Am Dienstag, den 5. November 2013 fand im Örökmozgó Filmmúzeum Budapest eine außergewöhnliche Filmaufführung statt. Gezeigt wurde eine filmische Rarität aus dem Jahr 1924, „Die Sklavenkönigin“ („Rabszolgakirálynő“), die lange Zeit als verschollen galt und bislang nur als Archivkopie existiert.
Organisiert wurde der Abend, der in deutscher Sprache mit Simultandolmetschen ins Ungarische stattfand, von Ursula Mindler (Andrássy Universität Budapest, Fakultät für Mitteleuropäische Studien) und Anikó Schäffer (Österreichisches Kulturforum Budapest), in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria und dem Ungarischen Filmarchiv (MANDA).
Auf die Eröffnungsreden von Direktorin Bachfischer (ÖKF) und Rektor Masát (AUB), der insbesondere auch seine Freude zum Ausdruck brachte, dass der berühmte Stummfilmpianist und Komponist Gerhard Gruber (Wels) für die musikalische Begleitung sorgen würde, folgte eine historische Einführung durch Univ. Prof. Frank Stern (Universität Wien).
Prof. Stern wies unter anderem auf die Unterschiede der verschiedenen noch existierenden Filmkopien hin – so ist jene in Budapest insofern außergewöhnlich, als sie nicht nur sehr gut erhalten ist, sondern auch Szenen (vor allem jüdisches Leben betreffend) zeigt, die in den anderen Kopien fehlen. Ebenso weicht das Filmende der Budapester Kopie von anderen Kopien ab. Prof. Stern skizzierte ferner das Entstehungsumfeld des Films – in Zeiten zunehmenden Antisemitismus‘ wurde ein Film gedreht, der jüdische Geschichte zum Inhalt hat: Er spielt in der Zeit, als sich die Israeliten in der ägyptischen Sklaverei befanden und erzählt vor diesem Hintergrund die Liebesgeschichte zwischen der jüdischen Sklavin Merapi (Maria Corda) und dem Prinz Seti (Adelqui Migliar), Sohn des Pharao Menapta. Die daraus entstehenden Probleme werden zwar im Laufe des Films gelöst, und am Ende führt Mose (Hans Marr) sein Volk durch das Rote Meer in die Freiheit – Merapi bezahlt ihren Einsatz für ihre Liebe jedoch mit dem Leben (in der ungarischen Fassung). So stehen Happy-End (Befreiung der Israeliten) und tragisches Ende (Tod der jüdischen Heldin) nebeneinander.
Gedreht wurde in Wien und Umgebung (wenige Szenen auch in Ägypten). In Zeiten der Armut und Arbeitslosigkeit war es leicht, kostengünstig zigtausende Komparsen für die Filmproduktion zu gewinnen – es sollen zwischen 7.000 und 11.000 Personen an dem Film beteilig gewesen sein. So entstand, getragen von ungarischen und österreichischen SchauspielerInnen und Filmleuten unter der Regie von Mihály Kertész (später Michael Curtiz) ein monumentaler Film, der unter anderem auch durch seine technische Meisterleistung besticht.
Beeindruckend war die Improvisationen des Pianisten Gerhard Gruber, durch die man sich in ein Kino der 1920er Jahre versetzt fühlte, und der durch seine Live-Musik den Stummfilm erst richtig zum Leben erweckte. Eine Diskussion, bei der das zahlreich erschienene Publikum (es waren über 70 Personen anwesend) die Möglichkeit hatte, Fragen an Prof. Stern und Herrn Gruber zu stellen, beschloss diesen besonderen Abend.