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EU Erweiterung auf dem Westbalkan in der Krise: Autoritäre Tendenzen und Geopolitische Herausforderungen
Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa in der EU
Prof. Dr. Florian Bieber, Experte für Südosteuropa sprach am 26. März 2019 über die Krise der EU-Erweiterungspolitik und die bestehenden autoritären Tendenzen in der Region.

Florian Bieber, Experte für Südosteuropa, Begründer der Balkan in Europe Policy Advisory Group (BiEPAG) und Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Universität Graz sprach erwähnte in seinem Vortrag, dass Populismus und das Entstehen von neuen autoritären Regimen einen globalen Trend darstellen, der auch in den Staaten des Westbalkans erkennbar ist. Dazu beigetragen hat auch die Verzögerung des EU-Beitrittsprozesses, der derzeit nur noch einen „Fassadenprozess“ darstellt. Die EU-Kommission zuständig für die EU-Erweiterung wurde bereits auf „European Neighbourhood Policy And Enlargement Negotiations“ umbenannt, somit wird der Begriff Beitritt vermieden. Trotzdem tut man so, als ginge es um die EU-Erweiterung, meinte Bieber.

Wie Bieber anhand von Statistiken darlegen konnte, nimmt die Zustimmung zu einem EU-Beitritt bei der Bevölkerung in den Beitrittskandidatenländern ab. Besonders in Serbien glauben bereits 30 Prozent der Bevölkerung, dass ein EU-Beitritt schlecht für Serbien sei und 28 Prozent sind der Meinung, dass es zu keinem Beitritt kommen wird. Ein Sonderfall in der Statistik ist Kosovo, wo 81 Prozent der Bevölkerung glauben, dass der EU-Beitritt gut ist und 37 Prozent überzeugt davon sind, dass der Beitritt Kosovos bis 2020 erfolgen wird – dieses stuft Bieber als sehr optimistisch ein, da der Kosovo ein Nachzügler beim EU-Beitrittsprozess ist.

Um die Entwicklung von kompetitiven autoritären Regimen zu erklären, geht Bieber auf Wolfgang Merkls Konzept der embedded democracy ein, das besagt, dass Demokratie in mehrere Teilregime eingebettet ist, die alle für eine funktionierende Demokratie von Bedeutung sind. Fehlt ein Teilregime, dann besteht im demokratischen System ein Defizit. Die autoritär geprägten Regime am Westbalkan weisen laut Bieber mehrere Charakteristika auf: Erstens vermitteln die Politiker ständig die Botschaft, dass sich der Staat in einer Krisen- oder Ausnahmesituation befindet. Zweitens kommt es zur Vermittlung von externer Legitimität durch die Zusammenarbeit mit den europäischen Politikern, die Stabilität in der Region als primäres Ziel ansehen und somit die Entwicklung von „Stabilokratien“ fördern.  Drittens gibt es eine Reihe von neuen Akteuren in der Region, u. a. China, Russland, VAE und die Türkei, die eine Konkurrenz zur soft power der EU werden. Das verunsichert die Europäer. Viertens besteht das Problem der state capture durch bestimmte einflussreiche Gruppen, das sich aufgrund der schwachen politischen Institutionen erklären lässt. Außerdem sind viele Firmen vom Staat abhängig. Informelle Blockaden und Einflussmöglichkeiten des Staates auf demokratische Abläufe und andere Bereiche sind gegeben. Die sogenannte state capture hat sich in den letzten Jahren verstärkt, meint Bieber. Fünftens ist die autoritäre Elite dominant, da es nur eine schwache Opposition und Zivilgesellschaft gibt. Sechstens herrscht ein Kult um die starken Männer vor, die autoritäre Strukturen umsetzen. Siebtens wird Nationalismus in den Ländern gefördert und achtens versuchen die autoritären Politiker die Medien unter Kontrolle zu bringen. Trotz dieser negativen Entwicklungen zeigt Bieber anhand des Prespa-Abkommens zwischen Griechenland und Nordmazedonien, das den Namensstreit beider Staaten beendetet, dass es auch positive Beispiele in der Region gibt.

Im Anschluss beantwortete Bieber noch Fragen aus dem Publikum.  

Christina GRIESSLER

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