Ziel der geplanten Konferenz des Zentrums für Demokratieforschung der Andrássy Universität ist eine systematische Klärung der grundlegenden Begriffe und Konzepte von Demokratie. Die Diversifizierung prinzipiell erfolgreicher Herrschaftsformen und die perzipierte Krise der Demokratie erfordern ein neues Nachdenken über Grenzziehungen konzeptioneller Art.
Die Diskussion um die Krise der Demokratie wird seit einigen Jahren intensiv geführt. Tatsächlich ist die klassische repräsentative Demokratie in mehrfacher Hinsicht herausgefordert. Im Zuge der Globalisierung treten in zunehmendem Maße Probleme auf, die nicht mehr im nationalstaatlichen Handlungskontext, sondern nur noch global bearbeitet werden können. Damit gerät die bis anhin paradigmatische Kongruenz von nationalstaatlichen Handlungs- und Verantwortungsräumen zusehends unter Druck. Die autonome Gestaltungsfähigkeit nationaler Regierungen nimmt ab und es stellt sich die Frage, ob der Nationalstaat die Grenzen seiner Problemlösungskapazität erreicht hat. Das Problem hat sich mit der Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/08 weiter akzentuiert. Generell wird das Verhältnis von Markt und Staat verstärkt kontrovers diskutiert. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Legitimation der Demokratie sowohl von der Input- als auch von Output-Seite in Frage gestellt wird. Gleichzeitig lässt sich auch der Aufstieg neuer autoritärer Systeme beobachten, die sich als erfolgreiche Systemalternative präsentieren. Eine erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen bedingt zum einen eine neue Verständigung über die grundlegenden Werte der Demokratie. Zum anderen gilt es auf der Basis dieses erneuerten Grundverständnisses, Institutionen und politische Verfahren den geänderten Anforderungen anzupassen.
Auch die neuen Demokratien, die im Zuge der dritten Welle der Demokratisierung seit 1989/90 weltweit entstanden sind, sind durch Prozesse der Globalisierung herausgefordert. Darüber hinaus geraten mit der Etablierung und Verfestigung der Demokratie deren systemimmanente Schwächen zusehends in den Mittelpunkt der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte. Die verbreitete Annahme, dass sich das westliche Demokratiemodell im Laufe der Zeit in der allgemein durchsetzen wird, hat sich vor dem Hintergrund dauerhafter Abweichungen und dem Auftauchen neuer nicht-demokratischer Systemalternativen als zu optimistisch erwiesen.
Sogar in den mittel- und osteuropäischen Staaten, wo der EU-Beitritt als Stabilitätsanker wirkte, hat sich der beitrittsinduzierte Anpassungsdruck als wenig nachhaltig erwiesen. Inzwischen hat es sich gezeigt, dass es sich nicht nur um eine temporäre Nachbeitrittskrise handelt, sondern sich grundsätzliche Gräben zwischen alten und neuen Demokratien auftun. Außerhalb des Raumes der europäischen Integration konnte sich die Demokratie ohnehin nicht verfestigen. Die gegenwärtigen Krisensymptome verweisen auf die fortbestehende Wirksamkeit tiefer liegender historischer Pfadabhängigkeiten (legacies).
Die zunehmende Vielfalt demokratischer (und nicht-demokratischer) Herrschaftssysteme stellt neue, anspruchsvolle Anforderungen an die vergleichende Demokratieforschung. Die etablierten dichotomen Konzepte zur Unterscheidung von Demokratie und Autokratie haben sich für die aktuelle Forschung als unzureichend erwiesen.
Ziel der geplanten Konferenz ist erstens eine systematische Klärung der grundlegenden Begriffe und Konzepte von Demokratie. Die Diversifizierung prinzipiell erfolgreicher Herrschaftsformen und die perzipierte Krise der Demokratie erfordern ein neues Nachdenken über Grenzziehungen konzeptioneller Art. Zum einen geht es um eine erneute Vergewisserung der normativen Grundlagen der modernen rechtsstaatlichen Demokratie. In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob die Herausforderungen im Rahmen der herkömmlichen Demokratiekonzepte bewältigbar sind, oder eine fundamentale Transformation der Demokratie notwendig ist. Zum anderen erfordert die Bewältigung der neuen Herausforderungen die Ausdehnung der demokratischen Herrschaftsformen über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus. Vor diesem Hintergrund sind die Qualitätsmerkmale der nationalstaatlich bewährten Demokratie im Kontext internationaler Verbünde neu zu fassen.
Nach der Klärung der konzeptionellen Grundlagen soll ausgehend von Fallstudien und vergleichenden Untersuchungen eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Strategien zur Bewältigung der bestehenden Herausforderungen vorgenommen werden. Darauf gestützt gilt es, ein Instrumentarium zu entwickeln, welches erlaubt, die qualitativen Aspekte und unterschiedlichen Verwirklichungsgrade der demokratischen Herrschaftsform zu erfassen.
Die geplante Konferenz will nicht die dichotome Unterscheidung zwischen Demokratie und Autoritarismus perpetuieren, sondern Grenzen und Möglichkeiten der heutigen Demokratie sowohl normativ-konzeptionell ausloten als auch ihre Variationen in der Verfassungswirklichkeit empirisch erfassen.
Mit freundlicher Unterstützung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Auswärtigen Amtes.