Der 1867 abgeschlossene, als „österreichisch-ungarischer Ausgleich“ in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch eingegangene staatsrechtliche Kompromiss zwischen dem Kaiser von Österreich einerseits und der politischen Führung der Länder der Stefanskrone andererseits gilt gemeinhin als Beispiel für eine erfolgreiche Konfliktbeilegung unterschiedlicher Interessensgruppen innerhalb eines Staatsverbands. Dass der Ausgleich, dessen formalem Abschluss vor 150 Jahren in Österreich und Ungarn im Jahr 2017 im Rahmen verschiedener wissenschaftlicher und populärer Veranstaltungen gedacht wird, vom heutigen Standpunkt aus keineswegs nur als Erfolgsgeschichte angesehen werden kann, ist bekannt. Zu wenig weitreichend waren einerseits die Kompetenzen der Zentralmacht gegenüber den beiden Reichshälften, was die Handlungsfähigkeit der Staatsspitze mitunter einschränkte, zu einseitig andererseits der Fokus auf Deutsche und Ungarn als „staatstragende Völker des Reiches“, was die übrigen Nationalitäten des habsburgischen Vielvölkerstaates vor den Kopf stieß. Ungeachtet dessen stellt der Kompromiss einen Meilenstein in der europäischen Diplomatie- und Verfassungsgeschichte dar, gelang es doch auf diesem Weg nicht nur, einen immanenten innerstaatlichen Konflikt auszuräumen, sondern auf Basis dieses Übereinkommens eine Staatsordnung für einen europäischen Vielvölkerstaat zu schaffen, die über 50 Jahre Bestand hatte und letztlich erst durch die politischen wie gesellschaftlichen Umwälzungen während des Ersten Weltkriegs zu einem unerwartet raschen Zerfall gebracht wurde. Das Hauptaugenmerk der Veranstaltung liegt weniger auf einer erneuten Diskussion der Ereignisse rund um das Zustandekommen und den Abschluss des „Ausgleichs“ vor 150 Jahren, sondern vor allem auf dessen heutiger Beurteilung durch die Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie sowie seines Modellfallcharakters für ähnliche Konflikte in der europäischen wie globalen Staatenwelt. Die Organisatoren setzen sich zum Ziel, verstärkt NachwuchswissenschaftlerInnen in die Veranstaltung mit einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu bieten, neue Forschungsergebnisse und innovative Ansätze zu der Thematik zu präsentieren.
Programm
13:00 Begrüßung
Dietmar Meyer, Rektor der Andrássy Universität Budapest
Regina Rusz, Direktorin des Österreichischen Kulturforums Budapest
13:30 1. Panel: Die Österreichisch-Ungarische Perspektive auf den Ausgleich
Henriett Kovács (AUB): Die aktuelle Rezeption des Ausgleichs in Österreich und Ungarn
Melani Barlai (AUB-netPOL): Parteipolitische Relevanz von tradierten gesellschaftlichen Konfliktlinien in Ungarn
Mathias Krempl (UW): Der Ausgleich aus rechtshistorischer Perspektive
Moderation: Christina Griessler (AUB – netPOL)
15:00 Kaffeepause
15:30 2. Panel: Der Ausgleich und die übrigen Kronländer des Habsburgerreichs
Jan Květina (MUP): Der Ausgleich und seine Auswirkung auf das tschechische kollektive Gedächtnis anhand des Bereichs Bildung und Popkultur
Wladimir Fischer-Nebmaier (ÖAW): Sichtweisen der Geschichtsschreibungen beider Jugoslawien auf den „Ausgleich“
Márk Várszegi (AUB): Der Ausgleich aus juristischer Perspektive
Moderation: Melani Barlai (AUB – netPOL)
17:15-18.30 Podiumsdiskussion: Auswirkungen des Ausgleichs in der Gegenwart?
Anatol Schmied-Kowarzik, Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Imre Ress, Institut für Geschichtswissenschaften, Ung. Akademie der Wissenschaften
Zoltán Szász, Institut für Geschichtswissenschaften, Ung. Akademie der Wissenschaften
Christopher Walsch, Corvinus Universität Budapest
Moderation: Richard Lein (AUB – Karl-Franzens Universität Graz)