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Cruising Europe!
YCDN
Workshop des Young Citizens Danube Network (YCDN) an der Andrássy Universität Budapest (AUB).

„Segel setzen“ hieß es sprichwörtlich für die rund fünfundzwanzig jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vom Young Citizens Danube Network (YCDN), dem Antall József Tudásközpont (AJTK) und der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Workshops CRUISING EUROPE! vom 9. bis 10. Mai 2014 an der Andrássy Universität Budapest (AUB). Ein Großteil von den aus sieben Donau-Ländern und Polen extra nach Budapest angereisten jungen Menschen wird nämlich in den kommenden Monaten mehrwöchige Segeltörne auf dem Schiff des RIVE (Rivers of Europe) Projektes verbringen. Innerhalb einer zweimonatigen Programmfahrt von Regensburg bis Ruse werden in den angelaufenen Uferstädten der Donau künstlerische und zivilgesellschaftliche Workshops, Performances, Ausstellungen und andere Kleinprojekte veranstaltet werden.

Am Abend des 9. Mai wurde der Workshop, dem Rahmen des Projektes getreu, mit einem lockeren Empfang auf einem an der Budapester Uferpromenade liegenden Boot eröffnet. Dr. Attila Tóth, Abteilungsleiter im ungarischen Innenministerium und ausgebildeter Unterwasserarchäologe, offenbarte den faszinierten Teilnehmern Einblicke in die weniger zugänglichen Bereiche der Donau. Zeugnisse frühester menschlicher Besiedlung, wie Überreste römischer Niederlassungen, würden sich zuhauf im Flussbett zwischen Budapest und Bratislava verbergen – nur fehle es an politischem Wille und den nötigen finanziellen Ressourcen, diese oftmals zweifelsfrei lokalisierten Artefakte zu heben. Dabei sollen nach Überlieferungen selbst noch wertvolle Edelmetallschätze aus dem Mittelalter vom Flussschlamm verschlungen sein. Und zwar zwischen Visegrad und Esztergom, wo allein rund 35 eindeutig identifizierte antike und mittelalterliche Boote im Flussbett lägen. Der zweite Referent, der das Thema des Abends, „The Danube as a social ecosystem“, aus seiner Perspektive anreicherte, war Balázs Szölössy von der Budapester Initiave VALYO Varos és Folyo, die die Budapester Donau „accessible for all people“ halten wolle. Die Donau sei ein prägender Teil der Identität ihrer Uferbewohner – unabhängig nationaler oder sozialer Herkunft. Zur Unterstreichung dessen rezitierte Balázs Szölössy Werke des ungarischen Lyrikers Attila József, der schon im frühen zwanzigsten Jahrhundert die Völker entlang der Donau zu Austausch, Freundschaft und Eintracht mahnte.

Am 10. Mai setzten sich die Teilnehmer akademisch mit verschiedenen Fragestellungen rund um interkulturellen Dialog im Donauraum auseinander. Veronika Tóth aus dem ungarischen Ministerium für Humanressourcen schärfte die Begriffsdefinition interkulturellen Dialoges anhand einer Abgrenzung zur Multikultur. So wohne interkulturellem Dialog immer ein Austausch „at equal level“ inne. Sie zeichnete die Institutionalisierung interkulturellen Dialoges in den Vertragswerken der Europäischen Union seit Maastricht nach. Aus ihrer Praxis als nationale ungarische Koordinatorin europäischer Förderprogramme konnte sie die Teilnehmer auf die Möglichkeiten bestehender und neuer Programmlinien wie Erasmus+ oder European Remembrance aufmerksam machen, die den Teilnehmern mitunter noch unbekannt waren. Herausforderungen zeitgenössischen interkulturellen Dialoges in Europa seien der demografische Wandel, der eine besondere Inklusion älterer Menschen in den europäischen Programmlinien benötige, und die Entstehung von „hybrid identities“, die einen Paradigmenwechsel persönlicher kultureller Verortung von „where am I from?“ zu „where am I in between?“ zeitige und Menschen somit überfordern könne.

Péter Inkei vom Budapest Observatory on Financing Culture in East and Central Europa widmete sich am frühen Nachmittag der Rolle von „cultural diplomacy as a tool to building bridges“. Kulturdiplomatie werde von Akteuren zu vier Zwecken eingesetzt: Erstens, zur Darstellung des eigenen Kulturraumes gegenüber anderen Kulturen, beispielsweise die „promotion of European values“ in nationalen Kultureinrichtungen wie dem Goethe Institut oder dem Balassi Intézet im außereuropäischen Ausland. Zweitens, zum „capacity-building“ und „technological assistance“, also dem Ressourcentransfer im Kultur- und Gesellschaftsbereich zwischen zwei Kulturen mit dem Ziel, die Kultur- und Gesellschaftsstrukturen im Empfängerland zu stärken. Drittens, zum „brokering of opportunities“, dem „ice-breaking“ zwischen  Kulturen oder Nationen, wie es exemplarisch im Vorfeld der aufkeimenden diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China in den siebziger Jahren durch die Vereinigten Staaten betrieben wurde – man schickte dem offiziellen Staatsbesuch von Präsident Nixon die Tischtennismannschaft der USA voraus („ping-pong-diplomacy“). Und viertens, zur Anbahnung ökonomischer Übereinkünfte mit dem Ziel der Markterschließung und Steigerung der eigenen Ausfuhren in das Zielland. Fallstricke der modernen Kulturdiplomatie, besonders in Europa, seien das West-Ost Wohlstandsgefälle, die einen unerwünschten und kontraproduktiven „urge to compensate“ auf beiden Seiten hervorrufen könnte, der die gegenseitige Wertschätzung und den Respekt der jeweiligen Kultur untergraben könnte. Gemeint sei hiermit, wenn weniger entwickelte Staaten oder Regionen über eine übermäßige Betonung ihrer Eigenschaften, wie Folklore oder Lebensmittelerzeugnisse, die subjektiv wahrgenommene Rückständigkeit gegenüber dem weiterentwickelten Partnerland zu kompensieren versuchten. Dies würde eher dazu führen, sich in diesem Gefälle einzurichten und gegenseitige Stereotype neu aufzubauen. Péter Inkei ermutigte die Teilnehmer daher zu mehr Idealismus. Kulturdiplomatie solle (wieder) verstärkt für „causes“ („European values“) als für „interests“ („boost exports“) genutzt werden, um nicht über aufgezeigte Fallstricke innerhalb Europas wieder auseinander zu stolpern.

