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Informality, electoral and organizational clientelism in the East and the West of Europe
Am 31. März 2023 organisierte die AUB zusammen mit dem Democratic Institute der CEU und der NGO Unhack Democracy einen Workshop zum Thema: “Informality, electoral and organizational clientelism in the East and the West of Europe”.

image by Képszerkesztőség

Der Workshop setzte sich zum Ziel, durch die Analyse verschiedener informeller Interaktionen der politischen und wirtschaftlichen Akteure ein differenzierteres Bild des Demokratie-Abbaus in Europa aufzuzeigen. Die Organisatorinnen Edit Zgut (Akademie der Wissenschaften Polen) und Melani Barlai (AUB/Unhack Democracy) brachten Fachleute aus der Wissenschaft, aus dem Bereich des Journalismus und dem Zivilsektor mit dem Ziel zusammen, gemeinsam Empfehlungen für die Entwicklung wirksamer Gegenstrategien zu erarbeiten, welche geeignet sind, die verschiedenen Formen des Klientelismus in Organisationen und bei Wahlen zu verringern.

Demokratiequalität und die Qualität der Regierungsarbeit verschlechtern sich sowohl im Osten wie auch im Westen Europas. Hybride Regime in der postkommunistischen Region sind häufig Brutstätten des Wahlklientelismus und der klientelistischen Korruption. Inmitten der vielschichtigen Krisen, ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine, nutzen die politischen Akteure die legitimen Beschwerden von Randgruppen für sich, um ihre demokratieverzerrenden Wahlstrategien zu fördern. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges und der globalen Pandemie machen diese Gruppen anfälliger für (Zwangs-)Stimmenkauf und andere Formen der Manipulation der Wahlentscheidung. Obwohl es in Westeuropa keinen nachgewiesenen Wahlklientelismus gibt, berichten Studien dennoch über häufige Fälle von Parteipatronage, beispielsweise in Österreich, Italien und Griechenland (Kopecky et al. 2016; Treib 2012) sowie über administrative Unregelmäßigkeiten in Deutschland (Waldhoff 2021; Goerres&Frank 2018), die sich negativ auf die Integrität der Wahlen in diesen Ländern auswirken.

In ihrer Eröffnungsrede „Conditionality and Coercion: Electoral clientelism in Eastern Europe“ nahm Isabela Mares (Yale University) zunächst eine begriffliche Klärung des Wählerinnen-Klientelismus vor und warnte vor einer begrifflichen Überdehnung dieses Phänomens. Im empirischen Teil ihres Vortrags behandelte sie die beispielsweise in Ungarn zu beobachtenden wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen WählerInnen und Gewählten auf lokaler Ebene. Diese führen bei Wahlen häufig zu von der politischen Elite angewandten „Zwangsstrategien“, die darauf abzielen, WählerInnen bei ihrer Wahlentscheidung zu konditionalisieren. In ihrer Konklusion betonte Mares, dass die langanhaltenden Abhängigkeiten der WählerInnen es schwierig machen, das klientelistische Angebot der herrschenden Elite abzulehnen. Zudem fehle es an der Autonomie der WählerInnen, sich gegen die Zwangsstrategien zu wehren.

 

Die Integrität der Wahlen ist jedoch nicht nur durch Wahlklientelismus bedroht. Auch zwischen den Wahlen wird das „Spielfeld“ von politischen und wirtschaftlichen Akteuren durch Organisationsklientelismus stark verzerrt. Der Missbrauch öffentlicher Gelder, die Vereinnahmung der Medien und die politische und wirtschaftliche Monopolisierung des Staates wirken sich negativ auf die Fairness der Wahlen aus.

Nach den Eröffnungsreden des Rektors der AUB, Zoltán Tibor Pállinger, des Leiters des CEU Democracy Institutes, László Bruszt, und von Edit Zgut-Przybylska (IFIS PAN/CEU DI) ging es im ersten Panel um das Problem der "Informality, Electoral Clientelism and Clientelist Corruption in Illiberal Regimes: Poland and Hungary”. Laut globalen Demokratieindizes haben Ungarn und Polen die weitreichendste Aushöhlung der Demokratie in der Europäischen Union erlebt, seit Fidesz 2010 und Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit 2015 ihren autoritären Umbau begonnen haben.  Ziel des Panels war es, ein nuancierteres Bild des demokratischen Abbaus zu zeichnen, indem verschiedene informelle Interaktionen der politischen und wirtschaftlichen Akteure in Ungarn und Polen analysiert wurden. András Jakab (PLUS) kontextualisierte die Informalität im rechtlichen und verfassungsrechtlichen Rahmen in Ungarn und argumentierte, dass das von Viktor Orbán errichtete Regime nicht allein im Hinblick auf seine Verfassungskonformität charakterisiert werden kann. Denn die ungarische Regierung erlässt zwar Gesetze, die im Einklang mit der Verfassung stehen, in der Rechtspraxis werden jedoch diese Gesetze aus Machterhaltungszwecken instrumentalisiert.  Edit Zgut-Przybylska theoretisierte die informelle Macht im Kontext des ungarischen und polnischen Demokratie-Abbaus. Sie argumentierte, dass - zwar in unterschiedlichem Ausmaß - beide Regierungen das Spielfeld mithilfe von informeller Macht für sich manipulieren. Während sich aber in Ungarn sowohl der Wahl- als auch der Organisationsklientelismus in einem top-down gesteuerten und zentralisierten System entfalten, dominiert in Polen, aufgrund des mehrstufigen Regierungssystems, in erster Linie die Parteipatronage. Kristóf Szombati (MTA TK) demonstrierte die negativen Auswirkungen der Politisierung staatlicher Ressourcen am Beispiel des staatlichen Arbeitsprogramms in Ungarn, mit dem die Regierung zwischen WählerInnen und Gewählten eine Abhängigkeitsstruktur ausgebaut hat. In seinem Vortag widmete sich Bálint Madlovics (CEU DI) der Anatomie der klientelistischen Autokratie in Ungarn und verglich diese mit dem polnischen politischen System. Resümierend stellte Madlovics fest, dass im Gegensatz zu Ungarn Polen keine Autokratie, sondern eine klientelistische Demokratie sei. Das Panel wurde von András Bozóki (CEU DI) moderiert.

