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Europa deine Werte – wie bedroht ist die Wissenschaftsfreiheit in Ungarn?
Rektoratsbüro
Letzte Woche hielt Rektor Meyer in Regensburg auf Einladung des Vereins "Junges Europa" einen Vortrag, in dem er der Frage nachging, wie es um die Freiheit der Wissenschaft in Ungarn bestellt ist. Lesen Sie hier den Bericht.

Am 04. Juli konnten wir Herrn Prof. Dr. Dietmar Meyer, Rektor der Andrássy-Universität in Budapest in Regensburg zu einem Vortrag begrüßen. Vor nunmehr 45 Jahren ging er nach Ungarn, studierte erst in Budapest und lehrt seitdem auch vorrangig dort. Seit gut anderthalb Jahren ist er nun Rektor an der Andrássy-Universität.

Der Titel der Veranstaltung spiegelte den Schwerpunkt des Vortrages von Herrn Meyer wider. Neben der Möglichkeit Erfahrungen und Anekdoten aus dem eigenen Studien- und Lehralltag in Ungarn zu teilen, erfuhr das Publikum mehr über seine, eine etwas andere Sichtweise auf die ungarische Wissenschaftspolitik. Ein ausgeprägter Individualismus, Ablehnung der Obrigkeit, aber auch eine gewisse Angst vor eben jener Macht sowie die Mobilisierung gegen Abzulehnendes seien prägende Charakteristika in Ungarn. Diese würden sich auch in den Bereichen der Lehre und Forschung sowie der entsprechenden Gesetzgebung wiederfinden. Mit Verboten sei in der Regel nichts zu machen – Anreize seien das Mittel der Wahl, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Herr Meyer gab zuerst einen kurzen Einblick in die Grundstrukturen des ungarischen Hochschulwesens. Dieses sei bis 1945 ein Hochschulwesen deutschen Typs gewesen. Später sei es im sowjetischen Sinne umgestaltet worden und mit Mitarbeitern der „richtigen“ politischen Gesinnung bestückt worden. Ab den 1960er habe dann wieder vorrangig die fachliche Kompetenz bei Einstellung eine Rolle gespielt und weniger die Parteizugehörigkeit. Da aber nach der Wende der Lohn nicht angemessen gestiegen sei, hätten viele Mitarbeiter die Universitäten Ungarns verlassen – bis heute fehle deshalb mehr als eine Generation an Lehrkräften. Die Situation der Lehre und Forschung sei also vielerorts prekär. Da es einen Mangel an guten Fachkräften gäbe, sei die Mehrheit der Lehrenden an mehreren Einrichtungen tätig. Es komme zudem zu Plagiaten von Lehrmitteln. Im Allgemeinen gebe es zudem eine klare Trennung zwischen Universitäten und Akademien. Universitäten kümmern sich hauptsächlich um die Lehre, Akademien um die Forschung.

Wissenschaft beschreibt das Bestreben allgemeine Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungstendenzen in Natur und Gesellschaft auszumachen. Freiheit beschreibt die Möglichkeit autonom Entscheidungen zu treffen. Aber Freiheit funktioniert nicht ohne Verantwortung für die Konsequenzen, und die Einbindung in ein Regelgefüge. Neue Erkenntnisse sind aber ohne Freiheit nicht möglich. „Wissenschaft ohne Freiheit funktioniert nicht, Freiheit ohne Wissenschaft aber wahrscheinlich auch nicht“, so Herr Meyer.

2005 habe die ungarische Regierung ein neues Gesetz verabschiedet nachdem jede ausländische Universität ohne Akkreditierungsverfahren in Ungarn in der eigenen Landessprache das eigene Lehrprogramm unterrichten darf. Deshalb habe es in Ungarn einige Universitäten gegeben, die im Ausland noch nicht einmal existiert hätten. Die viel beachtete Änderung dieses Gesetzes im April 2017 sollte bewirken, dass alle Studiengänge ausländischer Universitäten akkreditiert werden und die Einrichtungen einen Nachweis über ihren Standort im Ausland erbringen. Die Gesetzesänderung sei, laut Herrn Meyer, nicht schlecht gewesen, sie sei nur zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt und völlig ohne Vorwarnung gekommen. Es habe in Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren gestanden, bei dem zwei Studenten aus Bangladesch von George Soros unterstützt worden waren und sei dann im beschleunigten Verfahren durchgebracht worden. Sie habe vor allem die CEU in Schwierigkeiten gebracht, die aber unter großem Aufwand inzwischen alle Auflagen erfüllt habe. 

Es sei nichts ungewöhnliches, dass neue Minister auch gern neue Gesetze einbringen, um sozusagen ihren Stempel zu hinterlassen. Deshalb gebe es inzwischen extrem detailreiche Gesetze, auch im Bereich des Hochschulwesens. Universitäten müssten ständig auf der Hut vor neuen Änderungen seien, müssten diese am besten voraussehen und wären ununterbrochen damit beschäftigt diese umzusetzen. Das binde unglaublich viele Ressourcen und sei besonders für kleine Universitäten ein großer finanzieller Aufwand.

Herrn Meyers abschließende Einschätzung war deutlich: die Wissenschaftsfreiheit in Ungarn ist nicht in Gefahr, jedenfalls nicht, wenn man sie in klassischen Verboten denkt. Er sei das lebende Beispiel dafür, da er selbst nie Einschränkungen seiner Arbeit erfahren oder das Gefühl vermittelt bekommen habe, seine Meinung nicht frei äußern zu können. Schon vielfach habe er öffentlich auch kritische Ansichten vertreten, habe sich auch im Fall der CEU stark gemacht, ohne Konsequenzen zu spüren. Gerade Universitäten seien Orte der freien Meinung und der Kritik, in anderen Bereichen, wie dem öffentlichen Dienst sei dies vermutlich eher anders.

Und so beendete er seinen aufschlussreichen, praxisnahen und interessanten Vortrag mit einem Appell an das Publikum, die vorherrschende öffentliche Meinung in Deutschland gelegentlich zu hinterfragen und verschiedene Perspektiven und Erklärungen zu einem Ereignis anzuhören, um sich ein besseres und umfassenderes Bild von den Umständen machen zu können.

 

Bericht von Mattea CORDIER

Quelle: Junges Europa e. V.

2024-10 November 2024 2024-12
 
 
 
 
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