Vom 19.10. bis zum 21.10.2017 veranstaltete die Andrássy Universität in Zusammenarbeit mit der Baden-Württemberg-Stiftung die Tagung „25 Jahre Maastrichter Verträge: der Startpunkt für das heutige Europa“. Gemeinsam verorteten WissenschaftlerInnen, Studierende und politische VertreterInnen den Vertrag im heutigen Europa, tauschten sich aus und ließen die Idee des Maastrichter Vertrags in Vorträgen, Diskussionsrunden und Streitgesprächen aufleben.
Eingeleitet wurde die Tagung am Nachmittag des 19. Oktobers mit einem Workshop für Studenten, die im sogenannten World-Café-Format die wichtigsten Fragestellungen der einzelnen Panels der Konferenz in Kleingruppen diskutierten.
Am Abend des 19.10.2017 wurde die Tagung mit den Beiträgen von zwei Festrednern, Guido Wolf, Minister der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg, sowie Dr. László Palkovics, Staatssekretär für Bildung im Ministerium für Humanressourcen Ungarns, eröffnet. Prof. Dr. Dietmar Meyer, Rektor der AUB, begrüßte die Delegation aus Baden-Württemberg und die zahlreich erschienenen Gäste im Spiegelsaal der AUB. Im Anschluss sprach Minister Wolf zum Thema „Die Maastrichter Verträge nach 25 Jahren: eine politische Bewertung“. Er zeigte sich sehr beeindruckt von der Andrássy Universität und deren Studierenden, die „mit solcher Motivation und Leidenschaft von ihrem Studium sprechen und ... die eines eint: der gelebte Europa-Gedanke.“ Die nun zugesagte 5-jährige Finanzierung der AUB durch Baden-Württemberg hob er als Einstieg in ein langfristiges Engagement des Landes hervor. Nach dem Minister sprach Staatssekretär Dr. László Palkovics über die Auswirkungen der EU im Bildungssektor Ungarns. Er betonte, wie wichtig gut ausgebildete junge Menschen für die hiesige Wirtschaft seien. Christoph Dahl, Geschäftsführer der Stiftung, bedauerte abschließend das Ausscheiden der Stiftung aus der Finanzierung der AUB. Im Anschluss kamen die Gäste bei einem Stehempfang zum Austausch zusammen.
Am Freitag, den 20.10.2017 wurde die wissenschaftliche Tagung durch den Initiator und Organisator der Veranstaltung, Prof. Michael Anderheiden eröffnet. In seiner Ansprache an die TeilnehmerInnen hob er die Bedeutung der Maastrichter Verträge hervor, da die heutige EU deren Kind sei. „Maastricht“ sei als Neugründung das „zweite Rom“. Danach übergab er das Wort an Christoph Dahl, den Geschäftsführer der die Tagung finanzierenden Baden-Württemberg-Stiftung, und an Dr. Claus-Peter Clostermeyer, Ministerialdirigent a.D. und Vertreter des Landes Baden-Württemberg in Universitätsrat und Kuratorium der AUB, der kurz Glücksgriffe und Schwächen der Maastrichter Verträge resümierte.
Das erste Panel des Tages wurde durch Prof. Dr. Endre Juhász, Minister a.D. und Richter am europäischen Gerichtshof, eröffnet. Er hielt einen Vortrag über die Auswirkungen der Maastrichter Verträge auf den Beitritt Ungarns in die EU. Er gab einen Einblick als Zeitzeuge (und einer der Leiter) der Verhandlungen und deren Auswirkung auf den Beitritt Ungarns. Es folgte ein Kurzvortrag von Dr. Michael Goldhammer von der Universität Bayreuth zum aktuellen Thema: „Europäische Union und nationale Identität“. Er setzte sich in seinen Vortrag mit dem Artikel 4 AEUV und dessen Bezug auf die nationale Identität auseinander.
Im zweiten Panel hielt PD Dr. Attila Vincze von der AUB einen Vortrag über die Auswirkungen der Maastrichter Verträge auf die Rechtssysteme der Beitrittsländer orientiert an der Währungsunion. Er betonte, dass die Währungsunion und der Schengen-Raum eine identitätsstiftende Wirkung hätten.
Den ersten Vortrag nach der Mittagspause hielt Prof. Dr. Marie-Pierre F. Granger, von der CEU (Central European University). Im Jahre 2015 veröffentlichte sie den Beitrag „The Court of Justice’s dilemma – between “more Europe“ and „constitutional mediation““, welchen sie im Rahmen der Tagung aktualisierte. Im Kurzvortrag von Veronika Kéri, Doktorandin an der Eötvös Loránd Universität ging es um die verfassungsrechtliche Identität in der Integration und um die Identitätskontrolle in Deutschland und in Ungarn, sowie beim EuGH. Abschießend sprach PD Dr. Mattias Wendel von der Freien Universität Berlin über die Vorlagen an den EuGH als gegenseitige Rollenprägung der Gerichte. Nach Maastricht beobachtete man einen Wandel des Verfassungsdenkens in der Europäischen Union, wobei die Bedeutung von Vorlagen der Verfassungsgerichte an den EuGH sehr groß war.
