Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Ost- und Mitteleuropa sah es einen Augenblick so aus, als würde die (westliche) Demokratie einen weltweiten Siegeszug erleben und als wäre die klassische Frage der politischen Philosophie nach der besten Regierungsform damit beantwortet. Francis Fukuyama sprach in diesem Zusammenhang gar vom „Ende der Geschichte“ und meinte damit, dass auch in der Zukunft keine alternativen Systeme zu liberaler Demokratie und Marktwirtschaft mehr vorstellbar seien.
Diese Euphorie unmittelbar nach dem Epochenwechsel 1989/90 ist schnell verflogen. Auch wenn weltweit noch nie so viele Staaten zumindest die minimalen Kriterien von Demokratie erfüllen wie in der Gegenwart, ist es nicht zu einem Siegeszug der Demokratie gekommen. Stattdessen wird seit einigen Jahren eine intensive Diskussion um die Krise der Demokratie geführt.
Tatsächlich steht die klassische repräsentative Demokratie in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Legitimationsverlust der demokratischen Institutionen und der politischen Akteure, den unverhältnismäßig großen Einfluss privater und partikularer Interessen, sinkende Wahlbeteiligungsraten, zunehmende Wählervolatilität sowie auf die die vor dem Hintergrund anhaltender Krisen eingeschränkte Handlungsfähigkeit von nationalstaatlichen Regierungen. Diese Tendenz wird durch den fortschreitenden Prozess der Globalisierung verstärkt, der ebenfalls zu einer Aushöhlung staatlicher Souveränität beiträgt. Gleichzeitig erzeugt er zunehmende Ängste vor dem Verlust der eigenen Identität.
Obwohl einfache Antworten dieser Komplexität der Herausforderungen nicht gerecht werden, suggerieren populistische Bewegungen sehr erfolgreich, dass solche mit einfachen Lösungen bewältigt werden können. Hinzu kommt der Aufstieg neuer autoritärer Systeme, die sich als erfolgreiche Systemalternativen präsentieren und die Vorherrschaft des Westens generell in Frage stellen.
Die geschilderten Entwicklungen stellen die fundamentalen Konstanten des westlichen Denkens in Frage. Die daraus resultierenden Probleme stehen im Zentrum der Forschungstätigkeit des Zentrums für Demokratieforschung, was sich auch in einer Reihe von Konferenzen niedergeschlagen hat. Ausgehend vom der kleinsten Einheit, dem Individuum, wurde zunächst das Konzept des Staatsbürgers (2012) und des guten Politikers (2014) diskutiert. Anschließend wurde die Perspektive erweitert, um die Grenzen der Demokratie (2015) auszuloten. Die diesjährige Konferenz führt das Nachdenken über die Grundlagen der westlichen Demokratie weiter und rückt den Staat in den Fokus. Dieser bildet den zentralen Bezugsrahmen der nationalen und internationalen Politik. Sein Status ist allerdings in den Theorien der Politik umstritten. Während die einen ihn quasi als überzeitliche Konstante des Politischen sehen, konstatieren die anderen einen Funktionswandel der in letzter Konsequenz das Konzept des Staates transzendieren könnte.
Ziel der geplanten Tagung ist es, aus interdisziplinärer Perspektive der Frage nachzugehen, was den guten Staat ausmacht und die Grenzen des Konzepts der Staatlichkeit auszuloten. Ausgehend von den normativen Grundlagen erfolgt eine Bestandsaufnahme und Einordnung aktueller Entwicklungen. Darüber hinausgehend sollen die wichtigsten Herausforderungen für das Konzept des Staates diskutiert werden.