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Die Einstellung der Zeitung Népszabadság: Politischer Eingriff oder wirtschaftlicher Entscheid?
Studiengang "Internationale Beziehungen"
AUB-Flashlight-Podiumsdiskussion

Der Grund zum Anlass am 07. November 2016 war nicht fröhlicher Natur. Es ging um die plötzliche Einstellung der ungarischen Tageszeitung Népszabadság, um einen Fall, der in der Öffentlichkeit des Landes großes Aufsehen erregt hatte. Fragen in diesem Zusammenhang bildeten das Thema einer Podiumsdiskussion an der Andrássy Universität Budapest (AUB). Veranstaltet wurde die Diskussion von dem Studiengang „Internationale Beziehungen“ unter Leitung von Zoltán Tibor Pállinger, der 2011 als Politikwissenschaftler die AUB-Flashlight-Veranstaltungen zur Analyse von aktuellen Themen für Studierenden und Interessenten an der Universität eingeführt hat.

Teilnehmer waren Márton Gergely, stellvertretender Chefredakteur der eingestellten Népszabadság, József Martin, Professor emeritus der Fakultät für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Esterházy Károly Universität Eger, Ágoston Sámuel Mráz, Leiter des Nézőpont Instituts für Meinungsforschung und politische Analyse, sowie Andreas Oplatka, zurzeit Vorsitzender des Kuratoriums der AUB und langjähriger Redakteur und Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung. Das Gespräch wurde von Henriett Kovács, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Studiengangs „Internationale Beziehungen“ an der Andrássy Universität Budapest, moderiert.

Márton Gergely schilderte die Umstände der Einstellung der Népszabadság, und gab ein eher pessimistisches Bild der heutigen Situation: Trotz Verhandlungen mit den Investoren erscheine es unwahrscheinlich, dass eine Neubelebung der Zeitung gelingen könne. Für Gergely stand fest, dass nicht die wirtschaftliche Lage von Népszabadság zur Einstellung des Blattes geführt habe, sondern der politische Wille der ungarischen Regierung maßgeblich dazu beigetragen habe. Ágoston Sámuel Mráz hielt dem entgegen, dass Népszabadság einst bei der Wende die reichste Zeitung des Landes gewesen sei und sich zuletzt mit einer Auflage von 37.000 Exemplaren in einer Notlage befunden habe. Niemand dürfe von dem letzten Besitzer des Blattes, dem Österreicher Heinrich Pecina, annehmen, er sei etwas anderes als ein „eiskalt berechnender Kapitalist“.

Sowohl József Martin als auch Andreas Oplatka waren der Meinung, dass die ungarische Regierung mit dieser Behandlung des Blattes einen großen Fehler begangen habe: Die Geschehnisse seien ein klarer Eingriff in die Pressefreiheit. Die Vielfalt der Medien in einer Demokratie zu erhalten müsse im Interesse jeder Regierung liegen, selbst dann, wenn es sich um Presseorgane der Opposition handle. In diesem Zusammenhang fiel die Bemerkung, dass der damalige Ministerpräsident Gyula Horn in den 90er-Jahren die Zeitung Magyar Nemzet vor dem Untergang bewahrt habe. Mráz erwiderte darauf, dass es Horn darum gegangen sei, die Magyar Nemzet nicht dem Fidesz zu überlassen.

Martin wies mit Blick auf die Situation der Zeitung auf eines der wenigen positiven Elemente in diesem Fall hin: auf die allgemeine Solidarität der ungarischen Presseleute mit den Journalisten von der Népszabadság. Mráz betonte seinerseits nachdrücklich, dass in Ungarn auch nach dem Verschwinden der Népszabadság unter den Medien nach wie vor linke Meinungsträger vorhanden seien und die Pluralität damit gewahrt bliebe. Gergely erwiderte, dass investigativer Journalismus, wie er vor allem von der Népszabadság in der vergangenen Zeit betrieben worden sei, z. B. bei der Aufdeckung von Korruptionsfällen auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums, von keinem derzeitigen Medium mehr so betrieben werde wie von den Journalisten der eingestellten Zeitung zuvor. Die Teilnehmer waren sich einig, dass auch die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) am Untergang von Népszabadság nicht unschuldig sei. Die Partei habe ihren nicht unbedeutenden Anteil an der Zeitung damals rechtzeitig verkauft und vermögende Unternehmer, die zu den Sozialisten gehören würden, würden derzeit keinerlei Versuche unternehmen, die Neugründung der Népszabadság finanziell zu unterstützen.

Gergely stellte heraus, dass die Redaktion der Népszabadság bei einem Neubeginn keine Parteizugehörigkeit oder politisch motivierten Besitzverhältnisse anstreben würde. Das allerdings, räumte er ein, mache einen Neubeginn erst recht problematisch. Gergely war allgemein der Meinung, dass die von einer neuen Generation junger Redakteure gestaltete Népszabadság in den letzten Jahren ohnehin parteipolitisch stärker ausgeglichen gewesen sei. Alle Diskussionsteilnehmer waren sich darüber einig, dass es ein besonders schwerwiegende Eingriff sei, dass nicht nur die Népszabadság als gedruckte Zeitung nicht mehr erscheine, sondern auch die Online-Ausgabe verschwunden sei und selbst das Archiv der Zeitung elektronisch nicht mehr zugänglich sei. Damit sei ein Stück der Pressegeschichte des Landes dem Publikum entzogen worden. Laut Ágoston Mráz sei diese Tatsache sehr bedauerlich, aber gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Archivexemplare der Zeitung in den Bibliotheken und durch verschiedenen Online-Datenbanken zugänglich bleiben würden.

Lesen Sie dazu auch den Artikel "AUB-Podiumsdiskussion zum Népszabadság-Aus: Die Regierung hätte das nicht zulassen dürfen" (Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 45/2016, S. 26-27)

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