Vor dem Hintergrund einer immer instabileren und unsicheren Welt, soll das Zentrum Studierenden künftig die praktischen Aspekte von Diplomatie sowie Krisen- und Konfliktmanagement noch näherbringen. Der Schwerpunkt der Andrássy Universität auf Diplomatie, der sich neben einem eigenen Lehrstuhl für Diplomatie auch darin äußert, dass namhafte deutsche Diplomaten an der Universität gelehrt haben – wie etwa Prof. Dr. Reinhard Bettzuege, Dr. Dr. Rolf Friedrich Krause oder Dr. Dr. Dietrich Pohl um nur einige zu nennen – soll in Zukunft durch das „Zentrum für Diplomatie“ noch intensiviert werden.
In seiner Begrüßungsrede hob der neue Rektor der Universität, Prof. Dr. Dietmar Meyer daher auch die Erfahrung der Diplomaten und Absolventen hervor, deren Praxiswissen im neugegründeten Zentrum weitergegeben werden soll. Angesichts „der Krise Europas und verschiedenen neuen Orientierungen und Strömungen, kann das Zentrum Diplomatie eine wichtige Aufgabe erfüllen“, so der Rektor. Mit der Gründung dieses Zentrums gehe die Universität zudem „große Schritte“ hin zu einer wichtigen Institution für Dialog und Forschung. Prof. Dr. Meyer dankte in seiner Rede besonders den beiden Initiatoren des Zentrums für Diplomatie, welche „großes Engagement bei der Gründung an den Tag gelegt haben“, den beiden Lehrstuhlinhabern für Diplomatie Dr. Ulrich Schlie und Dr. Ferdinand Trauttmansdorff.
Das Wissen um Zusammenhänge ist heute wichtiger denn je
In seiner Einführung ging Dr. Schlie besonders auf das weltpolitische Geschehen ein, dass die Auseinandersetzung mit außenpolitischen Themen derzeit so wichtig mache. Er gab den Zuhörern zu bedenken, dass vor dem Hintergrund einer Verschiebung in der internationalen Politik und einem grundlegenden Wandel von Wirtschaft, Politik, Militärwesen und Gesellschaft „die Außenpolitik in einen größeren Kontext gestellt werden muss.“
Die Frage nach dem „Warum“ für die Gründung des Zentrums Diplomatie sei dahingehend zu beantworten, dass das Verständnis für die Diplomatie und ihrer Rolle als unabdingbares Instrument staatlichen Handels neu definiert werden müsse. Dies an der Andrássy Universität in Budapest zu diskutieren, einer Region von herausragender Bedeutung für Mitteleuropa, sei ein wichtiges Ziel. Studierenden soll Diplomatie als Querschnittsthema nahe gebracht und anhand vielfältiger Veranstaltungen praxisnah vermittelt werden, „denn alles, was hier entsteht, ist für die Studierenden bestimmt“, so Dr. Schlie.
Bevor er das Wort an seinen Kollegen Dr. Trauttmansdorff übergab, führte er die Gäste, neben Professoren und Mitarbeitern der Universität auch zahlreiche Diplomaten und Vertreter von politischen Institutionen, in die Biografie des Ehrengastes, Karel Fürst zu Schwarzenberg, ein. Besonders seine enge Verbindung zur österreichisch-ungarischen Geschichte, seine Erfahrungen als Staatsmann und sein politisches Handeln aus historischem Bewusstsein machten ihn zu einer sehr relevanten Persönlichkeit in Sachen Diplomatie.
Dr. Trauttmansdorff ging im Anschluß auf die persönliche Verbindung des Fürsten zur Region und sogar zum Uni-Gebäude ein, denn seine Großmutter wuchs in den Räumen des Festetics-Palais, dem Sitz der Andrássy Universität, auf. Auch Karel Fürst zu Schwarzenberg war als Kind häufig im Palais, eine Verbindung also, die enger nicht sein könnte. Dr. Trauttmansdorff hob sodann die Bedeutung hervor, die Fürst Schwarzenberg für die internationale Diplomatie spielt: „Er symbolisiert viel, was wir mit dem Zentrum Diplomatie erreichen möchten“, so Trauttmansdorff. Stets habe er verstanden, was Europa benötigt. In einer Zeit, in der „fundiertes Wissen ein immer selteneres Gut wird“, sei das Wissen um Zusammenhänge kostbarer denn je – etwas, das Fürst Schwarzenberg stets beherrscht habe. Und obwohl dieser es nicht gerne höre, wenn er gelobt wird, gehöre er dennoch zu einer der herausragensten Persönlichkeiten der Diplomatie.