In ihren Vortrag stieg die dritte Referentin, Dr. Boglárka Koller von der Zsigmond Király Föiskola, mit der Auffassung ein, die tatsächlich schwerwiegendste Krise, die Europa heutzutage als Resultat ökonomischer Verwerfungen plage, sei die Identitätskrise. Der verbindende Mythos eines technokratischen, wohlstandsschaffenden Binnenmarktes, der die Friedensvision der frühen Europäer Schuman, Monnet, Adenauer und de Gaulle ablöste, sei mit der Finanz- und Wirtschaftskrise verwirkt. An Stelle dessen klaffe nun ein Vakuum, das die Kreation einer neuen verbindenden Vision nötig mache. Erschwert würde dieser Prozess durch die „counter myth“ eines undemokratischen und intransparenten bürokratischen Brüsseler Gebildes, mit dem Populisten erfolgreich hausieren gingen. Auch nationalkonservative Politiker – exemplarisch in Ungarn zu beobachten – versuchten mit ihrer „re-nationalization of identity“ dieses Vakuum zu besetzen. Wollten politische Entscheidungsträger darüber hinaus eine gemeinsame Donauraum-Identität bespielen, so wie es makropolitische Initiativen wie die Donauraumstrategie der Europäischen Union (EUSDR) nahelegten, müsse auch hier konstruktiv mit dem Identitätsbegriff umgegangen werden. Auf einem anderen Blatt stünde aber, ob so eine aktive „identity formation“ überhaupt wünschenswert und – besonders im kulturell und ethnisch heterogenen Donauraum – praktikabel und umsetzbar wäre. Nicht zu vergessen sei ohnehin, dass sich Identitäten nur über Generationen herausbildeten, über die Weitergabe bestimmter Traditionen und Werteauffassungen. Dr. Boglárka Koller befand das Konzept eines „identity nets“ zielführender in der Verortung individueller Identität. Es lasse die multiple und simultane Identifizierung entlang regionaler und sozialer Gesichtspunkte zu. Somit sei es abbildender als exklusive Verortungen wie entlang nationaler oder ethnischer Grenzen, die dem einzelnen Menschen in unterschiedlichen Kontexten eher unbegründete Konflikte – vor allem mit sich selbst – bescherten, und eine ebenso unbegründete Fragmentierung und Abgrenzung von anderen Menschen befeuere.

In der abschließenden Workshop-Einheit waren die Teilnehmer am Zug. Mit den in vorangegangen Gesprächen erworbenen Kenntnissen sollten sie ein kreatives „Logbook“ erstellen, dass die Ziele und hierfür zu verwendenden Instrumente einer zukunftsträchtigen europäischen Kulturpolitik darlege. Dieses Logbuch werden die Teilnehmer mit auf ihre Reise entlang der Donau nehmen, um die darin erfassten Ziele in der Gestaltung des Projektprogrammes und ihrer eigenen Projekte zu beherzigen. Ausgelegt werden wird dieses Logbuch außerdem zu den an Bord des Projektschiffes stattfindenden Veranstaltungen, um die Besucher und örtlichen Projektpartner zu ermuntern, eigene Ideen, Wünsche, Kontaktdaten oder zukünftige Kooperationsvorschläge für die Crew des RIVE Projektes festzuhalten. Ein weiteres Geschenk vermachte die in Budapest ansässige Donau-Kommission den Workshopteilnehmern: eine große Wandkarte des Flusslaufes der Donau, die von den Teilnehmern zugleich mit persönlichen Widmungen und Vermerken versehen wurde. Nach dem aufregenden Wochenende in Budapest heißt es für sie in wenigen Wochen nun endgültig „Leinen los“. Der CRUISING EUROPE! Workshop hat ihnen hervorragende Instrumente zur Navigation ihrer Projektarbeit an die Hand gegeben. Besonderer Dank gilt daher allen beteiligten Organisatoren, und im Besonderen der Konrad-Adenauer-Stiftung, die das Programm durch ihre freundliche Unterstützung erst in dieser Qualität ermöglichte.

Dieses Projekt wurde durch die freundliche Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung realisiert.

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