Panel 4 setzte sich mit dem Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union auseinander. Drei Vorträge und die anschließende Diskussionsrunde erläuterten die Wichtigkeit und Feinheiten dieses grundlegenden EU-Prinzips. Im ersten Vortag lobte Prof. Dr. Stefan Oeter von der Universität Hamburg das Subsidiaritätsprinzip als die große Errungenschaft des Maastricht-Vertrags. Hannes Rathke, LL.M., Alumni der AUB, Mitarbeiter beim Europareferat des Deutschen Bundestages knüpfte daran an und stellt das Verfahren zum Subsidiaritätsprinzip des Deutschen Bundestags vor. Im letzten Vortrag stellte Prof. Dr. Bengt-Arne Wickström, Gastprofessor der AUB, die ökonomischen Aspekte der Subsidiarität vor und ging auf die Frage ein, wann sich diese für ein Land bzw. eine Region lohne.
Das Panel 5 der Tagung wurde als Round-Table-Gespräch über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestaltet und von Dr. Ulrich Schlie (AUB) moderiert. Die Teilnehmer waren neben Schlie Prof. Dr. Ulrich Hufeld, der an der Helmut-Schmidt-Universität tätig ist, und Prof. Dr. Sebastian Graf Kielmansegg von der Universität Kiel. Beide waren sich einig, dass man zur Verbesserung militärischer Fähigkeiten der europäischen Staaten Bedingungen schaffen müsse. „Die NATO ist kein europäisches Bündnis, sondern transatlantisches Bündnis und die EU kann ein transatlantisches Bündnis nicht ersetzen.“, betonte Hufeld.
Abschluss des ersten Konferenztages bildete ein Streitgespräch zum Thema „Maastricht: Interesse wecken, Bewusstsein wachhalten“ zwischen Georg Paul Hefty, ehemals leitender Redakteur und Journalist der FAZ und Prof. Dr. Andreas Oplatka, NZZ und Lehrbeauftragter an der AUB, moderiert von der Prorektorin der Andrássy Universität Prof. Dr. Ellen Bos. Die Diskutanten waren sich in den meisten Fällen einig, so sahen beide den Maastricht-Vertrag als revolutionäres Instrument der EU, das den Beitritt der ehemaligen Ostblock-Staaten vorbereitete. Beide Diskutanten betonten aufgrund der aktuellen antieuropäischen Töne, wie wichtig das Wachhalten des Bewusstseins des Vertrags von Maastricht als einendes Element Europas sei.
Der letzte Tag der Konferenz begann mit einem Vortrag von Prof. Dr. Bettina Schöndorf-Haubold von der Universität Gießen, zum Thema: „Der europäische Sozialfond als Instrument europäischer Sozialpolitik – Kontinuität und Impulse durch die Verträge von Maastricht.“ Der europäische Sozialfond sei ein strukturpolitisches Förderinstrument, um die Beschäftigungsrate und den Binnenmarkt zu verbessern, jedoch habe die EU bis heute nur eingeschränkte Kompetenzen in der Sozialpolitik; daraus entstünden Defizite und Spannungen. Es folgte ein Vortrag von PD Dr. Jan Schäfer von der Ludwig-Maximilian-Universität München zum Thema: „Sozialpolitik als Vorrausetzung für Wettbewerb“. Er arbeitete dabei heraus, dass eine gute europäische Sozialpolitik den Wettbewerb fördere und ihn nicht einschränke.
Beim Roundtable des Panels 8 sprachen Botschafter a.D., Dr. Ferdinand von Trauttmansdorff, Professurleiter der AUB und Botschafter Jan Sechter, Außenministerium der Tschechischen Republik über das Thema „Europäische Regionalpolitik seit Maastricht: Erfolge, Fehlsteuerung, Versagen“. In seinem Beitrag ging von Trauttmansdorff auf die Wichtigkeit der Grenzregionen in der EU ein. Sie seien ein schlafendes Potential, welches die Kommission eben erst entdecke. Sehr langsam schreite der Abbau von faktischen und bürokratischen Hürden in diesen Regionen voran. Botschafter Sechter sprach die Thematik aus der Sicht der ehemaligen Tschechoslowakei an und beleuchtete Probleme, die sich aus der Praxis ergäben..
Im letzten Panel der Veranstaltung widmeten die Vortragenden sich dem Binnenmarkt. Zunächst beschäftige sich Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter-Christian Müller-Graff von der Universität Heidelberg mit dem „Binnenmarkt als Einheit“. Er unterstrich, dass man es zwischen 28 Einzelregelungen schaffe, eine vertragsrechtliche Vereinbarung zu treffen, die ohne Beschränkung gelte. Es werde oft verkannt, wie entlastend diese europäische Rechtsangleichung sei. Den letzten Beitrag der Tagung lieferte Kornélia Kozák, LL.M. wissenschaftliche Mitarbeiterin der AUB. In ihrem Kurzvortrag „Der ungarische „Beitrag“ zur Binnenmarkts-Rechtsprechung“, stellte sie einige Fallbeispiele zu Ungarn vor.
Insgesamt konnte man auf eine sehr gelungene Tagung zurückblicken, die eine Vielzahl von interessanten Beiträgen Rund um das Thema Maastrichter Verträge bot und von einem großen Publikum verfolgt und durch Fragen und Wortmeldungen geprägt wurde.
Bericht von Dóra Frey