hingegen darin, dass kasachisch-stämmige Minderheiten in der menschenrechtlich problematischen Region Xinjiang lebten. Eine weitere Herausforderung sei der fehlende Zugang zu den Weltmeeren. So habe das Land enorme Transportkosten zu stemmen. Aus diesem Grund positioniere Kasachstan sich auch als wichtiger Protagonist der chinesischen Belt and Road Initiative. Die größte Herausforderung für Kasachstan bleibe aber der anspruchsvolle Spagat der pragmatischen Außenpolitik, so Beimenbetov, da die Balance jederzeit ins Wanken geraten könne, wenn sich die Konflikte zwischen den Großmächten weiter zuspitzten.

In der Diskussion mit den Teilnehmenden richtete sich der Fokus auf die Bedeutung von erneuerbaren Energien und Klimaschutz in Kasachstan. Beimenbetov berichtete, erneuerbare Energien machten aktuell nur etwa 2% des Energieverbrauchs aus, das Land habe sich jedoch das Ziel gesteckt diesen Anteil bis 2030 auf mindestens 30% zu erhöhen. Außerdem gebe es vor allem im akademischen Bereich Initiativen, da dort vermehrt klima- und umweltpolitische Studiengänge lanciert würden, um Expertinnen und Experten auszubilden. Auch an der Deutsch-Kasachischen Universität habe man einen entsprechenden Studiengang eingeführt. Mayer merkte an, dass Kasachstan in der zentralasiatischen Region zwar eine führende Rolle in umweltpolitischen Fragen einnehme, gemessen am internationalen Standard sei dieses Engagement jedoch als Symbolpolitik einzuordnen. Mayer betonte außerdem, ein verantwortungsbewusster Umgang mit den knappen Wasserressourcen sei in Kasachstan von zentraler Bedeutung. Hier müsse sich das Land ein Beispiel an Israel nehmen, das sehr gut mit seinen knappen Wasserreserven hauszuhalten wüsste. Beide Refernten waren sich einig, dass für eine effektive Klima- und Umweltpolitik in erster Linie institutionelle Strukturen ausgebaut werden müssten.

Insgesamt könne die pragmatische kasachische Außenpolitik angesichts der vielen Herausforderungen, denen das Land gegenüberstehe als durchaus positiv bewertet werden, so die Einschätzung der beiden Experten.

Laura BEURER

Bild: Prof. Dr. Zoltán Pállinger, Prof. Dr. Serik Beimenbetov, Dr. Sebastian Mayer, Dr. habil. Georg Trautnitz

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