Solidaritätsbekundung mit der CEU
Bevor der Ehrengast des Abends selbst zu Wort kam, ging der stellvertretende Präsident der Ungarischen Nationalversammlung und Fidesz-Vize Gergely Gulyás auf die Zukunft Europas und die Bedeutung der europäischen Werte ein. Während seiner Rede kam es zu einer spontanen Solidaritätsbekundung von Studierenden und Mitarbeitern der Andrássy Universität mit der Central European University. Anhand von Schildern mit der Aufschrift „I stand with CEU“ drückten sie ihren Unmut über die Änderungen des Hochschulgesetztes aus und zeigten, wie man auf friedliche und diplomatische Weise ein Zeichen setzt, ohne die Rede eines hohen Repräsentanten der ungarischen Regierung zu stören. Diplomatie als Zeichen von Taktgefühl gewährleistet, dass über Fakten sachlich diskutiert und ein Konsens erreicht wird – dies auch in Bezug auf die kontroverse Änderung des Hochschulgesetzes zu erreichen, könnte als eines der Ziele dieser spontanen Solidaritätsbekundung verstanden werden. Ganz im Sinne des Leitbildes der Universität, Europa nicht nur zu lehren, sondern auch zu leben, zeigten die Demonstranten, dass zu den europäischen Werten insbesondere die Vielfalt der Meinungen und die freie Ausübung von Wissenschaft und Bildung zählen.
Herausforderungen für Europa
Unter dem Titel „Europa, was kommt auf uns zu“ hielt schließlich Karel Fürst zu Schwarzenberg seine Rede und machte darin deutlich, dass er ein Europäer mit Herz und Seele sei. Der zweimalige Außenminister der Tschechischen Republik, Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen in Tschechien 2013, langjährige Vorsitzende der tschechischen Partei TOP 09 und Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechtebegann seine Rede mit dem „prägendsten Ereignis“ seines Lebens – der ungarischen Revolution von 1956. Damals habe er als junger Mann eine Woche lang in Hegyeshalom, an der österreichisch-ungarischen Grenze gearbeitet. Der tiefe Respekt, den er seither für die Ungarn und ihren Mut empfindet, habe ihn ein Leben lang begleitet.
Was Europa und im Besonderen die Einstellung zur EU angehe, so verfolge er aber mit Verwunderung die Mentalität einiger Regierungsvertreter, die „in Brüssel Geld bekommen, nach Hause fahren und dort dann über die Brüsseler Bürokratie schimpfen.“ Er lud die Anwesenden dazu ein, einen Vergleich zwischen der Bürokratie eines Landes und derjenigen in Brüssel zu ziehen. Schon die bloße Recherche im Internet würde verdeutlichen, dass in nationalen Ministerien mehr Angestellte, zum Teil ineffizientere Arbeit leisten, als es die Angestellten in den EU-Institutionen in Brüssel tun: „Die Nationalstaaten sind der wahre Hort der Bürokratie“, so Fürst zu Schwarzenberg.
Als Gefahr für die Zukunft nannte der Vortragende zum einen nationalistische und revisionistische Tendenzen, was er am Beispiel Russlands, das mit seiner Annektierung der Krim das Völkerrecht verletzt habe, deutlich machte. Ohne hier konkrete Namen zu nennen, betonte Fürst zu Schwarzenberg, dass viele Staaten erkennen müssen, dass sie in Gemeinschaften wie der Europäischen Union und der NATO besser aufgehoben sind. Weitere Austritte aus der Europäischen Union könnten weder Europa, noch die Staaten selbst verkraften.
Besorgt sei er darüber, dass immer mehr populistische, demagogische und nationalistische Bewegungen in Europa um sich greifen und traditionelle, historische Partnerländer sich voneinander entfernten. Eine weitere Herausforderung für Europa werde, so der Fürst, der zwar „ein Skeptiker, aber dennoch ein Optimist“ sei, die Migration darstellen. Diese sei aber bei weitem nicht so brutal, wie sie von einigen Länder dargestellt werde. Damit sprach Fürst zu Schwarzenberg sehr deutliche Worte, ohne konkrete Namen zu nennen. Ganz so, wie es ein wahrer Diplomat tut.
Doris Evelyn Zakel
Der Artikel erschien auch in der Budapester Zeitung (Nr. 15/2017, S. 34-35)