Am 22. März 2017 hielt Prof. Dr. Katarina Pabel von der Universität Linz einen Vortrag zum Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf die österreichische Rechtsordnung.
Nach einer kurzen Einleitung durch Prof. Dr. Michael Anderheiden stellte Pabel zunächst den Rang der EMRK in der österreichischen Rechtsordnung und entsprechende Besonderheiten des österreichischen Verfassungsrechts dar. So habe die EMRK in Österreich Verfassungsrang, was das Land von den anderen Vertragsstaaten der EMRK wesentlich unterscheide. Im österreichischen Verfassungsrecht finde sich auch kein Grundrechtekatalog, lediglich einzelne Grundrechte würden in einigen verschiedenen Gesetzen mit Verfassungsrang garantiert, so Pabel. Der Großteil an rechtspraktisch relevanten Grundrechten entstamme folglich, seit dem Beitritt Österreichs zur EMRK im Jahre 1954, ebendieser. Somit sprach Pabel in diesem Zusammenhang von einem inhaltlichen „Verschmelzen“ der österreichischen Grundrechte und denen in der EMRK.
Weiterhin erläuterte Pabel im Hauptteil ihres Vortrages den Einfluss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) auf die österreichische Rechtsordnung. Dabei stellte Pabel, nachdem sie kurz die Bindung der österreichischen Gerichte an die Rechtsprechung des EGMR erläutert hatte, eine Klassifizierung dieses Einflusses in vier Kategorien vor. Die erste Kategorie ist die „grundlegende Änderung von Institutionen des Staates aufgrund der Rechtsprechung des EGMR“. Die zweite Kategorie betrifft die „Verfassungsänderungen aufgrund der Rechtsprechung des EGMR“. „Gesetzesänderungen aufgrund der Rechtsprechung des EGMR“ fallen in den dritten Bereich und zur letzten Kategorie zählen alle „Anpassungen der österreichischen Rechtsprechung aufgrund der Rechtsprechung des EGMR“.
Abschließend stellte Pabel allerdings fest, dass die Rechtsprechung des EGMR meist einzelfallbezogen sei und somit nicht alle Urteile in die österreichische Rechtsprechung übernommen werden dürften. Somit würden die Urteile des EGMR auch durch österreichische Gerichte häufig hinterfragt und zur Diskussion gestellt. Nichtsdestotrotz sei die EMRK für österreichische Gerichte eine Selbstverständlichkeit bei der Klärung von Grundrechtsfragen und dieses sei in Österreich auch nie angezweifelt worden. In einigen Fällen hätten sich die österreichischen Gerichte und der EGMR in ihrer Rechtsprechung sogar gegenseitig beeinflusst. Insgesamt sei der Einfluss der EMRK und der EGMR Rechtsprechung in Österreich als routinemäßig anzusehen und werde in der österreichischen Justiz, Verwaltung und Politik akzeptiert und befürwortet. Dieses kann schlussendlich als Besonderheit des österreichischen Grundrechtsschutzes angesehen werden, was auch bei der abschließenden Diskussionsrunde zum Ausdruck kam.
Text: Julia Peters