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Feldrabbiner in der Österreichisch-Ungarischen Armee während des Ersten Weltkriegs
Lehrstuhl für Kulturwissenschaften
Vortrag von Dr. Dieter J. Hecht

Am 8. Dezember 2016 luden Prof. Dieter A. Binder und Ass.-Prof. Ursula Mindler-Steiner (Lehrstuhl für Kulturwissenschaften der AUB) den Historiker Dr. Dieter J. Hecht zu einem Vortrag zum Thema „Feldrabbiner in der Österreichisch-Ungarischen Armee während des Ersten Weltkriegs“ in die Österreich-Bibliothek György Sebestyén an die AUB ein. In seinem einschlägigen Forschungsprojekt widmet sich Hecht, der am Centrum für Jüdische Studien an der Karl-Franzens-Universität Graz und am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften arbeitet, dieser bisher in der Forschung vernachlässigten Personengruppe und ging unter anderem der Frage nach, wer diese Rabbiner waren, woher sie kamen und welche Aufgaben und Funktionen sie zu erfüllen hatten, wie auch jener, welche Bedeutung sie für die jüdischen Soldaten unterschiedlicher religiöser Strömungen hatten.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sei es Juden erlaubt gewesen, in der Österreichisch-Ungarischen Armee zu dienen. Seit dieser Zeit sei nicht nur der Bedarf, sondern auch der Wunsch der jüdischen Soldaten nach eigenen Feldpredigern gestiegen, unter anderem als Zeichen der Gleichberechtigung. Bereits in den Kriegswirren der Revolution 1848, der Schlacht bei Solferino 1859 oder der kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich 1866 seien Feldrabbiner zum Einsatz gekommen. Der immer größer werdenden Zahl an jüdischen Soldaten sei schließlich auch in Form einer steigenden Anzahl an Feldrabbinern Rechnung getragen worden. Im Jahr 1902 hätten etwa 60.000 jüdische Soldaten in der österreichisch-ungarischen Armee (ca. 4 Prozent der Armee) gedient; zwischen 1874 und 1914 seien insgesamt 32 Feldrabbiner ernannt worden. Die Mehrheit von ihnen habe als Feldrabbiner der Reserve gedient und sei nur in Kriegszeiten zum Dienst herangezogen worden, so beispielsweise im Ersten Weltkrieg. Im Laufe dieses Krieges sei die Zahl der jüdischen Soldaten auf ca. 300.000 gestiegen. Ebenso sei die Zahl der Feldrabbiner nach einer Schätzung von Dr. Hecht auf etwa 133 gestiegen. Eine genaue Zahl könne wegen der schwierigen Quellenlage nicht erhoben werden. Die durchaus hohe Zahl an Feldrabbinern sei auch dahingehend bemerkenswert, da hier, für eine ähnlich große Anzahl an jüdischen Soldaten, rund vier Mal so viele Feldrabbiner wie in der Armee des Deutschen Reichs eingesetzt worden seien.

Vermutlich stammten die Feldrabbiner nicht nur aus allen Teilen der Monarchie, so Hecht, sondern hätten auch im gesamten Kriegsgebiet und im Hinterland gewirkt. Sie seien Geistliche im Rang eines Hauptmanns gewesen und hätten somit durchaus eine geachtete Position innerhalb der Armee innegehabt. Das Ministerium habe jedem Feldrabbiner eine „Feldkapelle“ zur Verfügung gestellt, die eine Thora-Rolle, einen Tallit (Gebetsschal), zehn hebräische Gebetbücher mit deutscher Übersetzung, zehn Tefillin (Gebetsriemen) und ein schwarzes Seiden-Käppchen (Kippa) enthalten habe. Die Aufgaben der Feldrabbiner während des Ersten Weltkriegs seien mannigfaltig gewesen und hätten neben Begräbnissen und seelsorgerische Aufgaben gegenüber jüdischen Soldaten an der Front, im Lazarett und in den Kasernen, auch die Verteilung religiöser Lektüren und so genannter Liebesgaben aus der Heimat (zumeist Zigaretten) beinhaltet. Ferner seien Feldrabbiner auch für die Betreuung von jüdischen Kriegsgefangenen zuständig gewesen. Da die Soldaten der Österreichisch-Ungarischen Armee unterschiedliche Sprachen gesprochen hätten, hätten Feldrabbiner eigene mehrsprachige Gebetsbücher für ihre Soldaten verfasst. Das wahrscheinlich berühmteste, das „Andachtsbüchlein für jüdische Kriege im Felde“, sei vom Leiter der Wiener israelitischen Militärseelsorge Arnold Frankfurter (1881–1942) und seinem ungarischen Kollegen Ernö Deutsch (1886–1950) in drei Sprachen (Hebräisch, Deutsch, Ungarisch) herausgegeben worden.

Nach dem Vortrag hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen, und so schloss sich eine rege Diskussion an. Unter anderem wurde die Frage aufgeworfen, wie sich die (insbesondere im Vergleich zum Deutschen Reich) verhältnismäßig hohe Anzahl an Feldrabbinern erkläre und ob der – angesichts der vielfach ungarischen Nachnamen der Feldrabbiner entstandene – Eindruck, dass die Mehrzahl der Feldrabbiner eigentlich Ungarn war, tatsächlich den Tatsachen entspreche. Hecht verwies darauf, dass noch Forschungen durchzuführen seien, aber insbesondere die unterschiedliche Geschichte und Tradition der Feldrabbiner in den beiden Armeen wie auch die unterschiedliche Anzahl und Situation der jüdischen Bevölkerung in beiden Ländern zu berücksichtigen seien.

Text: Béla Teleky

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