 

Das zweite Panel „Informality, Patronage Politics in Liberal Democracies in the East and the West of Europe“, moderiert von Melani Barlai (AUB/Unhack Democracy), befasste sich mit Informalität und Patronage in liberalen Demokratien in Ost- und Westeuropa. Petr Kopecky (Universität Leiden) unternahm zunächst eine begriffliche Klärung von Patronage und Klientelismus, denn „Patronage litt lange Zeit unter begrifflicher Unschärfe, die es schwierig machten, Formen der Ausbeutung des Staates durch politische Parteien zu verstehen“. Aus der Perspektive der Angebotsseite ist es möglich, Patronage nicht nur negativ aufzufassen, zumal Patronage auch aus der Motivation entspringen kann, politische Prozesse zu verbessern (Kontrolle der Bürokratie, Verhinderung von Korruption und klientelistischen Geschäften), so Kopecky. Anschließend definierten Veronica Anghel (EUI Florence) und Peter Spac (Masaryk Universität) Informalität und Wahlklientelismus. Spac fragte in seiner Ausführung danach, inwiefern Informalität eine Gefahr für die Demokratie darstelle. Dabei ging er auf die Strukturen des politischen Systems, auf den Einfluss von Informalität, auf Wahlen sowie auf die Akzeptanz von Informalität seitens der Parteien sowie der WählerInnen ein. Anschließend wurden methodische Herausforderungen bei der Messung von Parteienpatronage, Informalität und Klientelismus diskutiert. Abschließend wurden die oben diskutierten Phänomene an den Länderbeispielen von Rumänien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und den Niederlanden angewandt.

 

Das dritte Panel: "Impacts On Electoral Integrity and Trust in Elections and Democratic processesbefasste sich mit den Auswirkungen der Informalität auf die Integrität der Wahlen und das Vertrauen in Wahlen und demokratische Prozesse. Radoslaw Markowski (SWPS) fasste die soziokulturellen Grundlagen des "autoritären Klientelismus" in Polen zusammen und erläuterte, wie dieser der PiS von 2015 an zum Machterhalt verhilft. Allen voran das äußerst geringe Vertrauen in demokratische Institutionen führte zu einer populistischen und klientelistischen „Wende“ in Polen.  Balázs Váradi (Budapester Institut) erläuterte, wie politische Günstlingswirtschaft der Fidesz hilft, ihre lokale Basis und/oder lokale UnternehmerInnen zu mobilisieren, um sicherzustellen, dass diese die regierende Elite unterstützen. Filip Pazderski (ISP) lieferte Daten über die instrumentelle Ausbeutung staatlicher Unternehmen in Polen und deren negative Auswirkungen auf Wahlprozesse. Zudem erläuterte er das abnehmende Vertrauen der jüngeren Generation in die Mainstream-Medien und dessen Auswirkungen auf ihre politische Beteiligung. Neus Vidal Martí (Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit) zog Parallelen zur Informalität und der Vereinnahmung der Medien in Spanien und Frankreich und deren Auswirkungen auf demokratische Prozesse (wie Referenden und die Integrität der Wahlen). Sie argumentierte, dass neben der in MOE vorherrschenden Vereinnahmung der Medien auch die Vereinnahmung von Informationen stärker in den Vordergrund gerückt werden müsse. Diese trete beispielsweise in Westeuropa bereits stärker in Erscheinung - so Vidal. Das Panel wurde von Edit Zgut-Przybylska (IFIS PAN/CEU DI) moderiert.

 

In der abschließenden Podiumsdiskussion: „How to defeat organizational and electoral clientelism?“ sprachen VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen darüber, wie Wahl-, Organisations- und Klientelismus bekämpft und wie das Vertrauen in die demokratischen Institutionen wiedererlangt werden kann. Dabei stand die Stärkung des politischen Engagements jener sozialen Randgruppen im Fokus, die für politischen/wirtschaftlichen Zwang am meisten anfällig sind. Mónika Bálint (Civil College Foundation) berichtete über die Kampagne der CKA aus den Jahren 2021 und 2022, die das Ziel verfolgte, die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichem Zwang und Stimmenkauf aufzubauen. Noémi Molnár (K-Monitor) stellte das Projekt von K-Monitor vor, in dessen Rahmen die Organisation gegen klientelistische Korruption und die Monopolisierung von Staat und Wirtschaft kämpft. Violeta Vajda (National Democracy Institute) gab einen Einblick in jene Kampagnen des NDI, welche die Stärkung des politischen Engagements und die Förderung von demokratischen Wahlprozessen in den MOE-Ländern im Fokus haben. Vladimir Misev (ODIHR) stellte die Tätigkeit der Organisation und ihre methodischen Grenzen vor Ort vor. Zum einen ist  die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Weg für die verschiedenen Formen vom Klientelismus frei machen, notwendig, sowie zum anderen die Stärkung des gesellschaftlichen Engagements auf lokaler Ebene, um die allgegenwärtigen Auswirkungen von Klientelismus insbesondere bei Wahlen untergraben zu können – so lautete das Plädoyer der TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion. Das Panel wurde von Garvan Walshe (Unhack Democracy) moderiert.

Edit ZGUT-PRZYBYLSKA und Melani BARLAI

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