Das Verständnis von Organisationen wird sowohl in der sozial- als auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Organisationstheorie noch immer von zwei diametral entgegengesetzten Grundannahmen geprägt: Auf der einen Seite steht die kategorische Verneinung der Organisation als solcher im Rahmen ihrer axiomatischen Reduktion auf Entscheidungen von Individuen; auf der anderen Seite stehen Ansätze, die organisationale Phänomene zur einer Vorbedingung für individuelles Entscheidungsverhalten erklären und damit die Abhängigkeit des Individuums von im weitesten Sinne „sozialen“ Faktoren betonen. In diesen Theorieoptionen spiegelt sich die grundlegende Alternative zwischen methodischem Individualismus und methodischem Holismus als möglichen Grundaxiomen von Sozialwissenschaft überhaupt. Solange diese Theorieoptionen aber lediglich unter dem Gesichtspunkt axiomatischer Annahmen verhandelt werden, kann die Aufgabe einer Fundierung der (ontologischen oder epistemischen) Eigenständigkeit der Organisation nicht als wissenschaftliches Desiderat erscheinen.
Um in dieser alten Debatte sowohl unproduktive Frontstellungen als auch resignative Tendenzen zu vermeiden, wird die Jahrestagung die einzelwissenschaftliche Ebene verlassen und sich aus einer explizit sozialphilosophischen Perspektive den Grundsatzfragen einer Fundierung der Organisationstheorie widmen. Dabei sollen insbesondere aktuelle Ansätze aus dem Forschungsfeld der „Kollektiven Intentionalität“ in Beziehung gesetzt werden zu Ansätzen in der Tradition des deutschen Idealismus.
Ein Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung wird die Frage sein, welche Implikationen mit der Annahme der Möglichkeit einer Interaktion zwischen Individuen verbunden sind: Können in atomistischer Vereinzelung gedachte Individuen sich überhaupt von sich aus aufeinander beziehen oder sind in dieser Bezugnahme bereits gedankliche Elemente enthalten, die sich nicht mehr als Abfolge von analytisch bestimmbaren Einzelhandlungen und -intentionen verstehen lassen? Muss also mit anderen Worten der methodische Individualismus durch ein anderes Paradigma ersetzt werden?
Die Jahrestagung widmet sich diesen Grundfragen aus einem spezifisch organisationtheoretischen Interesse. Als Zielhorizont dient die Frage, in welcher Weise die Annahme einer Eigenständigkeit von kollektiven Akteuren gerechtfertigt, in welcher Weise also z.B. die weitverbreitete Rede von einer „Verantwortung von Unternehmen“ als sinnvolle Aussage verstanden werden kann.
Insbesondere folgende Fragen können als Orientierungspunkte für Konferenzbeiträge dienen:
Für Vorträge in deutscher und englischer Sprache sind jeweils 30 Minuten Vortragszeit und 20 Minuten Diskussion vorgesehen. Vortragsexposés (3 Seiten) werden erbeten bis zum 20. Februar 2017 an georg.trautnitz@andrassyuni.hu und einer Auswahl unterzogen. Die Entscheidung über eine Annahme wird bis zum 28.2.2018 mitgeteilt.