Um die derzeitige Stimmung im französischen Präsidentschaftswahlkampf vor Ort zu verstehen, müsse man laut Krause Frankreich als Ganzes und das französische Selbstverständnis kennen. Dieses sei geprägt von dem Bewusstsein der Franzosen ein Land mit einer großen Vergangenheit zu sein und einem allgemeinen Stolz auf die fünfte Republik.
Dennoch täusche das nicht darüber hinweg, dass Frankreich dieser Tage viele Probleme habe. Das Erstarken des rechtspopulistischen, euroskeptischen Front National (FN) sei die Folge aus vielerlei ungelösten Fragen in Frankreich. Nach den Anschlägen von Paris und Nizza, sei Frankreich ein Land, das vom Terror gezeichnet sei. Der Notstand sei verlängert worden, die Debatte über den laizistischen Staat wiederbelebt und auch die Frage der sozialen Brennpunkte werde nun wieder stärker diskutiert.
Doch betonte Krause auch, dass diese Schwierigkeiten ein Ergebnis der weiterhin ungelösten strukturellen, administrativen Probleme Frankreichs seien, die sich vor allem am zentralstaatlichen Aufbau Frankreichs und einer hohen Anzahl an Staatsbediensteten zeigen würden. Ebenso gebe es unter den politischen Parteien wenig Kompromissbereitschaft um diese Probleme zu lösen. Zudem sei laut Krause die Macht der Gewerkschaften überproportional. Die schlechte wirtschaftliche Lage, die auch eine Folge der 35-Stunden Woche sei, verschärfte die Lage zusätzlich. Der ständige Vergleich mit Deutschland habe dahingehend eine fast traumatische Wirkung. Dass EU-kritische Äußerungen unter diesen Umständen Anklang finden, sei somit nicht verwunderlich.
Im regionalen Frankreich, speziell in Südfrankreich sei die EU laut Krause weit weg. Es gebe wenig Generalkonsulate von EU-Staaten, dagegen seien vor allem nordafrikanische Staaten sehr präsent. Obwohl in Südfrankreich viele Nationalitäten und Kulturen aufeinandertreffen würden, beschriebt Krause die Region als einen friedlichen „melting-pot“. Der FN sammele auch hier Stimmen und bekomme sie auch. Diese Stimmen seien aber vornehmlich als Stimmen gegen die etablierten Parteien zu werten. Die Chancen der etablierten Parteien im Wahlkampf schätzt Krause unterschiedlich ein. Den Sozialisten räumt er wenige Chancen ein, wobei es bei den Konservativen auf den innerparteilich gewählten Kandidaten ankomme.
Nach den Beobachtungen aus der Provinz Südfrankreichs, regten noch einige Fragen der Anwesenden zur Diskussion an. Dabei ging es u. a. um die innerparteiliche Wahl eines Kandidaten im konservativen Lager, um den Vergleich Frankreich - Deutschland, die Entstehung von Parallelgesellschaften und das Integrationsproblem sowie um die Wandlung des FN zu einer modernen Partei.
Text: Julia Peters