Nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung herrschte ein Konsens vor, dass sich weltweit liberale Demokratie im Verbund mit Marktwirtschaft als erfolgreichstes und einzig legitimes Ordnungskonzept durchsetzen würde (Fukuyama). Als Beweis für diese Weltsicht wurde die stetig voranschreitende Globalisierung herangezogen. Allerdings wird dieser Trend seit fast einem Jahrzehnt durch globale Krisen sowie den Aufstieg neuer autoritärer Systeme zunehmend in Frage gestellt. Diesen Mächten gelingt es zusehends, sich als erfolgreichere Systemalternativen zu präsentieren. Die Überlegenheit des westlichen Modells wird inzwischen selbst von europäischen und amerikanischen Politikern hinterfragt. Prominentes Beispiel dafür ist der ungarische Regierungschef Viktor Orbán, der die Position vertritt, dass die Wettbewerbsfähigkeit im „großen Wettlauf der Welt“ nur durch eine Loslösung von „den in Westeuropa akzeptierten Dogmen und Ideologien“ erhalten werden könne (26.7.2014).
In einem Zeitalter, in dem zahlreiche Krisen die Stabilität politischer Systeme erschüttern und das liberale Paradigma der Globalisierung mehr und mehr in der Kritik steht, akzentuiert sich die Frage, mit welchen Strategien politische Entscheidungsträger die aktuellen Herausforderungen angemessen bewältigen können. Dabei geht es nicht nur darum, kurzfristig auf akute Probleme zu reagieren, sondern darüber hinaus auch tragfähige Konzepte für die Gestaltung der Zukunft zu entwickeln. Die Dialektik von ständigem sozialem Wandel und notwendiger Adaption an die Systemumwelt beschäftigt die Politikwissenschaft seit ihren Anfängen. Der Kern des Problems besteht darin, die gebotenen Anpassungen an innen- und außenpolitische Veränderungen unter gleichzeitiger Bewahrung der Identität eines Gemeinwesens vorzunehmen. Dabei gehört die bewusste Steuerung und Gestaltung dieser Anpassungsprozesse durch Reformen zu den Kernaufgaben jeder Regierung. Die Frage, wie sich die Qualität und der Erfolg von Reformen bestimmen lassen, soll deshalb im Mittelpunkt der geplanten Konferenz stehen.
Die Konferenz ist interdisziplinär angelegt und richtet sich an Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Wissenschaftszweige. Die Fragestellung wird sowohl theoretisch als auch anhand von konkreten Fallbeispielen behandelt.
Programm
9.15-9.30 Ellen Bos und Zoltán Tibor Pállinger
Begrüßung
PANEL 1. GRUNDSATZFRAGEN
09.30-10.00 Siegfried F. Franke
Die gute Reform
Eine Kombination von Pragmatismus und Rechtsstaatlichkeit
10.00-10.30 Dietmar Meyer
Reformen als Investitionen: eine ökonomische Analogie
10.30-11.00 Stefan Okruch / Felix A. Dörstelmann
Varieties of Rationalism: Was ist eine gute wirtschaftspolitsche Reform?
11.00-11.30 Kaffeepause
11.30-12.00 Jörg Dötsch / Tobias Grans / Stefan Okruch
Recht oder ökonomisches Gesetz?
Oder: vom Einfluss der Wirtschaftswissenschaft
auf die Reform des europäischen Kartellrechts
12.00-12.30 Georg Kastner
Reformpläne von Franz Ferdinand
12.30-13.00 Zoltán Tibor Pállinger
Krise der repräsentativen Demokratie
Sind partizipative Reformen ein Allheilmittel?
12.30-14.30 Mittagessen
PANEL 2. REFORMEN IN UNGARN
14.30-15.00 Henriett Kovács
Gute Reformen, halbe Reformen, versäumte Reformen.
Die Nationalitätenfrage in Ungarn von 1830 bis 1920
15.00-15.30 László Komáromi
Reformen der direkt-demokratischen Institutionen in Ungarn
15.30-16.00 Tamás Sarközy
Die Veränderung der Regierungsfunktionen in Ungarn 1990-2017
16.00-16.30 Kaffeepause
16.30-17.00 Ellen Bos
Verfassungsreformen in Ungarn
17.00-17.30 István Szabó
Die Reform des Oberhauses in Ungarn 1926/1937
17.30-18.00 Melani Barlai
Das Projekt "Vokskabin"
18.00-18.15 Ellen Bos / Zoltán Tibor Pállinger
Schlussbemerkungen